Internationale Tätigkeiten im Bereich Cochlea Implantation

Dies ist nun schon der 24. Bericht über meine internationalen Aktivitäten und nach 23 Ländern, über die ich bereits berichtet habe, folgt nun ein weiterer Balkanstaat: Rumänien. Das Land nimmt in meinem medizinischen Leben einen besonderen Stellenwert ein, daher berichte ich heute in Teil 1 ausschließlich über meine Aktivitäten in der Hauptstadt Bukarest.

Wolf Dieter Baumgartner

Bukarest hat etwa zwei Millionen Einwohner und etwa die Größe Wiens. Der Flughafen Otopeni liegt gleich an der Stadtgrenze und das Stadtzentrum ist verhältnismäßig leicht und schnell zu erreichen. Seit 20 Jahren war und bin ich regelmäßig in Rumänien.

Zumindest 60 Cochlea-Implantate, etliche VIBRANT SOUNDBRIDGE Systeme und etliche BONEBRIDGE Implantate habe ich mit den dortigen Kolleg:innen gemeinsam operiert. Es war mir eine Ehre, sowohl die erste VIBRANT SOUNDBRIDGE als auch das erste BONEBRIDGE Implantat mit den lokalen Expert:innen vor Ort zu operieren.

Die tatsächliche Anzahl meiner rumänischen Reisen kann ich gar nicht mehr zählen, es sind wohl an die 40 oder 50. Im Jahr 2000 war meine erste Reise nach Bukarest. Wie stark sich die Stadt in den letzten 22 Jahren verändert hat, ist unglaublich. Meine Aktivitäten haben folgenden Aspekt:

  1. Das chirurgische Training der rumänischen Ärzt:innen – theoretisch als auch unmittelbar direkt in OP-Unterstützung; Voroperieren, trainieren oder assistieren, je nach dem Könnensstand der lokalen Chirurgen
  2. Unterstützung und Training der lokalen Audiolog:innen, OP-Kriterien, postoperative Nachsorge
  3. Wissenschaftliche Fortbildung mittels Vorlesungen im HNO-Bereich generell
  4. Aktive Teilnahme an rumänischen HNO-Kongressen und OP-Kursen sowie Unterstützung und Lobbying, um internationale HNO-Veranstaltungen nach Rumänien/Bukarest zu bringen

Sämtliche Aktivitäten übe ich seit 22 Jahren ehrenamtlich aus. Nach so langer Zeit ist naturgemäß die menschliche Beziehung zu zahlreichen Kolleg:innen und Patient:innen sehr eng. Immer wieder werde ich auch zu Patiententreffen eingeladen.

Rumänien ist nicht Österreich, trotzdem fühle ich mich im Lande sehr wohl. Der EU-Beitritt des Landes war ein großes Thema und extrem wichtig. Wir könnend hier in Österreich (ohne jemals in Rumänien vor Ort gewesen zu sein) gar nicht richtig einschätzen, wie wichtig die EU-Mitgliedschaft Rumäniens ist, auch für uns hier in Österreich. Ich selbst habe in Bukarest an der HNO-Universitätsklinik und im Militärkrankenhaus operiert. Ich konnte unmittelbar mitverfolgen, wie sich der Krankenhaus- und OP-Standard über die Jahre hinweg extrem verbessert hat; ebenso die Ausbildung und auch die Einstellung der Ärzt:innen sowie des medizinischen Personals. Dass Rumänien wieder kommunistisch wird ist für die Bevölkerung heute 2022 unvorstellbar! Weder Kommunismus noch Ceausescus Schreckensherrschaft waren jemals freiwillig gewählt – Rumänien blieb nach dem Zweiten Weltkrieg russisch-stalinistisch besetzt. Als ewiges Mahnmal des Wahnsinns steht das – nach dem Pentagon – zweitgrößte Verwaltungsgebäude der Welt, das Haus des Volkes oder Parlamentspalast mitten in Bukarest.

Jeder rumänische Bürger beziehungsweise wer in Rumänien offiziell arbeitet, ist krankenversichert. Das Spitals- und Krankenhaussystem ist in völliger Analogie zu Österreich. Es gibt öffentliche und private Krankenhäuser und ebenso Krankenkassen – und Privatärzt:innen. Bezüglich Hörimplantate hat sich in den letzten drei Jahrzehnten extrem viel positiv verändert. War in den 1990er Jahren das Cochlea-Implantat noch ein seltenes Wunderding, so ist nunmehr in Rumänien die Cochlea-Implantation Standardversorgung bei tauben Kindern. Aus gesetzlicher Sicht wird bei Kindern die bilaterale Cochlea-Implantation zur Gänze vom Staat übernommen, ebenso bei Fehlbildungen die BONEBRIDE Implantation. Bei Erwachsenen ist ein Implantat gratis, manchmal (als Studienpatient) auch die bilaterale Implantation. Die VIBRANT SOUNDBRIDGE ist in Rumänien noch keine Krankenkassenleistung.

Das heißt, rein formal oberflächlich betrachtet wäre alles in Ordnung. Das Gegenteil ist leider der Fall. Die Anzahl der vom Staat gekauften Implantate ist streng reguliert. Für ganz Rumänien stehen etwa 100 Cochlea-Implantate pro Jahr zur Verfügung. Das ist de facto viel zu wenig und nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Rumänien würde 1200 Cochlea-Implantate jährlich benötigen! Viele Eltern und Patienten verzweifeln. Es ist nahezu unmöglich, auf die Implantatliste und zur tatsächlichen CI-OP zu kommen und oft genug spielen inoffizielle finanzielle Zuwendungen an Ärzt:innen und Behörden ein wesentliche Rolle. Diejenigen, die es sich irgendwie leisten können, weichen in andere Länder zur Implantation aus, auch oder besonders nach Wien. Hier in Österreich muss dann die Cochlea-Implantation von den Familien privat bezahlt werden.

Trotz aller gravierender Verteilungsmängel in der rumänischen Gesundheitsversorgung hat sich die Situation insgesamt doch verbessert. Die Kolleginnen und Kollegen sind sehr gut ausgebildet und beherrschen ihr Fach. Die Mängel sind ihnen wohl bewusst und sie kämpfen gegen die Windmühlen der Bürokratie und gegen die Mangelversorgung. Selbstverständlich würden auch die rumänischen HNO-Chirurgen lieber alle, die es nötig hätten, mit Implantaten versorgen, statt die unendliche Warteliste langsam abzuarbeiten. Der Westen und die EU sind längst nicht nicht in allen Ministerien und Staatskanzleien angekommen, aber es wird besser.

Ich wünsche meinen Freunden in Bukarest weiterhin viel Kraft und alles Gute, wir werden uns ja demnächst wiedersehen!

Schauen und hören Sie rein ins Hörgespräch mit Wolf-Dieter Baumgartner:

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