Über die medizinischen Erfahrungen im Bereich Hörimplantation in Zypern – Wolf-Dieter Baumgartner

Literatur hat für uns eine vielfache Funktion – für Hörbeeinträchtigte kann Literatur eine weitere Facette als Hörtraining bekommen, wenn sie in Form von Hörbüchern dargeboten wird. 

Mein 29. Bericht, diesmal zu Zypern: Diese wunderschöne Mittemeerinsel ist in etwa so groß wie Kärnten und seit dem Einmarsch der türkischen Truppen im Jahr 1974, der Krieg und Vertreibung brachte und in der völkerrechtlich widerrechtlichen Besetzung des Nordteils der Insel durch die Türkei mündete, zweigeteilt.

Seit 1974 stehen UNO-Friedenstruppen bis heute an der Demarkationslinie. Von 1964, bereits zehn Jahre vor dem türkischen Einmarsch, war ein österreichisches UNO-Kontingent vor Ort. 37 Jahre lang, bis 2001, machten die österreichischen Blauhelme in Zypern Friedensdienst, der bis zum heutigen Tag von anderen Nationen weitergeführt wird. Gerade eben verschärft sich die friedlich geglaubte Situation aufs Neue, da nun im August 2023 die Türkei die UNO-Pufferzone nicht mehr einhält und auch nicht mehr einhalten will. Dies hat Potenzial für einen neuen kriegerischen Konflikt in Europa. Die gesamte Insel Zypern ist seit Mai 2004 EU-Mitglied; auch der türkische Norden, was von der Türkei nicht anerkannt wird.

Kulturelle Unterschiede – auch bei der medizinischen Versorgung

Ich war vier Mal in Zypern zur medizinischen Hilfestellung, drei Mal im griechischen Teil in Limassol – 2002, 2012, 2016 – und ein Mal 2017 im türkischen Norden in Famagusta. Nirgendwo sind die kulturellen Unterschiede zwischen Griechenland und Türkei unmittelbarer und einschneidender spürbar, hautnah erlebbar als hier. Im türkischen Nordteil Zyperns finden keine Cochlea Implantationen oder sonstige höherwertigen medizinischen Eingriffe statt. Sollte man in Nordzypern ein medizinisches Problem haben, dann bleibt nur der Weg aufs türkische Festland. Eine rudimentäre Krankenversicherung in unserem Sinne besteht zwar, diese ist aber nur für allgemeine medizinische Zwecke, wie z.B. Geburt, Gynäkologie, Blinddarm- oder Mandeloperationen etc. verwendbar. Durch den intensiven Tourismus auch im türkischen Zypern gibt es jedoch für privat zahlende PatientInnen jede Menge durchaus sehr guter kleiner Privatkliniken. Jeder, der es sich irgendwie leisten kann, versucht in der Privatmedizin unterzukommen. So habe auch ich alle Eingriffe jeweils in Privatkliniken und nie im öffentlichen Krankenhaus vorgenommen.

Ganz anders ist die Situation im griechischen Zypern. So war im Jahr 2002 die Cochlea Implantation noch eine privat zu zahlende Angelegenheit, auch bei Kindern. Viele zypriotische Kinder kamen jedoch am griechischen Festland, wie Athen oder Thessaloniki, gratis, also im Rahmen des griechischen Gesundheitssystems, zum Cochlea Implantat. Seit einigen Jahren werden von der Republik Zypern bei Kindern und Erwachsenen die Cochlea Implantate übernommen. Bei den Kindern auch bilateral, bei den Erwachsenen ist es Ermessenssache, ob eine bilaterale Cochlea Implantation finanziell vom Staat übernommen wird. Das Mittelohrimplantat VIBRANT SOUNDBRIDGE und das Knochenleitungsimplantat BONEBRIDGE sind ausschließlich Privatleistungen, wobei aktuell eine gewisse Diskussion bezüglich der staatlichen finanziellen Anerkennung der BONEBRIDGE besteht.

Feiern mit den Familien

Nach meinen Implantationen in Limassol wurde mit den Familien der kleinen PatientInnen nach der Operation heftig gefeiert. So haben beispielsweise die Operationen immer erst abends begonnen. Um Mitternacht war ich dann fertig, um 1 Uhr früh waren wir im Lokal und dann wurde mit der Patientenfamilie bis 4 Uhr früh bezüglich der erfolgreichen Operation im Strandlokal getanzt. Für mich war der medizinische Part im OP viel einfacher als die sozialen Veranstaltungen. Jedenfalls war es völlig unmöglich, ohne Gewichtszunahme wieder nach Wien zurückzukehren. 

Grüße nach Zypern

Ich persönlich habe mich in Zypern jeweils sehr wohl gefühlt, aber wie gesagt, in zwei völlig verschiedenen Kulturen. Eine Wiedervereinigung der Insel, wovon manche EU-Politiker träumen, halte ich für absolut ausgeschlossen. Man muss froh sein, wenn nicht wieder ein neuer alter Krieg ausbricht.

Prof. Dr. Wolf-Dieter Baumgartner mit Dr. Claude Jolly in Zypern ©privat

Inzwischen gibt es auch im staatlichen Krankenhaus in Nikosia ein gutes Implantationszentrum, sodass meine Anwesenheit nicht mehr benötigt wird. Ich wünsche den Kolleginnen und Kollegen in Zypern alles Gute, hoffen wir, dass der fragile Friede bestehen bleibt.

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