CI-NutzerInnen in der Slowakei feiern führende CI-Chirurgen

Dank der Initiative von Prof. Dr. Milan Profant von der Universitätsklinik Bratislava erhielt 1994 erstmals in der Slowakei ein Kind ein Cochlea-Implantat. NutzerInnen, Angehörige und KlinikerInnen feierten dieses Jubiläum Anfang Mai gemeinsam in Tále in der Mittelslowakei.

Eva Kohl

Die Handvoll Parkplätze ist belegt. Auf der Zufahrt fallen einige Jugendliche einander in die Arme. Sie lachen, hüpfen gemeinsam vor Freude. Zwei Kinder im Vorschulalter queren energischen Schrittes, jeweils einen Mellie-Plüschelefanten untergeklemmt. Am Eingang ein älteres Paar – unter ihrer Hochsteckfrisur kann man über dem Ohr einen CI-Prozessor erkennen. Das kleine Ski- und Golfhotel Stupka liegt in Tále, mitten in der Slowakei. Es ist wieder einmal Treffpunkt für CI-NutzerInnen jeden Alters, sowie KlinikerInnen der Universitätsklinik Bratislava. Heuer feiern sie das 30-jährige Jubiläum der Cochlea-Implantation in der Slowakei.

Das traditionelle slowakische NutzerInnentreffen feierte heuer 30 Jahre Cochlea-Implantation in der Slowakei. ©Michal Gajdos

„Der erste Patient war ein 12-jähriger Bursche, der nach der Medikation mit starken Antibiotika ertaubte. Seine Mutter war Medizinerin, Neurologin. Sie informierte sich über Cochlea-Implantation und fragte beim Gesundheitsministerium an, eine Implantation in Deutschland zu finanzieren.“ Das war, kurz nachdem sich 1989 die Slowakische und die Tschechische Republik aus dem zuvor gemeinsamen Staatengefüge getrennt hatten. Das Ministerium fragte die Expertise des bereits renommierten HNO-Spezialisten Prof. Dr. Milan Profant an. Der empfahl, statt der Finanzierung einer Operation im Ausland einen CI-Chirurgen an die Universitätsklinik Bratislava einzuladen, um dort die Implantation durchzuführen. „Heute ist der junge CI-Patient von damals Dozent für Nuklearphysik an der Universität Bratislava“, weiß Prof. Profant. Seither hat Profant mit seinem Team in Bratislava an die 600 Implantationen durchgeführt und als Gastchirurg selbst über 600 weitere Implantationen in anderen Ländern: auf drei Kontinenten, in 27 Städten in 18 verschiedenen Ländern. Seit einiger Zeit bietet auch die Klinik in Košice Cochlea-Implantationen an.

„Für manche HNO-Kollegen und -Kolleginnen war Cochlea-Implantation zu Beginn aber so seltsam, dass es viele, viele Jahre benötigte sie zu überzeugen“, erinnert sich der CI-Spezialist. Hilfreich bei der Überzeugungsarbeit waren ab 1996 auch Treffen der slowakischen CI-NutzerInnen: Erst kurze Treffen in Píla und Dubník, beide nahe Bratislava, und dann in Tále in der heutigen Form mit Übernachtung. „Das ganze Implantat-Team unserer Klinik geht zu dem Treffen. Viele Patienten und Patientinnen wurden als Kleinkinder implantiert. Nun sind sie junge Frauen und Männer, vollständig integriert in die Lebenswelt hörender Menschen. Das ist wirklich ermutigend – nicht nur für mich, sondern auch für den Rest unseres Teams: wenn wir das tatsächliche Ergebnis unserer Arbeit sehen und erfassen können.“

Teil der hörenden Welt – dank Cochlea-Implantat!

Einige dieser jungen CI-NutzerInnen erzählen beim Treffen von ihren Erfahrungen; so Martin Bulko, dessen Ertaubung Anlass für die erste Implantation 1994 gab. Um die bessere Technik eines neuen Prozessors nutzen zu können, entschied Bulko sich 2019 auch zur Implantation der zweiten Seite, was zum Glück kurz vorher auch in der Slowakei möglich geworden war. Mit seinem alten Implantat war der neue Prozessor nämlich nicht kompatibel, so erzählt er. Der CI-Hersteller MED-EL garantiert zwar dafür, dass jeder neue Audioprozessor auch mit allen älteren Implantat-Modellen kompatibel ist. Doch bei Implantaten und Prozessoren anderer Hersteller ist das offenbar nicht immer sichergestellt.

Seinen zweiten Geburtstag nennt Martin Ďuriška den Tag seiner Cochlea-Implantation. Er war damals erst 21 Monate alt. „Ich erinnere mich, wie ich mit meiner Mutter am Boden saß; auf einer roten Decke.“ Zwei Mal täglich 30 Minuten übten sie, bis Martin schulreif war und an einer Regelschule eingeschult wurde. Heute ist der 26-jährige Experte für IT-Sicherheit dankbar dafür, besteht nicht nur ein wesentlicher Teil seines beruflichen Alltags aus Kommunikation. Am Ende seines Vortrags wird Ďuriška philosophisch: „Bin ich taub? Bin ich hörend? Ich bin, wer ich bin!“ Er zeigt ein Foto mit seinen Freunden. Alle hörend; wie er dank CI hörend ist.

Gut informiert selbstwirksam werden

Der renommierte HNO-Spezialist Prof. Dr. Milan Profant (Mitte) hat in den letzten 30 Jahren weit über tausend Cochlea-Implantationen in der Slowakei sowie rund um den Globus durchgeführt. ©Michal Gajdos

Auch der Archäologe Gabriel Fusek erzählt seine Hörgeschichte. Er hat – schon erwachsen – seit 1972 sein Hörvermögen schrittweise verloren, bevor er nach drei Jahren beidseitiger Taubheit 2006 ein CI bekam. Nach der Aktivierung freute er sich auf seinen ersten Arbeitstag. „Aber ich habe nicht viel gearbeitet: Das Büro ist nämlich der ideale Platz, um zu tratschen“, lacht er. Sein Hörverlust kam nicht überraschend, denn schon seit Generationen ertauben in seiner Familie immer wieder Familienmitglieder. Eine genetische Besonderheit ist die Ursache. Über 400 verschiedene genetische Veranlagungen für Höreinbußen sind bisher bekannt, erklärt Doz. RNDr. Lukáš Varga, PhD. im Vortrag. Der CI-Chirurg legt die neuesten Erkenntnisse zu genetisch bedingten Ertaubungen dar und beginnt damit den Reigen der Fachvorträge.

In Tále die Auswirkung der klinischen Arbeit in der Lebensrealität erfassen oder bei den Summer Days in Velden Gleichgesinnte treffen, Selbstwirksamkeit aufbauen und Informationen sammeln: Trotz unterschiedlichem Ursprung haben die beiden Initiativen einiges gemeinsam: viel Kommunikation, neue Informationen und gemeinsamer Spaß. Wir freuen uns, mit Prof. Dr. Milan Profant jenen Spezialisten, der die Implantation und das jährliche PatientInnentreffen angeregt und maßgeblich mitgestaltet hat, ein neues Ehrenmitglied bei CIA begrüßen zu dürfen!

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