Sport genießen mit Cochlea-Implantat
Richard Czvitkovits ist ein Spätberufener – beim Sport und beim beidseitigen Hören. Doch jetzt ist er in beiden Bereichen topfit, und kann viel darüber erzählen.
„Ich bin immer im Stress, von acht bis acht – und danach pass‘ ich auf den Fernseher auf.“ Richard Czvitkovits lacht und nippt an seinem Kaffee. Wir sitzen unweit seines Wohnhauses in einer kleinen Bäckerei. Mit Sportschuhen, Outdoorjacke und Bauchtasche ist der 76-Jährige für alle Eventualitäten gerüstet. Eitel sei er nicht, aber: „ein fitter, älterer Herr – da lege ich Wert drauf. Ich betreibe Sport, was halt noch so geht. Bis zu meinem 60er bin ich Halbmarathon gelaufen.“
„Früher habe ich für so etwas keine Zeit gehabt. Mir waren die Madeln lieber, als drei Mal in der Woche im Fußballverein zu trainieren“, schmunzelt der Niederösterreicher. 56 Ehejahre machten ihn zum Vater und Großvater, und über die beste Freundin der Tochter hat er auch „quasi ein Urenkerl“. Nicht nur in der Familie gab es mit allen eine gute Gesprächsbasis, vor der Pensionierung hatte er als Postamtsleiter auch beruflich viel mit unterschiedlichsten Menschen zu tun. Dass er schlecht hört, war ihm dabei lange nicht bewusst.
Mit 50 Jahren Neues beginnen
Der Familienvater war auch immer schon viel im Freien unterwegs: mit dem Campingwagen, seinem Segelboot am Neusiedlersee oder mit dem Motorboot am Meer. „Bei meinem 50er hat mir ein Neffe dann erzählt, dass er Marathon zu laufen begonnen hat. Ich habe mir gedacht: Wenn der das kann, kann ich das auch. Dann bin ich von da in den Wald gelaufen, durch die Weingärten bis Berndorf und Bad Vöslau. So habe ich halt angefangen.“
„Wer einen Marathon läuft, der muss ja ein bisschen einen Deppscher haben. Aber schön ist das Training davor.“ Czvitkovits hat etwa zwei Jahre trainiert, bis er für den ersten großen Lauf reif war – regelmäßiges Lauftraining, eine Ernährungsumstellung und gute Laufschuhe waren nötig: „Sonst ruiniert man sich die Füße.“
Sport mit CI: „Ich habe mir das eingebildet und durchgezogen!“
Für den ersten Halbmarathon in der Wachau hat er fast vier Stunden gebraucht. „Ich bin schon am Zahnfleisch daher gelaufen. Die Läufer der vollen Marathonstrecke hatten schon 20 km mehr hinter sich und sind trotzdem an mir vorbeigezogen. Am liebsten hätte ich die Schuhe ausgezogen und in die Donau geschmissen.“ Er hat sie aber anbehalten und ist bis ins Ziel gelaufen, wenn auch als einer der Letzten. „Grade, dass sie die Absperrungen für die Laufstrecke noch nicht weggeräumt hatten.“
Vier Mal ist Czvitkovits im Lauf der Jahre beim Wachau-Marathon gestartet, außerdem bei verschiedenen anderen Läufen, zum Beispiel in Wien. Im Alter von über 60 Jahren wollte er beim Tirol Speed Marathon vom Brenner nach Innsbruck erstmals auch die volle Marathonstrecke angehen. Ein heftiges Gewitter und eine Knöchelverletzung zwangen ihn dann aber zum Abbruch. „Durch die Lauferei kann man mit Schmerz ja besser umgehen, aber das war dann doch zu viel.“
„Bei der Masse mitlaufen und schauen, wo ich steh“, ums Siegen ist es Czvitkovits nie gegangen. Gewonnen hat er trotzdem: „Mit meinen 85 Kilo bin ich ja eigentlich nicht geeignet zum Laufen. Aber ich hab mir das eingebildet – und ich hab es durchgezogen.“
Eine Brille für die Ohren
„Ich bilde mir ein, ich höre seit dem Bundesheer schlecht“, erinnert sich Richard Czvitkovits an zahlreiche Schießübungen ohne Hörschutz. „Aber das ist wie mit den Augen: Ich habe auch von Kindheit an eine Hornhautverkrümmung gehabt. Das merkt man auch nicht, wenn man es nicht anders kennt.“ Am linken Ohr versteht der Rentner immer noch 95 Prozent – genug für eine entspannte Unterhaltung in ruhigen Situationen. Nach einem Hörsturz rechts wurde der Alltag manchmal trotzdem schwierig: „Wenn meine Frau nach mir geschrien hat, habe ich nicht gehört, wo der Ruf herkommt.“ Mit nur einem Ohr in lauter Umgebung einem Gespräch zu folgen, kostete erhöhte Aufmerksamkeit und war oft kaum möglich. Auch beim Fernsehen hatte er schon länger Probleme. „Ich hab immer zu laut aufgedreht. Meine Frau hat dann irgendwann gefragt: Sag, willst du da nichts machen?“ So hat Czvitkovits vor fünf Jahren nach geeigneten Hörhilfen zu suchen begonnen.
Mehrere Versuche mit Hörgeräten endeten mit mäßigen Erfolgen. Bis er vor zwei Jahren beim Einkaufen eine Unbekannte mit einem Gerät bemerkte, das er für ein neuartiges Hörgerät hielt. „Na, die red ich an und frag sie, wo sie das herhat“, suchte Czvitkovits den Erfahrungsaustauch – und bekam erste Informationen über Cochlea-Implantate und eine Empfehlung an die HNO-Universitätsklinik St. Pölten.
Das Jahrespickerl fürs Hören
Die Untersuchungen zeigten rasch: Auch für Richard Czvitkovits´ rechtes Ohr erschien ein Cochlea-Implantat angezeigt. Die Entscheidung war rasch getroffen, die Voruntersuchungen abgeschlossen und ein Operationstermin fixiert. Nach der Operation verlängerte eine Wundinfektion den Spitalsaufenthalt um einige Tage und zuhause musste der Implantat-Neuling einige Zeit spezielle Übungen gegen Schwindel machen. „Aber das ist jetzt alles vorbei. Jetzt bin ich sehr zufrieden.“
Schon beim ersten Kontrolltermin konnte er von erfreulichen Hörerfolgen berichten, nach drei Monaten verstand er mit dem CI allein bis zu 50 Prozent – genug für ein Gespräch in ruhiger Umgebung. Mittlerweile erreicht er nicht nur gute Ergebnisse bei schwierigen Hörtests mit Sprache und Störschall, auch das eheliche Problem mit dem Fernseher sei behoben, verrät er schmunzelnd. „Die deutschen Dialekte versteht man ja oft so schlecht. Aber da habe ich jetzt das Gerät und passt“, freut sich der passionierte Camper: Zimmerlautstärke genüge nun. „Im Wohnwagen ist das am wichtigsten, weil die Frau sonst aufwacht!“
Der Schuh fürs Laufen, das CI fürs Hören
Besonders wichtig ist Czvitkovits das CI beim Autofahren: „Beim Folgetonhorn ist es ja wichtig, von wo das Einsatzfahrzeug kommt!“ Für das Orten von Schallquellen ist beidseitiges Hören ebenso wichtig wie für Sprachverstehen in lauter Umgebung.
Beim Interview in der kleinen Bäckerei seiner Heimatgemeinde erzählt Czvitkovits vom „Jahrespickerl“, wie er die jährliche Kontrolle an der Klinik nennt, und schwärmt von der Musiktherapie. Hinter uns herrscht währenddessen reger Kundenandrang: Bestellungen, Türglocke und Registrierkassa prägen das Klangbild. Als dann auch noch ein Auto an der offenen Ladentür vorbeibraust, seufzt der CI-Nutzer: „Beim Heurigen geht es auch immer so zu.“ Wäre ein Gespräch bei so vielen Hintergrundgeräuschen vor der Implantation so unmöglich gewesen, wie Marathon zu laufen ohne passenden Laufschuh? Der rüstige Senior lacht: „Fürs Laufen habe ich damals aber mehr trainieren müssen als jetzt fürs Hören!“
Musik und Hörimplantat
Walter Widler bezeichnet sich selbst als Musikant und legt Wert auf die Unterscheidung zu Musikern. Mit verschiedenen Ensembles gestaltet der ertaubte Niederösterreicher die musikalische Umrahmung für Feiern und Veranstaltungen.
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