Ein Vater beschreibt die Entscheidungsgründe für das ideale Cochlea Implantat für seine Tochter

Dr. Christian Schmidt MBA, Vater eines CI-Kindes, beschreibt, welche Überlegungen für ihn und seine Frau bei der Wahl des CI-Systems für die gemeinsame Tochter entscheidend waren.

Auswahlkriterien für Cochlea Implantat

„Beste Ehefrau/bester Ehemann von allen: Was hat der Doktor gerade gesagt? Was für ein Implantat-Ding hat er gemeint? Was meint er damit, seriell oder parallel sei egal? Warum sagt er, dass wir nicht mit dem Rücken zur Wand stehen? Wieso hat er nicht mehr Zeit, uns das ausführlich zu erklären?“ Mit der Diagnose Schwerhörigkeit für unsere Tochter begann für uns ein verschlungener Weg durch einen „Dschungel“ dichter und völlig neuer Informationen, auf dem wir uns erst mühsam zurechtfinden und vorantasten mussten.

Ich kann vorwegnehmen: Für unsere Tochter hat uns MED-EL mit seinen Cochlea Implantaten überzeugt, mit der Elektrode mit 24 Doppelkontakten an 12 unterschiedlichen Längspositionen und jeweils eigener Stromquelle für jeden der 24 Kontakte. Durch die 24 unabhängigen Stromquellen kann sowohl serielle als auch parallele Kodierung verarbeitet werden. Wir hoffen, dass die Forschung immer feinere Stimulationsstrategien hervorbringen wird – das Implantat unserer Tochter ist jedenfalls offen für beide Systemansätze.

Seriell oder parallel – beim Computer und beim CI

Die Begriffe „seriell“ und „parallel“ kennt man von den Schnittstellen-Steckern alter Computer: der Stromfluss, der Daten und Informationen entweder seriell nacheinander über einen Kontakt oder zeitgleich parallel über mehrere Kontakte übermittelt. Letzteres kann in der Computertechnik die Übertragung von Informationen beschleunigen: mehr Information in kürzerer Zeit. Auch im Zusammenhang mit einem Cochlea Implantat, kurz: CI, ist mit seriell und parallel prinzipiell der Stromfluss gemeint; genauer gesagt die Art und Weise, wie winzige Stromimpulse die Nervenfasern im Innenohr, auch: Cochlea, stimulieren.

Ein CI-System besteht aus dem nicht sichtbaren Implantat und dem sichtbar getragenen Prozessor: die flache Scheibe eines Single Unit Prozessors, oder ein Hinter-dem-Ohr Prozessor, kurz: HdO-Prozessor, der fast aussieht wie ein normales Hörgerät. Der Prozessor nimmt die Schallwellen mit dem Mikrofron auf, berechnet diese analogen Informationen dann digital und überträgt sie mittels einer Spule an das Implantat unter der Kopfhaut. Das Implantat bereitet die Signale für die Elektrodenkontakte auf, wo sie tatsächlich als kleine Stromimpulse im Innenohr abgegeben werden.

Je nach Hersteller sind auf dem Elektrodenträger, jenem „Elektroden-Kabel“ vom Implantat in die Hörschnecke im Innenohr, 16 bis 24 Kontakte aufgebracht. Diese Elektrode wird meist über das sogenannte Runde Fenster in die Scala tympani, den Paukengang der Hörschnecke, eingeführt. An den Paukengang grenzt das Corti-Organ, das eigentliche Hörorgan. Beim gesunden Ohr versorgt das den Hörnerv mit Reizen; die beim CI von winzigen Stromimpulsen aus der Elektrode des Implantats ersetzt werden. Bei herkömmlichen CIs seriell, ein Impuls nach dem anderen; bei neuesten Technologien auch mehrere Impulse parallel.

Die Elektrode: ein Vergleich der Produkte verschiedener Hersteller

Beim österreichischen CI-Hersteller MED-EL sind laut Broschüre 24 Elektrodenkontakte im Einsatz – damit um zwei mehr als zum Beispiel beim australischen Hersteller Cochlear, der mit 22 Elektroden wirbt. Genau genommen hat MED-EL 24 Kontakte an 12 unterschiedlichen Positionen entlang des rund 31 Millimeter langen Elektrodenträgers. Man spricht von Doppelkontakten mit jeweils eigener Zuleitung. Cochlear hat hingegen 22 Kontakte an unterschiedliche Positionen, davon werden aber innerhalb eines Stimulationsdurchgangs nicht alle genutzt.

Bei Versuchen wurde ermittelt, dass rund 12 Kontakte einen optimalen Abstand zwischen den einzelnen Stimulationspunkten ergeben: Vor allem, weil aus physikalischen Gründen jeder noch so winzige Stromimpuls einer gewissen „Streuung“ unterliegt. Das so entstehende „Stromfeld“ stimuliert nicht nur exakt am Kontaktpunkt, sondern wirkt breiter auf die Cochlea ein. Deswegen können viel mehr als 12 real ausgeführte Elektrodenkontakte keine wesentliche Verbesserung bringen.

Wie viele Töne kann ich hören – natürlich oder mit CI?

Der Paukengang, in dem die CI-Elektrode liegt, ist aufgerollt rund 31 Millimeter lang. Im gesunden Innenohr sind rund 30.000 Haarzellen im Corti-Organ für die Generierung der Nervenimpulse beim Hören zuständig. Beim CI haben wir je nach Hersteller maximal 24 Elektroden auf manchmal weniger als diesen 31 Millimetern zur Verfügung – im Vergleich zu 30.000 mag das wenig klingen.

Mit den 30.000 Haarzellen kann ein Mensch mit einem gesunden Ohr über tausend unterschiedliche Tonhöhen differenzieren, beim CI immerhin über 100. Auch mit dem CI „mehr“ zu hören, das wird entsprechend der jeweiligen Marketingprospekte mit sogenannten „Virtuellen Kontakten“ erreicht – die je nach Produkt in serieller oder paralleler Technologie angelegt sind.

Zusätzliche Tonhöhen durch „virtuelle Elektroden“

Die Fachwelt spricht von einer virtuellen Elektrode, wenn diese nicht physisch als Elektrodenkontakt vorhanden ist. Sie entsteht durch Überlagerung der elektrischen Felder zweier real existierender, benachbarter Kontakte.

Betrachten wir zwei benachbarte Kontakte A und B: Wird „Strom“ bei A abgegeben, so werden die Nervenfasern, die sogenannten Spiralganglienzellen, im Bereich dieses Kontakts gereizt und gemäß der Tonotopie des Hörens wird der entsprechende Ton gehört. Wird stattdessen über Kontakt B stimuliert, wird der B zugeordnete Bereich gereizt und der dieser Lage entsprechende Ton gehört. Wenn wir aber beide real existierenden Kontakte A und B gleichzeitig aktivieren, dann überlagern sich die elektrischen Felder beider Kontakte. Bei gleicher Feldverteilung entsteht ungefähr in der räumlichen Mitte zwischen den beiden Kontakten ein Feldmaximum: Bezogen auf die zu stimulierenden Neuronen bildet sich zwischen den beiden realen Kontakten eine funktionell wirksame, sogenannte virtuelle Elektrode. Wird Kontakt B stärker stimuliert als A, so verschiebt sich das Maximum in Richtung B: Es ergibt sich wiederum ein neuer Ton, eine zusätzliche virtuelle Elektrode.

Dieses Prinzip kann nicht so fein abgestuft werden wie beim natürlichen Gehör. Wenn man aber unterschiedliche Impulsstärken auf beiden realen Kanälen verschieden kombiniert, kann man mehrere zusätzliche, virtuelle Elektroden – und tatsächlich hörbare Töne – zwischen den zwei „Kontakt-Tönen“ ableiten.

Virtuelle Kanäle – seriell oder parallel realisiert

Bei paralleler Stimulation wird der Strom tatsächlich zeitgleich an zwei benachbarte Kontakte gelegt. Für eine solche tatsächliche elektrische Verschaltung müssen entsprechend viele Stromquellen vorhanden sein.

Bei der seriellen Stimulation wird das System der virtuellen Elektroden hingegen durch sequentiell – schnell hintereinander durchgeführte – Reizung der benachbarten Kontakte erreicht. Ein Ton wird dann durch einen Doppelimpuls simuliert: Zwei kurz nacheinander erfolgenden Impulse auf benachbarten Kontakten, im Mikrosekunden-Bereich zeitlich getrennt.

Den Effekt kann man sich so ähnlich vorstellen, wie Filme damals, als die Bilder laufen lernten – oder beim Daumenkino: Die Trägheit des Auges nahm die rasch aufeinanderfolgenden Bilder als ein bewegtes Bild wahr. Oder wie früher beim Fernseher, als nur ein Lichtpunkt über den ganzen Bildschirm sauste und wir das aufgrund der Trägheit des Auges als ganzes Bild wahrnahmen. Wenn der Empfang schlecht war, schimpften wir über die Bildqualität der „Flimmerkiste“ – kein Vergleich mit heutigen Flachbildschirmen, bei denen tatsächlich für jeden Bildpunkt eine eigene Leuchtquelle parallel agiert.

Wie viele Kanäle kann der Mensch brauchen?

Bei der sequentiellen Stimulationsmethode beim CI erfolgt die Überlagerung der Felder also zeitlich schnell hintereinander: Strom wird erst auf Kontakt A gegeben, der dann wieder abgeschaltet wird. Gleich darauf wird auf Kontakt B stimuliert. So wird für den Hörnerv ein Feldmaximum in der Mitte der beiden tatsächlich physikalisch existierenden Kontakte erzeugt, welches wiederum eine virtuelle Elektrode darstellt – nur diesmal etwas zeitversetzt.

Umfangreich durchgeführte Studien an erwachsenen CI-Nutzern ergaben, dass auf diese sequentielle Art zwischen etwa 127 und 161 unterschiedliche Tonhöhen wahrgenommen werden können. Bei der parallelen Vorgangsweise ist die Anzahl der Tonhöhen abhängig von der Anzahl an möglichen Kontaktpärchen und der Stufenanzahl der Stromhöhen. In der Forschung wurden bis zu 460 Tonhöhen nachgewiesen, in der Praxis hat sich hier je nach Kodierungsstrategie ein Wert von bis zu 250 erwiesen.

Vorteile paralleler Stimulation und weitere Entscheidungskriterien

CI-Systeme mit paralleler Stimulation ermöglichen also mehr und zeitgleiche „virtuelle Kanäle“. Sie ermöglichen aber auch Kodierungen, die beispielsweise im Tief- bis Mitteltonbereich das Parallelsystem verwenden und beim Hochtonbereich auf die serielle Erzeugung zu setzen.  Damit wird die Nachbildung des natürlichen Hörens möglich: die Synchronisierung der Töne wie bei der FSP-Kodierung – kein wildes Absenden serieller Elektroimpulse. Die parallelen Stromquellen verleihen dem System außerdem erhöhte Verlässlichkeit mit zusätzlichen Sicherheitsreserven. Meiner Meinung nach ist die parallele Stimulationsmöglichkeit das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen den unterschiedlichen Cochlea Implantaten.

Zweitwichtig ist für mich die Beschaffenheit und Länge der Elektrode. Diese Länge ist auch die Antwort auf die Frage: „Warum hören manche CI-Nutzer wie Micky Maus, andere hingegen relativ klangtreu?“ Lange Elektroden ermöglichen diese Klangtreue. Weitere Unterschiede sind geprägt von viel Mathematik und Elektronik – und erst ganz am Schluss meiner persönlichen Reihung kommen Merkmale wie Bluetooth und iPhone-Apps.

So wie wir es verstanden haben, arbeitet der CI-Hersteller Cochlear mit seriell-sequentieller Stimulation und hat dafür theoretisch 22 Kontakte auf einer kürzeren Elektrode und nur eine Stromquelle zur Verfügung. MED-EL hat 24 Doppelkontakte an 12 unterschiedlichen Längspositionen auf einer langen Elektrode, stellt für jede dieser 24 aber eine eigene Stromquelle zur Verfügung. Damit ist auch parallele Stimulation möglich.

Wir haben uns für ein CI von MED-EL entschieden, weil das zurzeit das einzige System mit der Möglichkeit zur parallelen Stimulation ist.

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