Audiopädagogische Frühförderung: Spielen mit Mehrwert

Eine frühe Diagnose von Hörstörungen und deren rechtzeitige Behandlung ist gerade bei Kindern wichtig. Zusätzlich zur technischen Hörversorgung werden die Kleinen durch Hörfrühförderung unterstützt.

Teresa Schneider, Leiterin der Abteilung Therapie am Vorarlberger Landeszentrum für Hörgeschädigte LZH, gibt gehört.gelesen einen Einblick in die therapeutische Arbeit und audiopädagogische Frühförderung von Kindern mit Cochlea Implantaten und anderen Hörhilfen:

Eltern haben meistens recht

So simpel ist es im wahren Leben natürlich nicht. Doch in der audiopädagogischen Frühförderung erleben Teresa Schneider und ihr Team tatsächlich manchmal, dass die Diagnose Hörverlust bei Kindern nicht sofort erkannt wird. Trotz Neugeborenen-Hörscreenings werden leichte bis mittelgradige sowie einseitige Hörstörungen manchmal erst spät erfasst.

Meistens sind es die Eltern, die als erste Verdacht schöpfen, wenn ihr Kind nicht gut hört, im Kindergarten auch die Pädagoginnen. Betroffene Kinder ziehen sich zurück, spielen häufiger allein oder haben Mühe, sich bei Aktivitäten auf das Gehörte zu konzentrieren und die Aufmerksamkeit darauf zu richten.

Bei Verdacht auf ein Hörproblem führt der erste Schritt oft zum Haus- oder Kinderarzt. Gerade bei jüngeren Kindern beruhigen diese öfter mit den Worten, dass „das Kind ein bisschen länger braucht, um sprechen zu lernen“. So geht mitunter wertvolle Zeit verloren. Eine Hörstörung wirkt sich gerade bei Kindern vor oder während des Spracherwerbs auf die Gesamtentwicklung aus. Jeder Monat, den man durch eine frühzeitige Diagnosestellung und Behandlung gewinnen kann, zählt. Es muss nicht gleich immer ein dauerhafter, schwerer Hörverlust sein, oft reicht eine überstandene Mittelohrentzündung, die das Gehör der Kinder vorübergehend beeinträchtigt.

Die Spezialistin empfiehlt Teresa Schneider den Eltern, bei Verdacht auf ein Hörproblem eine Überweisung an einen niedergelassenen HNO-Arzt einzufordern. Aus Erfahrung weiß sie, dass Eltern ihr Gefühl selten täuscht. Der HNO-Arzt kann das Gehör genauer prüfen als der Allgemeinmediziner oder Kinderarzt. Je früher eine Hörstörung festgestellt und behandelt wird, umso besser steht die Prognose für eine altersentsprechende Hör- Sprach- und Kommunikationsentwicklung des Kindes.

Bei sehr jungen Kindern testen Ohrenärzte das Hörvermögen mittels Spiel- oder Reaktionsaudiometrie. Allerdings sind manche Kinder den Ärzten einen Schritt voraus. Sie kompensieren extrem gut, beobachten, wann der Arzt einen Knopf drückt, und lernen schnell, dass sie darauf reagieren müssen. Ein erfolgreicher Hörtest bedingt auch, dass das Kind aktiv mitarbeitet und über den gesamten Testzeitraum konzentriert und aufmerksam ist. Gar nicht so leicht für Ärzte im niedergelassenen Bereich, denn Zeit ist kostbar, wenn das Wartezimmer voll ist. Doch wenn das Kind nicht kooperiert, verzerrt dies unter Umständen auch die Ergebnisse einer Spielaudiometrie.

Haben Ärzte Bedenken, dass ihre Spielaudiometrie keine exakten Resultate liefert, empfiehlt Teresa Schneider, die Kinder an spezialisierte Zentren weiterüberweisen. Eines davon ist das Landeszentrum für Hörgeschädigte LZH in Dornbirn, Vorarlberg. Dort arbeiten die Hörfrühförderinnen eng mit erfahrenen Pädakustikern (Hörgeräteakustiker, die sich auf die Behandlung kindlicher Hörbeeinträchtigungen spezialisiert haben) zusammen. Dadurch sind optimale Voraussetzungen zur Abklärung von Hörbeeinträchtigungen gegeben.

In diesen spezialisierten Einrichtungen steht mehr Zeit für die Spielaudiometrie zur Verfügung. Die Frühförderin konzentriert sich auf den pädagogischen Teil mit dem Kind, während die Pädakustikerin sich am Audiometer voll und ganz um die Technik kümmern kann. Durch diese Aufteilung während der rund einstündigen Testung sind die Ergebnisse der Spielaudiometrie meist zuverlässig. In Kontrolluntersuchungen werden die Ergebnisse nochmals überprüft und bei Bedarf Hörhilfen angepasst.

Rat und Tat

Die Frühförderung von hörbeeinträchtigten Kindern beginnt mit der Diagnosestellung, idealerweise im Alter von zwei bis drei Monaten, und dauert bis zum Schuleintritt. In Vorarlberg hat jedes Kind mit Hörbeeinträchtigung die Möglichkeit, Frühförderung zu bekommen. Die Kosten dafür können zur Gänze beim Land eingereicht werden. Vor allem in der Zeit nach der Diagnosestellung sind Eltern für jeden Rat, für jede Unterstützung dankbar. Apropos Eltern: sie spielen eine wesentliche Rolle in der Frühförderung. Eine gute und vertrauensvolle Beziehung zu den Eltern und deren aktive Mitarbeit sind das Um und Auf in der erfolgreichen Frühförderung, betont Teresa Schneider.

Die Entscheidung, wie oft Frühförderung stattfindet, ist vom individuellen Entwicklungsstand des Kindes abhängig. Kinder mit schwereren Hör- und Sprachstörungen erhalten ein bis zwei Mal pro Woche Besuch von der Frühförderin. Entwickelt sich das Kind altersgemäß, reichen später monatliche Besuche bzw. halbjährliche Kontrollen, damit das Team den Hör- und Sprachentwicklungsstand des Kindes regelmäßig überprüfen kann.

Die Frühförderin kommt!

Wie kann man sich eine Einheit in der Hörfrühförderung vorstellen? Die Logopädin erklärt, dass jeder Besuch individuell auf das Kind abgestimmt ist. Dennoch gibt es ein Grundgerüst, bestimmte Inhalte und fixe Strukturen, die in jeder Frühförderstunde gleich sind.

„Nach der Begrüßung unterhalte ich mich kurz mit den Eltern, auch um etwaige Fragen zu klären. Im Anschluss daran kontrolliere ich die Hörsysteme. Dann beginnt der Hauptteil, nämlich die Arbeit mit dem Kind, in Form von Hör- und Sprachübungen oder -spielen. Oft sind die Eltern mit dabei, damit sie die Übungen, die ich mit dem Kind mache, später selbst in ihren Alltag einbauen können. Je nach Entwicklungsstand arbeite ich mit Gegenständen, Bildkarten, Symbolen und Geräuschen. Egal womit, es passiert immer spielerisch, damit das Kind motiviert und mit Freude bei der Sache ist. Wir bauen Bewegung ein, Musik, wir singen und tanzen. Ganz wichtig sind eine klare Struktur und Rituale, die gerade schwerhörige Kinder brauchen. Zuerst singen wir ein Begrüßungslied, dann machen wir die Hörübungen und im Anschluss darf das Kind mit der Puppe spielen. Ich zeige ihnen mit Bildblättern, Gebärden oder anderen visuellen Mitteln den Ablauf der Stunde, denn abstrakte Begriffe wie „jetzt“, „später“ oder „danach“ erfassen Kinder mit Hörverlust nicht so leicht wie Bilder“, gibt die Logopädin einen Einblick in ihre Arbeit.

Musik spielt in der Allgemeinen Frühförderung ebenfalls eine große Rolle. Wiegenlieder, Kniereiterlieder, Wortspiele in Verbindung mit Bewegung stellen den ersten Bezug zur Musik her. Musikalische Fähigkeiten wirken sich positiv auf die Sprachentwicklung der Kinder aus. Sprachmelodie oder Rhythmusbetonung spielen in der Musik eine ebenso bedeutende Rolle wie in der Sprache. Haben Kinder Musik mit ihren Elementen schon früh gehört, entwickeln sie ein natürliches Gefühl dafür und erlernen Sprache natürlicher.

Die Frühförderinnen zeigen den Eltern bei ihren Hausbesuchen immer, wie sie spielerisch die Freude an der Musik in ihren Kindern wecken können. Was macht Musik, was erzeugt Geräusche? Diese spielerischen Elemente können Eltern dann in den Alltag mit ihren Kindern einbauen.

Gewünscht: engere Zusammenarbeit

Niedergelassene Ärzte, aber auch pädagogische Einrichtungen wie Kindergärten und Spielgruppen kennen das Konzept der Frühförderung prinzipiell, wissen darüber aber nach wie vor zu wenig, erklärt Schneider. Dabei wäre dieses Wissen wichtig, um die Zusammenarbeit noch enger gestalten zu können. Das Frühförderungsteam stellt dem familiären und pädagogischen Umfeld des Kindes von Anfang an Beratung und Hilfe zur Verfügung. Es beobachtet das Kind in seiner Entwicklung laufend und stellt fest, was es gerade braucht. Hier liegt der enge Anknüpfungspunkt mit den behandelnden Ärzten und Kindergartenpädagogen, denn auch sie sollten über den Entwicklungsstand des Kindes gut informiert sein.

Manchmal besucht das Team der Frühförderung die Kinder auch in deren Kindergarten. Idealerweise findet vor Beginn der Kindergartenzeit ein Aufklärungsgespräch statt, bei dem die Frühförderin das verwendete Hörsystem erklärt und Tipps zur Betreuung in der Gruppe sowie zur individuellen Unterstützung gibt. Oft können Übungen aus der Frühförderung auch im Kindergarten umgesetzt werden. Und die hörenden Kinder machen gern mit, weil die Übungen einfach Spaß machen!

Der enge Austausch ist nicht nur mit pädagogischen Fachkräften, sondern auch mit den medizinischen, wie HNO-Ärztin, Kinderärztin oder Klinikteam, erstrebenswert. Wenn sich das gesamte Umfeld des Kindes regelmäßig über dessen Hör- und Sprachentwicklung austauscht, medizinische Behandlungen und weiterführende Versorgungsmöglichkeiten interdisziplinär beratschlagt, werden optimale Voraussetzungen für Kinder mit Hörverlust geschaffen. So können sie auch mit ihrem Hörverlust ihr Potential bestmöglich entfalten, ist Teresa Schneider überzeugt.

Zur Person:

Teresa Schneider absolvierte nach ihrer Ausbildung zur Kindergartenpädagogin ein Logopädie-Studium. Sie leitet die Abteilung Therapie, bei der Audiopädagogische Frühförderung, Logo-, Ergo-, Musik- und Physiotherapie interdisziplinär zusammenarbeiten.

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