Lisa Dorner und Tobias Steiner sind von Beginn an bei den CIA Summer Days in Velden mit dabei. Mit Gehört.Gelesen sprechen sie über den Theater-Workshop, den sie heuer wieder leiten.
„Lisa ist Rekordhalterin bei der Velden-Teilnahme“, lacht Tobias Steiner. Die 19-jährige Studentin Lisa Dorner war bisher bei allen CIA Summer Days dabei. Anfangs war sie Teilnehmerin, da ihre Familie eine befreundete CI-Familie begleitete, mittlerweile ist sie Teil des Vorbereitungsteams. Sie und Tobias Steiner, alias Tobi, leiten den Theaterworkshop.
Den Theaterworkshop gibt es, seit es die Summer Days gibt. Im ersten Jahr wurde er von der bulgarischen Schauspielerin Mag. Silvia Guenova geleitet und vom Wahl-Wiener Anton Egger, der sich auch um die Technik kümmerte. Egger ist Schwerhörigenlehrer und Psychotherapeut, Guenova Mutter einer mittlerweile erwachsenen, hörbeeinträchtigten Tochter. Seit 1997 leiten die beiden die integrative Kinder-Theaterwerkstatt viva in Wien, bei der sie sich schauspielerisch auf die Stanislawski-Methode berufen1. Der russische Schauspieler und Regisseur Konstantin Sergejewitsch Stanislawski propagierte das „innere Erleben der Rolle“ – was im heutigen Sprachgebrauch der Empathie2 für die gespielte Figur entspricht. In der Arbeit mit den darstellenden Kindern nützen Guenova und Egger Parallelen von Theaterausbildung und Sprachtherapie.
„Wir hatten eine Aufwärmübung, bei der wir Wortsilben, Explosive, besonders deutlich aussprechen sollten. Diese Übung haben wir dann gleich als erste Präsentation aufgeführt“, erinnert sich Tobi, der damals ebenfalls mit seinen CI-versorgten Freunden an den Summer Days teilgenommen hat. „Insgesamt war die erste Aufführung eine Revue diverser kleiner Auftritte: Gesang, Theater, ein Zauberer. Wir haben dann jedes Jahr in Velden Theater gespielt: Pippi Langstrumpf, Cats und diverse andere Stücke.“ Das Besondere an den Summer Days-Produktionen: Normalhörende und implantierte Kinder spielen stets Seite an Seite. „So haben sich schon viele Freundschaften entwickelt“, bestätigt auch Tobi, „Zu Beginn sind die meisten noch zurückhaltend, aber nach ein paar Tagen sind sie kaum noch zu trennen“.
Vollprofis in Serie
Im zweiten Velden-Jahr übernahm der Balletttänzer und Pädagoge Iassen Stoyanov, Leiter der Theaterballettschule MAESTRO in Linz, den Theaterworkshop; dann der Tänzer Karim Rahoma, im Anschluss Iassen Stoyanovs Sohn Samouil, genannt Sami, der heute Ensemblemitglied der Kammerspiele München ist. Auch einige frühere Teilnehmer der Summer Days haben künstlerische Wege eingeschlagen, wie die Schauspielerin Melisa Mehmeti oder Tobis Schwester Johanna, die zurzeit eine Schauspielschule in England besucht.
„Von uns beiden ist Lisa die talentiertere“, lächelt der Jusstudent Tobi charmant, und relativiert seine langjährige Erfahrung beim Schultheater. Seit fünf Jahren leiten die beiden im Team den Theater-Workshop.
Beruflich hat auch Lisa nichts mit darstellender Kunst zu tun, sie studiert Journalismus und Medien-Management, als Hobbyschauspielerin hat sie aber viel Erfahrung gesammelt: „Ich habe mich in verschiedenen Theatergruppen ausprobiert, am längsten beim Wiener Kindertheater. Mit einigen jugendlichen Ensemblemitgliedern haben wir dann das Jugendtheater gegründet und eine ganze Theateraufführung selbst auf die Beine gestellt: ausgearbeitet, Regie geführt, gespielt.“ Zurzeit setzt sie ihre künstlerischen Talente ausschließlich in Velden und beim Schreiben ein.
Multimediale Produktionen
„Wir haben schon mit Sami viel mitgestalten dürfen. Die volle Verantwortung war beim ersten Mal aber doch stressig“, erinnert sich Lisa und Tobi schmunzelt: „Wir wollten ja verhindern, dass es ein Reinfall wird.“
Der 23-Jährige erinnert sich an die erste Produktion, ein Potpourri verschiedener Filmszenen: „Gollom aus Herr der Ringe hatte ein CI gestohlen und ist damit durch mehrere Filme geflüchtet.“ Sogar die Filmszenen selbst wurden bei den Summer Days nachgedreht. „Die Kinder, die gerade auf der Bühne waren, waren gleichzeitig in der jeweiligen Filmszene zu sehen.“ „Wir haben damals multi-mediales Theater in Velden eingeführt“, so Lisa. „Wir bauen aber immer auch Erwachsene in die Produktionen mit ein.“
In Erinnerung geblieben ist eine der Filmszenen, an der DI Ewald Thurner von MED-EL Wien mitwirkte: Ein Kind sollte als Messerwerfer Ewald unabsichtlich verwunden und deshalb erschrecken. „Regieanweisung war, er soll das Messer weit wegwerfen. Wir wollten im Film dann einen Schnitt machen, sodass der Eindruck entsteht, als würde das Messer in Ewalds Auge landen“, erinnert sich Tobi. „Er hat dann so weit geworfen, dass das Messer gegen die nächste Wand geprallt ist. Darüber ist er so erschrocken, dass er spontan die Hände vor den Mund gerissen hat – in Kombination mit der Aufnahme danach, das Messer im Auge, hat das sehr realistisch gewirkt.“
„Auf der Bühne darf man schreien!“
Passend zum allgemeinen Musik-Schwerpunkt im heurigen Jahr soll es nach unterschiedlichen Produktionen in den Vorjahren heuer auch in Velden wieder in Richtung Musik und Musical gehen. „Wenn in einer Theatergruppe klassische Stücke gespielt werden, ist damit vorgegeben, was die Beteiligten machen müssen. In Velden ist es uns aber wichtig, dass alle Kinder das spielen dürfen, was sie gerne möchten“, erklärt Lisa, warum das Konzept für das heurige Stück zwar schon steht, die konkrete Vorbereitung aber erst vor Ort beginnen kann: „Auch wenn wir einige der heurigen Teilnehmer der Summer Days vom Vorjahr kennen, wissen wir nicht, wer dann beim Theater mitmachen wird. Und im Lauf eines Jahres entwickeln und verändern sich die Kinder auch sehr stark.“
Auch das therapeutische Konzept hat sich weiterentwickelt. „Sprachübungen im eigentlichen Sinn machen wir keine, dafür verschiedene Schauspielübungen. Und wir üben laut und deutlich zu sprechen“, so Lisa. Tobi ergänzt: „Ein Unterschied der CI-Kinder zu normalhörenden Kindern ist dabei nicht wichtig. Beide sprechen anfangs oft zu leise. Wir lassen die Kinder selbst ausprobieren, was sie ganz hinten im Saal davon noch hören und verstehen. Auf der Bühne ist es erlaubt zu schreien!“
Insgesamt habe Tobi damals als Teilnehmer viel beim Theater-Workshop gelernt, was er im Alltag nützen kann: „Bei meinem Job im Promotion-Bereich. Oder wenn ich mich selbst verkaufen muss, weil ich etwa meine Eltern zu etwas überreden möchte.“ Letztlich geht es den beiden aber darum, dass alle Kinder unabhängig von einer eventuellen Beeinträchtigung sich trauen, sich vor Publikum zu präsentieren. Die Überwindung auf einer Bühne zu stehen sei für niemanden einfach, gerade nicht für Kinder mit Beeinträchtigungen. Diese Scheu zu überwinden sei das große Ziel. Lisa nickt: „Man merkt richtig, wie die Kinder auf der Bühne aufblühen. Wie sie Sicherheit und Selbstbewusstsein entwickeln.“