FH-Professor betreut Weiterentwicklung für Hörsysteme

Während der FH-Professor DI(FH) Dr. Florian Eibensteiner in Folge einer Mumps-Erkrankung einseitig ertaubte, entwickelte einer seiner ehemaligen Studenten gerade bessere Anschlussmöglichkeiten bei CI-Audioprozessoren. Gemeinsam überlegten sie dann weiteres Verbesserungspotential.

Im Rahmen des TIMed CENTER im oberösterreichischen Hagenberg forschen Wissenschaftler zu verschiedenen medizintechnischen Bereichen; auch Florian Eibensteiner, der seit 2017 als Professor im Studiengang Hardware-Software-Design am FH Campus Hagenberg unterrichtet. Der 42-Jährige experimentiert mit sogenannten „Smarten Textilien“, etwa mit Drucksensoren in Schuhen zur Analyse von Fußfehlstellungen.

Auch beim Hörschall geht es um Druck, genauer gesagt um Schwingungen des Luftdrucks. Hören wurde für den Wissenschaftler aber erst zum Thema, als ihn 2019 ein Virus erwischte: Er erkrankte an Mumps. Ziegenpeter, wie die Krankheit auch genannt wird, ist geprägt von Schluck- und Kaubeschwerden. Zu den möglichen Komplikationen gehören Höreinbußen – am häufigsten eine plötzliche, unilaterale Ertaubung, die mitunter bleibend ist.

Wie sich einseitige Taubheit auswirkt

Was wie ein gewöhnlicher Schnupfen mit verschlagenen Ohren und gedämpftem Klangbild begann, führte bei Eibensteiner trotz Kortisontherapie innerhalb von drei Tagen zur völligen Ertaubung am linken Ohr: „Ich dachte erst, ich höre ja eh alles rechts.“ Als der vierfache Familienvater nach seiner Genesung die – auch akustisch – geschützten Bereiche von Klinik und Familie verließ und sich wieder in den Arbeitsalltag stürzte, wurde ihm bei den Studierenden im Hörsaal oder in der Mensa sein neues Handicap bewusst.

„Richtig schwierig war es im Restaurant. Dort hat man das Murmeln auf allen Tischen rundherum, und man hört das Geschirr-Scheppern aus der Küche. Bei dem Lärmpegel wurde es schwierig, die Schallquelle richtig zu verorten. Ich habe die Leute rechts besser verstanden als meinen eigenen Gesprächspartner, der links neben mir gesessen sind. Es war plötzlich richtig anstrengend, dem Gespräch zu folgen.“

Mit CI beidseits hören trotz einseitiger Taubheit

Bei der Geburt ist eines von tausend Neugeborenen einseitig hörbeeinträchtigt[1], im Schulalter sind es drei bis sechs Prozent aller Kinder[2] und mit steigendem Alter kommen weitere Betroffene dazu. Ist auf einem Ohr Sprachverstehen auch mit optimaler Hörgeräteversorgung nicht mehr möglich, spricht man von einseitiger Taubheit oder Single-Sided Deafness SSD.

Wenn das Hörvermögen auf einem Ohr verloren geht, geht für den betroffenen Menschen gleichzeitig auch Lebensqualität verloren: Konversationen in geräuschvoller Umgebung werden anstrengend – geselliges Beisammensein ebenso wie Arbeitsbesprechungen. Es wird schwierig, eine Schallquelle zu orten: Betroffene müssen erst suchen, von wo sie angesprochen werden, oder auch aus welcher Richtung eine potentielle Gefahr naht. Bei manchen Betroffenen löst geräuschvolle Umgebung sogar Angst aus.

„Mir ist bald aufgefallen, wie müde ich jeden Tag war; wie anstrengend das Hören für mich jetzt war.“ Zurecht machte sich Eibensteiner Sorgen: „Durch den ständigen Hörstress bestand die Gefahr, dass ich auch auf der gesunden Seite einen Hörsturz erleide oder einen Tinnitus bekomme.“ Am Kepler Universitätsklinikum Linz riet man ihm daher zu einem Cochlea Implantat. „Ich habe mir gedacht: Ich probiere das jetzt, denn es kann nur besser werden.“ Nach nur drei Monaten einseitiger Taubheit erhielt der Oberösterreicher links ein CI.

Von der FH in die Praxis: Streaming beim CI

„Ich wollte vor dem Masterstudium erst Berufserfahrung sammeln, deswegen habe ich mich dann bei MED-EL beworben“, erzählt Markus Jellitsch. Der gebürtige Tiroler erlangte 2017 an der FH in Hagenberg den Bachelor in Hardware-Software-Design. Das dazu nötige Wissen in Digitaler Signalverarbeitung hatte ihm FH-Professor Florian Eibensteiner vermittelt; Wissen, das er in der Entwicklungsabteilung von MED-EL auch direkt umsetzen konnte. „In meinen ersten zwei Jahren war ich vorrangig an der Fertigstellung des AudioStream beteiligt und habe anschließend an der Integration von Bluetooth in den SONNET 2 mitgewirkt.“

Mit den ehemaligen Kollegen, die weiter studierten, blieb der FH-Absolvent in Kontakt. So war er auch beim „Tag der offenen Tür“ der Fachhochschule dabei, wo er auch seinen ehemaligen Professor für Digitale Signalverarbeitung traf. Stolz erzählte er von seinen ersten Betriebserfahrungen und der direkten Umsetzung des Gelernten. Wenig später erhielt der junge Entwickler dann einen Anruf seines ehemaligen Professors: Eibensteiner stand nach seiner einseitigen Ertaubung gerade vor der Entscheidung zur Cochlea Implantation und hatte viele Fragen zu Implantat und Prozessor-Varianten. „Als ich wenig später bei MED-EL Bildungskarenz genommen und mit dem Master-Studium angefangen habe, war Florian Eibensteiner schon auf Hör-Reha. Aber im zweiten Semester hat er mich dann wieder unterrichtet.“

Hör-Reha mit einseitigem Streaming: „Trainieren, wie bei jeder Sportart auch!“

Den Tag, als sein CI erstmals aktiviert wurde, hat Florian Eibensteiner lebhaft in Erinnerung: „Ein Wechselbad der Gefühle. Die Freude: Jetzt höre ich wieder! Und die Erkenntnis: Ich höre, aber ich verstehe nicht.“ Einseitig ertaubte CI-Kandidaten sollten auf eine längere Phase der Hörgewöhnung und -übung gefasst sein, da das hörende Ohr auf der anderen Seite den Trainingseffekt des Alltags mindert. „Aber meine Logopädin Sabrina Ackerl hat mir da sehr geholfen: Man muss sich Zeit lassen und Zeit geben.“

Eibensteiner begann sein Hörtraining mit einfachen Übungen, wie: bewusst dem Rauschen am Wasserhahn zu lauschen. Doch bald ließ es ihm keine Ruhe: „Ich bin ja Technik-interessiert, daher habe ich schon gleich nach der Aktivierung auch das Streaming probiert. Und wirklich: Nach ein paar Tagen habe ich die ersten Textfetzen verstanden!“

Für gezieltes Hörtraining der CI-Seite können Nutzer, die auf der anderen Seite noch gut hören, Geräusche oder Sprache von einer Audioquelle wie iPod, Radio, Handy oder Computer direkt in den Audioprozessor einspeisen: mittels Audiokabel, FM-System oder Induktion, oder seit einiger Zeit auch mittels Bluetooth-Streaming. „Für mich ist dazu das Streaming das A und O des Hörtrainings“, erklärt der IT-Spezialist. „Damit kann ich sogar bei längeren Gehstrecken oder im Auto üben. Ohne Audiostreaming hätte ich jetzt sicher noch nicht das gleiche Hörverständnis erreicht.“

Die Herausforderung, beim Streaming beidseits zu hören

„Ich habe in meinen ersten zwei Jahren bei MED-EL das in einem Produkt umgesetzt, was ich von Florian Eibensteiner gelernt hatte. Jetzt hat er das genutzt, was ich entwickelt hatte. Er ist dann immer wieder mit Ideen gekommen, was man vielleicht noch verbessern könnte.“ Da der 43-jährige CI-Nutzer am anderen Ohr normal hört, würde er sich weitere Verbesserungen beim Streaming wünschen: „Für mich wäre eine Möglichkeit interessant, wie das gesunde Ohr mit Kopfhörer hört, das andere aber über CI – und der Höreindruck dabei auf beiden Seiten der gleiche ist.“

So kam es, dass Professor und Master-Student häufig über Stärken und Schwächen von Bluetooth diskutierten. „Ein Problem bei ASHA“, jenem Standard, der das Streaming vom Mobiltelefon zum Hörsystem definiert, „ist der Links-Rechts-Versatz: Links kommt das Signal früher an als rechts. Das kann zu Echo-Empfindungen oder zu Lateralisationseffekten führen“, erklärt Jellitsch. Der jeweilige Nutzer hört dann das Telefonsignal scheinbar von der Seite. „Der ASHA Standard per se beinhaltet keine Links-Rechts-Synchronisation. Das bedeutet, die beiden Hörgeräte müssen selbst sicherstellen, dass der Stream gleichzeitig abgespielt wird.“ In seiner Masterarbeit untersuchte Markus Jellitsch dieses Problem genauer, betreut wurde er dabei von FH-Professor und CI-Nutzer Florian Eibensteiner.

„Ich habe in meinen ersten zwei Jahren bei MED-EL das in einem Produkt umgesetzt, was ich von Florian Eibensteiner gelernt hatte. Jetzt hat er das genutzt, was ich entwickelt hatte.“ ©MED-EL

Keine leichte, aber die richtige Entscheidung!

„Für mich war das keine leichte Entscheidung für das CI: Das ist ja doch eine Operation am Kopf.“ Deswegen war Eibensteiner der Austausch mit anderen CI-Nutzern nicht nur in der Phase der Entscheidungsfindung wichtig, sondern auch nach der Implantation bei seiner drei-wöchige Hörrehabilitation am Rehazentrum St. Wendel in Deutschland. „Die Möglichkeit, mich mit anderen auszutauschen, das hat mich bereichert und mir sehr geholfen. Deswegen möchte ich auch weiterhin meine Erfahrungen teilen: Nicht nur meine Erfahrungen weitergeben, sondern auch an den Erfahrungen anderer teilhaben.“

Beim Hörtraining half dem einseitig Ertaubten dann auch die Erinnerung an die Höreindrücke vor der Ertaubung: „Das ist wie beim Vokabel lernen: Statt auf die Liste zu schauen, kann man nach innen schauen, ob das Gehörte stimmt. Denn ich habe ja gewusst, wie sich das anhören sollte. Und ich hatte immer die Kontrolle der hörenden Seite, dass es sich auch wirklich so anhört.“

Für Florian Eibensteiner war die Cochlea Implantation die richtige Entscheidung: „Auch wenn es noch immer schwierige Hörsituationen gibt und das Hören mit CI nicht ganz so wie das natürliche Hören ist, ist das CI eine große Erleichterung.“ Dann schmunzelt er verschmitzt: „Und vielleicht hat Markus bei der Masterarbeit ja wieder etwas ausgearbeitet, was ich in Zukunft verwenden werde.“


[1] Johnson JL, White KR, Widen JE, et al. A multicenter evaluation of how many infants with permanent hearing loss pass a two-stage otoacoustic emissions/automated auditory brainstem response newborn hearing screening protocol. Pediatrics 2005;116(3):663–72.

[2] Ross DS, Visser SN, Holstrum WJ, et al. Highly variable population-based prevalence rates of unilateral hearing loss after the application of common case definitions. Ear Hear 2009;31(1):126–33.

Apparative Hilfen bei einseitiger Taubheit

CROS-Versorgungen mit Hörgerät oder mittels Knochenleitungsimplantat leiten bei einseitig tauben Nutzern den Schall von der tauben Seite zum hörenden Ohr und mildern damit die Belastung beim Hören. Eine tatsächliche und vollständige Rehabilitation der ertaubten Seite ist aber nur mit einem Cochlea Implantat möglich. Es simuliert jenen Schall, der am tauben Ohr ankommt, und gibt den Höreindruck als elektrische Stimulation direkt an den funktionsfähigen Hörnerv der tauben Seite. So wird auch für einseitig taube Menschen tatsächlich beidseitiges Hören möglich.

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