Erfahrungen eines österreichischen CI-Nutzers bei der stationären Reha in Deutschland

Prof. Dr. Michael Frass wurde 2015 auf einer, 2016 dann auf der anderen Seite mit einem Cochlea-Implantat versorgt. Seit 2016 war er mehrmals auf CI-Rehabilitation in Deutschland, zuletzt im Jahr 2023.

Eva Kohl

„Das ist wie mit allen Dingen im Leben: Was man trainiert, das wird besser. Bei der Rehabilitation konzentriere ich mich drei Wochen lang auf das Verstehen“, erzählt Prof. Dr. Michael Frass, und seufzt dann: „Zuhause kann ich das nicht so durchhalten. Meine Logopädin hat mir dann empfohlen, mich zur Rehabilitation anzumelden.“ Michael Frass ist selbst Intensiv-Internist und zugleich einer der führenden Homöopathen und Ganzheitsmediziner Österreichs. Die Rehaklinik wählte er nach praktischen Gesichtspunkten: „Ich habe mich auch deswegen für Bad Nauheim entschieden, weil dort der Termin nicht vorgeschrieben wird.“

Erstmals war er 2016 dort, etwa ein Jahr nach seiner ersten Cochlea-Implantation. Wenig später erhielt er auch auf der zweiten Seite ein CI und auch wieder Rehabilitation. Den Bedarf dazu vorausgesetzt, haben in Österreich Versicherte alle fünf Jahre die Möglichkeit, die Behandlung in einem Rehabilitationszentrum zu wiederholen. „Als sich im Juli 2023 für mich wieder die Möglichkeit geboten hat, hab‘ ich sie angenommen. Meine Frau hat auch gemeint, das sei gut, wenn ich das Hören wieder trainiere“, erzählt der Niederösterreicher, und dann lacht er: „Und jetzt versteh‘ ich meine Frau perfekt.“

Ein Kurort mit Geschichte: Waldbaden wie Elvis Presley?

„Elvis Presley ist in Bad Nauheim omnipräsent,“ so CI-Nutzer Prof. Dr. Michael Frass, und weiter: „Für mich klingt Musik mit dem CI so, wie ich es gewohnt bin. Das unterscheidet mein MED-EL CI vielleicht doch von anderen Produkten.“ ©wie in der File-Benennung angegeben

„Der Ort selbst ist ja nicht so berühmt, aber man kann direkt von der Klinik in den Wald gehen. Dort wurde uns das Waldbaden empfohlen, als Entspannungsübung. Auch der riesige Kurpark ist traumhaft schön und zu Fuß nur zehn Minuten von der Klinik entfernt“, schwärmt der wiederholte Reha-Patient von den Schönheiten Bad Nauheims und schmunzelt: „Und bevor man in den Kurpark eintaucht, kommt man an der Ecke auch zum Denkmal für Elvis Presley vorbei. Der ist in Bad Nauheim omnipräsent.“

Der „King of Rock ’n’ Roll“ wohnte in dem Kurort, als er 1958-1960 seinen Militärdienst ableistete, und lernte dort auch seine spätere Frau Priscilla kennen. Heute empfiehlt die Stadtverwaltung unter anderem einen Rundgang auf den Spuren des US-amerikanischen Musikers. Dass er seinerzeit aus seinem Hotelzimmer ausziehen musste, weil er dort Feuer gemacht hatte, bleibt dabei unerwähnt…

Sonst profiliert sich Bad Nauheim eher als Gesundheitsstadt: Insgesamt zwölf Kliniken, Reha- und Kuranstalten sind in der Gemeinde ansässig, jeweils spezialisiert auf ganz unterschiedliche Krankheitsbilder. Die MEDIAN Kaiserberg Klinik für Orthopädie, Hörstörungen, Tinnitus, Schwindel und Cochlea-Implantate ist eine davon. Das „hotelähnliche Service“, wie auf der Webseite beschrieben, entspreche zwar nicht dem Luxus von fünf Sternen, so Frass. Doch er gibt zu bedenken: „Das ist ja keine Kur, bei der man Wellness macht und sich verwöhnen lässt. Bei der Reha spürt man am Abend, dass man etwas gearbeitet hat.“

Was stationäre CI-Reha von ambulanter Logopädie unterscheidet

An den Beginn seiner Hörprobleme erinnern sich Michael Frass: „Ich war einfach traurig, dass etwas nicht funktioniert. Aber von den Klinikern, über die Hörgeräteakustiker und Techniker, bis eben jetzt zur Rehabilitation waren immer alle sehr einfühlsam.“ Trotzdem war die Implantation auch für den Mediziner mit Zweifeln und Ängsten verbunden. Als der CI-Techniker drei Wochen nach der Implantation den Prozessor erstmals aktivierte und der frisch-gebackene CI-Nutzer die ersten Höreindrücke wahrnahm, war seine Erleichterung entsprechend groß. Auf der Heimfahrt mit dem Auto dann die Überraschung: „Ich hatte zufällig das Radio an und hab´ den Radiosprecher verstanden! Vor der Implantation hätte ich da nur Wortfetzen mitbekommen, aber nicht den Inhalt. Ab diesem Moment wusste ich: Da muss ich weiter daran arbeiten!“

Das geht bei niedergelassenen LogopädInnen oder beim Üben zuhause. „Der Vorteil einer stationären Rehabilitation ist aber, dass man dort jeden Tag eine Logopädie-Einheit hat. Bei früheren Aufenthalten hatte ich an manchen Tagen stattdessen auch zwei Einheiten gemeinsam mit einem anderen Patienten. Und man hat im Zimmer auch einen Computer, mit dem man zusätzlich üben kann und soll.“

Während bei den Einzeleinheiten der Fokus auf dem Verstehen einzelner Laute lag, konnte der CI-Nutzer beim Hörtraining zu zweit das Sprachverstehen bei Hintergrundgeräuschen üben. Diese herausfordernde Übung war für den CI-Nutzer besonders interessant und ermutigend: „Im Vergleich zu den Hörgeräten vorher kann ich mit den CIs wesentlich besser differenzieren – auch bei Hintergrundgeräuschen. Ich habe sogar den Eindruck, dass ich jetzt nicht viel schlechter verstehe als normalhörende Gleichaltrige. Das empfinde ich als sehr befriedigend!“

Hörübungen dürfen auch Spaß machen!

Das Heilwasser wird in Bad Nauheim „Weißes Gold“ genannt, war es doch Grundstein für die Entstehung des historischen Kurorts. ©BNST GmbH

Was es bedeutet, die „Arschkarte“ zu ziehen, weiß der Akademiker auch erst seit der Gruppentherapie in Bad Nauheim. „Der Begriff stammt aus der Zeit des Schwarz-Weiß-Fernsehens, als man bei der Fußball-Übertragung nicht zwischen Gelber und Roter Karte unterscheiden konnte. Deswegen hatten die Schiedsrichter die Rote Karte in Gesäßnähe. Solche Geschichten, die auch ein bisschen lustig sind, werden bei der Gruppenlogopädie vorgelesen und sollen verstanden werden.“

Bis zu zehn TeilnehmerInnen sind bei so einer Gruppentherapie dabei, die Übungen dabei humorvoll und abwechslungsreich. Frass erinnert sich zum Beispiel an ein Quartett mit Dinosauriern. „Die haben Namen, die kein Mensch kennt! Also muss man die Namen wirklich verstehen – sonst hat man eigentlich keine Chance.“ Der erfahrene Reha-Patient lobt das logopädische Team: „Die nehmen sich so viel Zeit! Da bemühe ich mich als Patient dann natürlich auch besonders, den größtmöglichen Nutzen zu ziehen. Obwohl den ganzen Tag nur etwa drei oder vier unterschiedliche Einheiten waren, war ich meist schon zu Mittag etwas müde.“

Auch vom Austausch mit den anderen CI-NutzerInnen profitierte Michael Frass. Zum Beispiel beim Thema Musik war das für ihn ein Grund zur Freude: „Viele CI-Nutzer klagen, dass sie Musik nicht als normal empfinden. Für mich klingt sie so, wie ich es gewohnt bin, auch emotional. Das unterscheidet mein MED-EL CI vielleicht doch von anderen Produkten.“

Ganzheitlicher Ansatz bei der Reha

Sechs Badehäuser im Sprudelhof in Bad Nauheim beeindrucken mit Architektur im Jugendstil. ©BNST GmbH

Die Kur selbst beginnt mit einem Anamnese-Gespräch, das Therapieangebot richtet sich dann nach den individuellen Bedürfnissen. „Ich habe auch mein Gleichgewicht trainiert,“ Michael Frass fehlt das Gleichgewichtsorgan, was die Cochlea-Implantationen natürlich nicht kompensieren konnten. Sogar von einer Einheit zu Technik und Handhabung konnte der erfahrene CI-Nutzer noch profitieren: „Bei mir ist es das Fernsehen, wo ich Schwierigkeiten habe.“ In Bad Nauheim lernte er dazu neue Tipps kennen.

Einheiten in der Gruppe mit anderen CI-NutzerInnen bieten Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch und zum Ausprobieren unterschiedlicher Hörsituationen. „Wie man sich in verschiedenen Situationen am besten verhalten kann; wie man für ein Gespräch den besten Sitzplatz aussucht.“ Auch Strategien werden erarbeitet, wie man die eigenen Bedürfnisse für optimales Hören auch anderen mitteilen kann. „Ich selbst habe früher auch genuschelt. Erst durch mein schlechtes Hörvermögen habe ich gelernt, auch selbst deutlicher zu sprechen“, zeigt sich Frass verständnisvoll.

Die Möglichkeit zur weiteren Feineinstellung der CI-Prozessoren sowie Vorträge und Empfehlungen, zum Beispiel zur Entspannung, runden das Angebot zur Rehabilitation des Hörens ab. „Ich mache selbst immer ganz einfache Übungen für Autogenes Training“, kennt der erfahrene CI-Nutzer diese Techniken schon. „Ich hab‘ diese Rahmenprogramme dieses Mal nur beschränkt in Anspruch genommen. Ich sage aber nicht, dass es nicht gut wäre, das zu machen.“

Österreichische Kasse übernimmt Kosten für CI-Reha in Deutschland!

Das Heilwasser wird in Bad Nauheim „Weißes Gold“ genannt, war es doch Grundstein für die Entstehung des historischen Kurorts. ©BNST GmbH

„Das Hören ist ein Teil des Gehirns – das wird viel zu wenig beachtet! Ich selbst habe das ja auch nicht so richtig durchdacht, als ich schwerhörig wurde: Das akustisch Gehörte auch zu verstehen, das ist kein funktioneller Bereich im Ohr, sondern eben ein geistiger Prozess. Je ‚jünger‘ wir werden“, schmunzelt Michael Frass, „desto entscheidender ist das! Ich merke schon bei mir selbst, dass das Training bei der Reha praktische Auswirkungen auf mein Verstehen hat. Und auch meine Frau sagt, dass sie das Gefühl hat, ich verstehe besser.“ Deswegen möchte der CI-Nutzer die Möglichkeit zur stationären Hörrehabilitation so bald wie möglich wieder in Anspruch nehmen.

„Auf diesem Sektor haben wir in Österreich ein fantastisches Gesundheitssystem“

Arzt und CI-Nutzer Prof. Dr. Michael Frass

„Auf diesem Sektor haben wir in Österreich ein fantastisches Gesundheitssystem“, freut sich der Arzt und Patient in einer Person. Er verweist auf die kostenfreie Implantation und die ebenfalls kostenfreien Prozessoren: „im Gegensatz zu meinen Hörgeräten davor.“ In Österreich gibt es für Erwachsene aktuell zwar keine stationäre CI-Reha, doch die Reha in Deutschland wird vom österreichischen Gesundheitssystem finanziert. „Ich bin dazu einfach zu meinem Praktischen Arzt gegangen, der den Reha-Antrag im Computer ausgefüllt hat. Die Pensionsversicherung hat den Antrag recht rasch bewilligt und ich habe dann mit Bad Nauheim den Termin ausgemacht.“ Dazu kommt auch die einzige Kritik des Reha-Befürworters: „Ich habe mehrfach angerufen, aber niemand hat abgehoben. Und auch nach meinen E-Mails musste ich jedes Mal geduldig sein, bis ich den Richtigen oder die Richtige erwischt habe.“ Mit etwas Hartnäckigkeit hat es aber geklappt.

Nach erfolgter Rehabilitation können Versicherte sogar die Kosten für die Anreise bei der Krankenkasse einreichen. „Ich habe nach der Rückkehr den Arztbrief der Reha und die Belege für den Flug an die Versicherung geschickt“, Bad Nauheim liegt rund 30 Kilometer nördlich von Frankfurt am Main, „und ich habe gefragt, ob sie das refundieren. Das dauert immer ein bisschen, aber letztlich wurden die Kosten übernommen.“

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Michael Frass ist Hörberater!

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