Maja kann jetzt hören – frühe Hörversorgung bei taub geborenen Kindern

„Am Anfang waren wir geschockt“, erinnert sich Patrick Beganovic an die Diagnose „hochgradig schwerhörig“ bei seiner Tochter Maja. Dank Cochlea-Implantation an der Universitätsklinik Linz freut die Familie sich mittlerweile über Majas erste Worte.

Majas Augen leuchten in freudiger Erwartung und ihr Blick versenkt sich tief in die Schatzkiste mit den Naschereien. Das hochgradig schwerhörig geborene Mädchen liebt Süßes, ganz besonders Schokolade. Heute darf sie als Belohnung für ihre konzentrierte Mitarbeit bei den Hörtests ein Stück Schoko haben. Seit zwei Monaten kann die Zweieinhalbjährige mit Hilfe ihrer Cochlea-Implantate nun schon hören. Das bringt auch die Augen ihrer Eltern zum Leuchten: „Maja war in der Sprachentwicklung ja weit zurück. Jetzt“, mit den Implantaten, „merkt man jeden Tag, wie sich das ändert! “

„Die kleine Maus ist recht vief und aufgeweckt“, freut sich auch Logopädin Sabrina Ackerl, selbst zweifache Mutter, mit Majas Eltern über die raschen Erfolge. „Man weiß ja aus zahlreichen Studien, dass eine frühe Hörversorgung bei hörbeeinträchtigten Kindern immer besser ist.“

Hörprobleme bei Kindern: „Folgen – weit über das Hören hinaus!“

Die Universitätsklinik Linz beherbergt neben der zweitgrößten Kinderabteilung Österreichs, nach dem St. Anna Kinderspital in Wien, auch die größte Geburtenabteilung des Landes. Das Klinikteam bemüht sich um rasche Abklärung eventueller Höreinschränkungen bei Neugeborenen, wie Ackerl als leitende Logopädin der HNO-Abteilung betont: „Hier geborene Kinder mit einem auffälligen Neugeborenen-Hörscreening bekommen bis zum Alter von etwa einem Monat eine vollständig abgeklärte Diagnose. Dann können sie gleich im Anschluss mit Hörgeräten versorgt werden.“

„Ein Kind mit Hörbeeinträchtigung hat in Folge Beeinträchtigungen weit über das Hören hinaus“, erklärt Primar Dr. Paul Martin Zwittag, MBA MSc. „Hörversorgung bei Kindern ist daher immer auch eine Investition in die Zukunft.“ Schon seit seiner Fachausbildung betreut er auch die CI-Patienten des KUK. Bis heute ist dem Leiter der HNO-Abteilung die Wiederherstellung des Hörsinns seiner großen und kleinen Patienten ein besonderes Anliegen. Von den langjährigen Erfahrungen und der Routine des Primars und seines Teams profitiert heute auch Maja. Ihr Start in die Welt der Hörenden hatte sich aber mühsamer gestaltet.

Eine Kette widriger Umstände

Maja Beganovic wurde im April 2019 in der Steiermark geboren. Ihre Eltern haben schon kurz nach der Geburt von den Hörproblemen ihrer Tochter erfahren: Von einem auffälligen Neugeborenen-Hörscreening war die Rede und dass Nachuntersuchungen nötig wären. Erst sollte der Hörtest wiederholt werden, wenn der Säugling schläft. Dann haben technische Probleme beim Messgerät eine nochmalige Messung erzwungen. Schließlich war die Rede von beidseits hochgradiger Schwerhörigkeit und der Möglichkeit einer Cochlea-Implantation. „Aber vorher sollten noch weitere Untersuchungen gemacht werden“, erinnert sich Majas Vater.

Papa Beganovic nahm Urlaub und brachte Mutter und Kind zur Klinik: Dem Alter der kleinen Patientin und der Entfernung ihres Wohnorts zur Klinik geschuldet, wollte man die nötigen Tests in stationärer Betreuung durchführen. Doch das reservierte Bett musste kurzfristig an einen Notfall-Patienten abgegeben werden und die Familie fuhr abermals unverrichteter Dinge heim.

Maja war mittlerweile 15 Monate alt. Ihre Sprachentwicklung und ihr Verhalten erschienen den Eltern zunehmend auffällig: Maja konnte sich nur kurz konzentrieren, weinte ungewöhnlich viel und beruhigende Worte halfen bei ihr nichts; Kommunikation war nur über Gesten möglich. Bei den Eltern machte sich zunehmend Verunsicherung breit: „Auch, weil an der Klinik dort alles so mühsam war.“ Die Übersiedlung der Familie ins oberösterreichische Traunviertel bot dann die geeignete Gelegenheit, am Kepler Universitätsklinikum Linz eine zweite Meinung über Majas Hör- und Sprachsituation zu erbitten.

KUK Linz: zügige Sorgfalt und offene Kommunikation!

An der Kepler Universitätsklinik KUK wurden alle Tests im Eilzugstempo nachgeholt: Innerhalb nur einer Woche war Majas Hörstatus soweit abgeklärt, dass eine erste Versorgung mit Hörgeräten versucht werden konnte. Auch Frühförderung durch das Linzer FLIP-Team wurde gestartet. „Aber Maja zeigte kaum Reaktionen, nur eine gewisse Nervosität ist uns aufgefallen“, erinnert sich ihr Vater. Die Logopädin Sabrina Ackerl am KUK bestätigt: „Sprachentwicklung wurde mit den Hörgeräten zwar angetriggert, doch dann ging es nicht entsprechend weiter.“

Bei 75 bis 80 Dezibel Hörverlust sind Hörgeräte nicht immer ausreichend für eine altersgemäße Sprachentwicklung – Cochlea-Implantate können dann helfen. „Weil Maja schon so viel Zeit verloren hatte, rieten wir den Eltern zu einer raschen Operation“, erklärt Ackerl.

„Wir hatten am Anfang Angst vor der Operation und wie Maja das alles akzeptieren wird“, erinnert sich Patrick Beganovic. „Es hört sich ja schon irgendwie schlimm an, wenn man von einer Kopf-OP spricht.“ Zahlreiche Gespräche mit dem zuständigen Chirurgen Primar Zwittag, der betreuenden Logopädin Ackerl, der Frühförderin vom FLIP-Team und nicht zuletzt mit anderen Eltern implantierter Kinder ermöglichten den Eltern, Ängste anzusprechen, Unsicherheiten zu klären und potenzielle Chancen kennen zu lernen.

„Wieso nur die halbe Mahlzeit?“

Damals erzählte der besorgte Vater beim Pausenkaffee in der Firma von der schwierigen Entscheidung, vor der die junge Familie stand. Seine Überraschung war groß, als ein Arbeitskollege von dessen beidseits CI-implantierter Tochter zu erzählen begann. „Mach dir keine Sorgen“, ermunterte der Kollege ihn und lud ein: „Treffen wir uns, dann kannst du sehen, wie es meiner Tochter mit den CIs geht.“ Ermutigt von den positiven Berichten und Beobachtungen war die Entscheidung zur Implantation für die Eltern Beganovic dann logisch.

Da Majas Hörschwelle beidseits so hoch lag, dass Hörgeräte nicht genügten, war es ebenso logisch, auch beide Seiten mit CI zu versorgen. „Damit kommt der Reiz von beiden Seiten gleichzeitig“, erläutert Logopädin Ackerl die Vorteile beidseits gleichzeitiger Implantation. „Dass nach einer zeitversetzten Implantation das zweitversorgte Ohr in der Hörentwicklung dann vielleicht hinterherhinkt, das muss ja nicht sein!“ „Na: Wieso nur die halbe Mahlzeit?“, entschieden die Eltern Beganovic, bei Maja beide Seiten implantieren zu lassen – und das gleich auf einmal, in nur einer gemeinsamen Operation. „Wir wollten Maja mit einer zweiten Operation nicht zusätzlich belasten“

Hörversorgung und die Aktivierung des CI-Prozessors

„Beim kleinsten Ton sind Majas Augen ganz groß geworden“, erinnert sich ihr Vater an die erste Aktivierung des CI-Prozessors. „Witzig war auch, dass sie gleich in der richtigen Richtung suchte, woher ein Ton kam. Mit den Hörgeräten hat sie das nie gemacht.“

Der Erfolg gibt Eltern und Klinikteam Recht. „Mittlerweile kann Maja auf der Straße den Klang eines LKWs von dem eines Motorrads unterscheiden. Sie versteht schon vieles, ich muss nicht mehr so viel mit Gesten kommunizieren. Und man merkt, dass sie ebenfalls versucht zu kommunizieren: Mama, Papa, Oma – einzelne Wörter kann sie schon sagen.“ Auch Majas Verhalten hat sich mit dem Hören verändert. „Sie weint nicht mehr so viel, ist weniger nervös und viel fröhlicher.“ Auch Majas Aufmerksamkeitsspanne ist in nur kurzer Zeit viel länger geworden: „Wenn die Dame vom FLIP-Team kommt, spielt Maja die ganze Zeit mit.“

Die ersten Emotionen, wenn Eltern erfahren, dass ihr Kind taub ist, kennt Patrick Beganovic aus der eigenen Erfahrung. „Am Anfang ist man einfach geschockt, möchte das nicht akzeptieren. Ich rate Ihnen aber zu sehr viel Kommunikation mit den Ärzten und den anderen Fachleuten. Wenn möglich lernen Sie andere Familien mit CI-Kindern kennen“, empfiehlt er anderen Eltern in einer solchen Situation und ermutigt: „Man wird sie hier mit Ihren Sorgen nicht allein lassen. Es gibt hier tolle Betreuung und es wird sicher bergauf gehen!“ Majas Chirurg Zwittag freut sich mit der Familie: „Ein taubes oder hochgradig schwerhöriges Kind mit CI zu versorgen, sehe ich als Arzt als große Ehre!“

Sabrina Ackerl, Leitende Logopädin an der HNO-Abteilung der Kepler Universitätsklinik Linz ©KUK

Termine für Untersuchungen, Behandlungen und begleitende Betreuung – kann das alles für Eltern von Kleinkindern nicht manchmal recht schwierig zu organisieren sein?

Wir bemühen uns, Termine soweit wie möglich patientenorientiert anzubieten – bei allen Patienten. Bei Kindern orientieren wir uns auch an den freien Tagen der Eltern und bei Kleinkindern am Schlaf-Wach-Rhythmus des Kindes.

Welche Rolle spielt an einer so großen Klinik das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Klinikern?

Uns ist eine gute Gesprächsbasis wichtig, weil wir manchmal auch unangenehme Fragen stellen müssen oder unerfreuliche Verdachtsdiagnosen aussprechen. In der Patientenbetreuung ist offene Kommunikation besonders wichtig!

Was ist Ihnen bei der Betreuung Ihrer Patienten noch besonders wichtig?

Dass es nicht um ein schwerhöriges oder taubes Ohr geht, sondern um einen Menschen und sein ganzes Rundherum. Tunnelblick wäre da völlig falsch am Platz!

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