Jeder Implantat-Patient, egal ob Hörimplantat oder Hüftprothese, bekommt einen entsprechenden Implantat-Ausweis, den er dem behandelnden Arzt vor medizinischen Untersuchungen möglichst schon bei der Terminvereinbarung zeigen sollte. Damit bleibt Mediziner und Patienten genug Zeit, eventuell benötigte Zusatzinformation über das jeweilige Implantat einzuholen.

Mediziner befinden sich in einer schwierigen Situation: Sie sind nicht nur für die Richtigkeit ihrer Diagnosen und den Erfolg der Therapie zuständig, sondern sie zeichnen auch verantwortlich, alle ihnen bekannten sonstigen Erkrankungen und Behandlungen des Patienten und auch seine Implantate zu berücksichtigen. So muss der Röntgenspezialist nicht nur wissen, welche Art der Aufnahme – konventionelles Röntgen, CT, MRT, Ultraschalluntersuchung, Kontrastmittel-CT, oder andere Bildgebung – er für optimale Aufnahmen verwenden sollte, sondern auch welche Wechselwirkungen mit dem Implantat jeweils auftreten könnten.

Prinzipiell sind Röntgen- oder CT-Aufnahmen, sowie Ultraschalluntersuchungen als bildgebende Diagnoseverfahren für Nutzer von Hörimplantaten risikofrei und die Implantate beeinflussen deren Qualität nicht. MRI-Untersuchungen jedoch müssen gut vorgeplant werden, da die gegenseitige Einflussnahme zwischen Hörimplantat und MRI vom Typ des Implantats abhängig ist und berücksichtigt werden muss.

Gerade die MRI-Festigkeit der Implantate gewinnt zunehmend an Bedeutung. Prof. Ertl-Wagner erklärt bei einer Fachtagung im April 2015, jährlich würde jeder fünfte Deutsche ein sogenanntes Schnittbild benötigen, etwa 45% davon seien MRIs. In Österreich mussten sich laut Prof. Dr. Wolf-Dieter Baumgartner, HNO Universitätsklinik Wien und Präsident des CIA, in den letzten 19 Jahren etwa zehn Prozent aller CI-Patienten des AKH Wien einer MRI unterziehen. Doch auch aus anderer Sicht beurteilt er die MRI-Festigkeit der Hörimplantate als dringlich, denn einen Miniskus- oder Seitenbandriss könne man sich beim Skifahren oder am Fußballplatz schnell zuziehen und „nicht jeder Unfallchirurg im Skigebiet weiß, was eine Vibrant Soundbridge ist.“ Speziell für Patienten mit Multipler Sklerose, NFII-Tumoren oder ähnlichen Komorbiditäten sind regelmäßige MRI-Untersuchungen unerlässlich, betont Prof. Dr. Dr. Martin Kompis, Universitätsklinik Bern, und ergänzt, es sollten auch jene vorplanen, „die nicht wissen, ob sie in den nächsten 60 oder 70 Jahren eine MRI brauchen werden“, was letztlich jeden Implantat-Patienten einschließt.

Wechselwirkungen

MRI steht für „Magnet Resonance Imaging“, auch MRT „Magnet Resonance Tomography“ oder kurz MR genannt. Dabei werden starke Wechselmagnetfelder aufgebaut, die eine entsprechende Kraft auf die magnetischen Teile des Implantats ausüben. Nun gibt es aber nicht nur bei den äußeren Teilen von Hörimplantat-Systemen, die man während der Untersuchungen sowieso ablegen soll, einen kleinen Magneten, sondern auch der implantierte Teil des Systems enthält einen Magneten. Durch die Wechselwirkung dieses implantierten Magneten mit dem Magnetfeld des MR-Geräts unterliegt das Implantat während der Bildgebung Kräften, die es drehen oder verschieben könnten.

Andererseits könnte es dazu kommen, dass der Magnet des Implantats seine Magnetkraft verliert. Zusätzlich könnten durch die wechselnden Magnetfelder Signale induziert und damit ungewollte, möglicherweise unangenehme Höreindrücke erzeugt werden und sogar die Erwärmung des menschlichen Gewebes im Bereich um das Implantat könnte eine Folge des MRI sein. Die durch das Magnetfeld erzeugten Kräfte sind aber die hauptsächlichen Risiken für das Implantat.

Andererseits ist auf dem erstellten Bild nicht nur das Implantat mit allen Teilen erkennbar, es wirft auch einen Schatten direkt im Implantat-Bereich und führt zu Verzerrungen im Umkreis, sodass in diesem Bereich die Aussagekraft beim MRI des Schädels beeinträchtigt ist.

Neue Generation der Hörimplantate

Das geht so weit, dass bei den meisten Hörimplantaten aussagekräftige MR-Bilder von der implantierten Schädelseite nicht möglich sind. Bei MR-Aufnahmen von Nutzern der jüngsten CI-Generation SYNCHRONY von MED-EL werden aber selbst diese ipsilateralen Strukturen im Schädel aussagekräftig abgebildet, wie Dr. Omid Majdani vom Hörzentrum Hannover kürzlich anhand einer Studie darlegte, wenn dazu der Magnet entfernt wird.

DI Ewald Thurner, Direktor von MED-EL Wien, erklärt dazu: „Bei allen unseren Cochleaimplantaten, sowie bei der Bonebridge und beim neuen Vibrant Soundbridge VORP503 sind MR-Aufnahmen bis zu 1,5 Tesla Feldstärke unter Einhaltung der Hersteller-Anweisungen ohne Sicherheitsrisiko möglich. Die älteren Vibrant Soundbridge VORP502 stellen diesbezüglich die einzige Ausnahme dar.“ Die MRI-Kompatibilität ist nicht bei allen Herstellern gegeben. Doch in den letzten Jahren steigt nicht nur die Häufigkeit der MR-Diagnostik insgesamt, es kommen immer mehr MR-Geräte zum Einsatz, die Feldstärken bis zu 3 Tesla verwenden. „Mit 3 Tesla ist es für Röntgenologen einfacher, gute Bilder zu machen“, erklärt die Münchner Radiologin Prof. Dr. Birgit Ertl-Wagner. Deswegen handle es sich bei etwa 20 Prozent aller neuinstallierten MR-Geräte in Deutschland um 3T-Systeme. Bei manchen Cochleaimplantaten kann man auch Aufnahmen mit 3T durchführen, wenn zuvor der Magnet des Implantats entfernt wurde. Das Entfernen des Magneten bedarf aber eines kleinen operativen Eingriffs beim Patienten und ist mit der zugehörigen Wundheilung verbunden, bevor das Implantat wieder im vollen Umfang genutzt werden kann. Prof. Baumgartner weist auch auf die Kostenrelevanz der Magnetentfernung hin: „Wenn man diverse Voruntersuchungen berücksichtigt, dann beläuft sich ein Hautschnitt an einer Universitätsklinik auf bis zu 5 000,- Euro.“ So gesehen erweist sich bei der Notwendigkeit einer MR-Diagnostik ein Implantat als vorteilhaft, bei welchem die Tests ohne vorherige Entfernung des Magneten durchgeführt werden können. „Das SYNCHRONY von MED-EL ist das weltweit einzige CI, das ohne Entfernung des Magneten bis 3 Tesla MR-tauglich ist“, erklärt DI Thurner stolz.

Aber trotzdem kommt es zu den beschriebenen Verzerrungen im Bereich um das Implantat. Wenn man das Gewebe dort genau sehen muss, muss also doch der Magnet entfernt werden. DI Thurner dazu: „Auch das ist beim SYNCHRONY möglich.“ Zusätzlich kann man die Artefakte mit bestimmten Einstellungen der MR-Geräte, sogenannten Metallunterdrückungssequenzen, reduzieren. Dr. Majdani hat im Zuge einer Studie zu Artefakten beim MR festgestellt, dass das SYNCHRONY das einzige CI ist, bei dem MR-Untersuchungen des Schädels auch auf der implantierten Seite aussagekräftige Bilder liefern.

Für alle anderen Aufnahmen weitab des Schädels kann der Magnet im Implantat verbleiben. „Ab der Wirbelsäule gibt es keine Probleme“, erklärt Prof. Dr. Matthias Tisch, HNO-Chirurg am Bundeswehrkrankenhaus Ulm, von dort weg seien qualitativ gute Bilder ohne Artefakte erzielbar.

Was also ist zu tun?

Bei der Wahl des Implantats sollte man auch darauf achten, welche aktuellen Implantate wie weit MR-tauglich sind. Wenn ein MR gefordert ist, sollte der Radiologe schon bei der Terminvereinbarung über das Implantat informiert werden und gemeinsam ist abzuklären, ob MR-Geräte mit den erforderlichen Bildsequenzen und Feldstärken in Bezug auf das Implantat zur Verfügung stehen und ob der Röntgenfachmann weitere Informationen vom Hersteller des Implantats benötigt. Derartige Informationen sind im Benutzerhandbuch des Sprachprozessors, auf dem Implantat-Ausweis, auf der Homepage des Herstellers oder beim Hersteller direkt per Telefon oder E-Mail zu erfragen. MED-EL hält auch ein Informationsblatt mit allen nötigen Daten bereit. Wartezeiten auf ein MRI können in Österreich bis zu 14 Wochen betragen, wie Dr. Friedrich Vorbeck, Vorsitzender der Bundesfachgruppe Radiologie, erklärt, im privaten Bereich könne es etwas schneller gehen. Daher sollte alles gewissenhaft vorbereitet werden, damit der vereinbarte Termin dann auch wahrgenommen werden kann.

Natürlich sollten alternative Untersuchungsmethoden überlegt werden. Dr. Majdani verweist auf Kontrastmittel-CTs für verschiedene Fragestellungen und auch Prof. Ertl-Wagner erwähnt das CT als mögliche Alternative und entkräftet auch gleich das Argument einer höheren Strahlenbelastung beim CT: „Es ist richtig, dass man auf die Dosis achten muss, aber CT ist nicht CT und CT vor zehn Jahren ist nicht CT von heute.“ Bei sorgfältiger Einstellung sei die Belastung beim CT etwa gleich wie beim MRI. Bei einem Felsenbein-CT, bei dem gerade der besonders kritische Bereich um das Hörimplantat abgebildet wird, liege die Bestrahlung bei 0,11 Millisievert und entspräche damit der Strahlenexposition bei einem Flug von München nach San Francisco.

Fällt die Entscheidung doch auf ein MRI, so sollte der Nutzer die äußeren Teile des Hörsystems zur Untersuchung ablegen. MED-EL empfiehlt einen Druckverband um das Implantat. Der Patient muss am Rücken liegen und darf den Kopf während der Untersuchung nicht bewegen.

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