Mehr Sicherheit durch das Cochlea-Implantat bei Ereignissen wie 9/11

Unter den Betroffenen der Anschläge auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 waren auch taube Menschen, andere haben ihr Hörvermögen in Folge der Ereignisse eingebüßt.

New York, 11. September 2001. Edwin King, Küchenangestellter im dritten Stock des Südturms, des niedrigeren der beiden Zwillingtürme am World Trade Center, begann seine Schicht mit der Vorbereitung des Mittagessens: gefüllte Muscheln und jamaikanisches Hühnchen. Um 8 Uhr 45 Minuten nahm er plötzlich lauten Lärm wahr. „Ich habe in erster Reaktion zu Boden geschaut: Der brach einfach ein.“ Für den Gehörlosen unerklärlich. „Wir waren damals vier Leute in dem Bereich. Alle haben mich zurückgelassen, sind einfach gegangen. Schwer zu beschreiben, was ich damals empfand“, seufzt er in “9/11 – Fear in Silence” [1], “9/11 – Stille Angst“. In der Dokumentation lässt Ann Marie „Jade“ Bryan gehörlose Überlebende zu Wort kommen.

„Der Boden bebte“, schaudert dabei Robert Jacaruso. Er arbeitete damals im 74. Stock im höheren Nordturm. „Plötzlich fühlte ich das Gebäude hin und her schwanken. Alle ließen alles fallen und stürmten zum Notausgang. Alle außer mir.“ Ein Arbeitskollege hat ihn dann mit nach unten genommen, Treppenabsatz um Treppenabsatz. Panik lag in der Luft. Jacaruso erinnert sich an den Gestank verbrannter Haut, der mit den Flüchtenden aus höheren Stockwerken nachdrängte. „Ich musste aufpassen, dass ich den Feuerwehrleuten nicht in die Quere kam, weil ich die ja nicht hören konnte!“

Cindy Aponte erinnert sich: „Menschen flohen, während ich geradewegs in den Gefahrenbereich marschierte.“ Arbeitende und Besucher des WTC wurden per Lautsprecherdurchsagen instruiert, wie sie sich verhalten sollten. Doch: „Wir Taube konnten nicht mitbekommen, was gerade passierte“, so Jennifer Delora. Taubheit und Kommunikationsprobleme wurden an diesem Tag im World Trade Center zur lebensbedrohenden Gefahr.

Tumorerkrankungen, Höreinbußen und Angstzustände

Edwin King, Robert Jacaruso, Cindy Aponte und Jennifer Delora haben den Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 überlebt. Wie viele der 22 tauben und schwerhörigen Mitarbeiter weniger Glück hatten, ist nicht bekannt – insgesamt kosteten die Anschläge auf das World Trade Center 2753 Menschen das Leben, weitere wurden verletzt.

Auch außerhalb New Yorks sorgten nicht verstandene Lautsprecherdurchsagen an diesem Tag für beklemmende Angst: Auf seinem USA-Inlandsflug entnahm Gehörlosenlehrer Kim beim Umsteigen den Anzeigetafeln die Information, dass alle Flüge gestrichen seien. „Nationale Sicherheit“, schrieb die Flughafen-Mitarbeiterin als Erklärung auf einen Notizzettel und zuckte mit der Schulter. Der San Diego Union -Tribune beschreibt Kim, wie die anderen Passagiere einer Lautsprecherdurchsage lauschten. „Sie schauten besorgt, begannen hektisch zu telefonieren und aneinander Anteil zu nehmen. Das war ein sehr einsamer und angsterregender Moment für mich.“ Erst ein Sicherheitsangestellter des Flughafens half ihm aus der misslichen Lage – die Angst vor Tragödien begleitet ihn seither auf allen seinen Flügen.

400.000 New Yorker erlitten in Folge der Anschläge posttraumatische Belastungsstörungen . Ersthelfer, Überlebende und Augenzeugen erlitten und erleiden auch zahlreiche physische Langzeitfolgen: Eine Studie zeigt unter den Ersthelfern vor allem eine höhere Rate chronischer Nasennebenhöhlenentzündungen und Reflux-Erkrankungen, während die Überlebenden in erster Linie eine erhöhte Tumorwahrscheinlichkeit aufweisen [2]. Ursache dürfte die durch Schutt und Giftstoffe kontaminierte Atemluft sein.

Dieser gesundheitsbelastende Staub hat laut Studie auch das Gehör von Ersthelfern und Opfern belastet [3] . So bei Komponist Jay Alan Zimmermann. Er und seine Familie waren Anrainer des World Trade Centers, er selbst wurde vom Fenster seiner Wohnung aus Zeuge der Katastrophe. „Ich habe das Gefühl, dass an diesem Tag eine Version von mir gestorben ist“, beschreibt er im Interview mit dem ZDF seine Ertaubung nach dem Anschlag. Hinzu kommen chronische Nasennebenhöhlenentzündungen und Schlafstörungen, die ihn immer noch begleiten.

Zwanzig Jahre danach: sicherer mit Hören

Jay Alan Zimmermann versucht seit 9/11 seinem Leben mehr Tiefe zu geben: „Ich versuche einfach sicherzustellen, dass das, was ich tue, einen Wert und eine Bedeutung hat und anderen Menschen hilft.“

Das zerstörte World Trade Center wurde neu errichtet und besteht wieder aus sieben Gebäuden. Das höchste davon ist mit 541 Metern zwar höher als der 415 und 417 Meter hohe, zerstörte Twin Tower; es rangiert mittlerweile aber nur noch auf Platz sechs der weltweit höchsten Gebäude.

Nicht nur bei einzelnen Betroffenen hat 9/11 einprägsame Spuren hinterlassen, er hat die Gesellschaft in den USA tiefgreifend verändert. Er war Auslöser für das Eingreifen der USA in den Afghanistan-Krieg, der erst kürzlich mit dem Abzug der Besatzungskräfte eine dramatische Wende nahm. International wurden die Sicherheitsmaßnahmen auf Flughäfen in Folge von 9/11 wesentlich verschärft. Die Gefahr von Anschlägen oder anderen akuten Krisensituationen konnte all das nicht beseitigen.

Barrierefreiheit hat zwar ins Notfall- und Krisenmanagement Einzug gehalten, Smartphone, Internet und die damit verbundenen Kommunikationsmöglichkeiten erleichtern heute vieles, doch Gehörlosenverbände klagen immer noch über gravierende Mängel. Optischer Feueralarm und SMS-Notruf können unvorhersehbare Krisensituationen oft nicht abdecken. Das Hörvermögen bestmöglich wieder herzustellen und die Kommunikationsfähigkeit zu optimieren, verbessern Information und Sicherheit.
[1] Filmvorschau auf https://www.youtube.com/watch?v=1aTsBXLEP7g
[2] https://www.scientificamerican.com/article/health-effects-of-9-11-still-plague-responders-and-survivors/
[3] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6848920/

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