Tipps für Musikgenuss mit und ohne Cochlea-Implantat

Die meisten Menschen hören besonders gerne Musik, so das Ergebnis einer Online-Umfrage. Doch nicht bei jeder Musik fühlen wir uns gleich wohl, speziell als CI-NutzerIn. 6 Tipps helfen, auch mit Cochlea-Implantat Musik zu genießen.

„Welche drei Geräusche oder Klänge würden Sie am meisten vermissen, wenn Sie nicht mehr hören könnten?“, fragte Research Without Barriers bei einer Online-Umfrage zu Jahresbeginn 2024. Nach den Stimmen von Familienangehörigen wäre das: Musik. Fast die Hälfte der Befragten betonte die Bedeutung von Musik- oder Radiohören in ihrem Leben, weitere elf Prozent möchten nicht auf Live-Konzerte verzichten.

Seine Sehnsucht nach Musik in der Zeit vor seiner Implantation beschreibt CIA-Obmann Hans Horak: „Ich habe zuhause oft die Hände an den Lautsprecher der Stereoanlage gelegt und die Lautstärke ganz aufgedreht, um zumindest den Rhythmus zu spüren.“ Mit seinem ersten, noch analogen Implantat konnte er Musik dann mehr erahnen als erkennen. Das COMBI 40, das erstes digitale CI mit langer Elektrode, änderte das. „Musik habe ich dann wieder so gehört wie früher, nicht mehr nur in meiner Vorstellung.“ Wissenschaftliche Studien erklären die Abläufe dabei und wann Musik für uns „gut“ klingt:

Glückliche Musikjunkies

Tatsächlich wirkt sich Musik nicht nur auf unsere Stimmung und Gefühle aus. Zahlreiche Untersuchungen zeigen: Schnelle Musik steigert unsere sportliche Leistungsfähigkeit. Musik wirkt auf den Körper und fördert kognitive Fähigkeiten wie Wahrnehmung und Gedächtnis, Lernen und mathematische Fähigkeiten. Sogar für die Schmerztherapie verspricht Musik neue Optionen.

Unser Musikgeschmack ändert sich im Lauf des Lebens zwar, doch er hält an bekannten Mustern fest: Eine umfangreiche Studie der Universität Cambridge bestätigt, dass die rebellierende Jugend meist auch rebellische Musik bevorzugt und junge Erwachsene besonders viel Musik hören. Die insgesamt fünf Musikphasen des Lebens münde, so die Studie, im davor weniger geschätzten Pool von Country, Volksmusik und Schlagern – dann nämlich, wenn wir uns das Zuhören einfacher machen möchten.

Dem widerspricht scheinbar die Erfahrung, dass Menschen im Alter Veränderungen – auch in der Musik – eher ablehnend gegenüberstehen. Denn wir legen nicht nur in jungen Jahren unsere Persönlichkeit und unseren Geschmack fest, auch aus neurologischen Gründen vermeiden wir Neues.

Die Neurologie des Musikgenusses

Musiktraining, zb. mit dem Trainingsprogramm MELUDIA, kann den Musikgenuss für CI-NutzerInnen beschleunigen. ©MED-EL

Wenn das Gehirn unterschiedliche Sinneseindrücke verarbeitet, katalogisiert es quasi deren Muster – bei Musik also Rhythmen, Klangfarbe und Akkorde oder Klangfolgen. Das ist mit beträchtlichem Energieaufwand verbunden. Um uns zum Energiesparen zu animieren, belohnt unser Gehirn wiedererkannte, bereits katalogisierte Muster mit dem Glückshormon Dopamin. Der Autor und frühere Neurowissenschaftler Jonah Lehrer beschreibt die Freude an der Musik, dass Lieder subtil mit den Mustern in unserem Gehirn spielen und den Dopaminspiegel immer weiter heben, ohne ihn zu weit in die Höhe zu treiben. Findet das Gehirn keine passenden Mustervorlagen, so empfinden wir den Klang als unangenehm. „Wenn die Dopamin-Neuronen ihr Feuern nicht mit äußeren Ereignissen korrelieren können“, schreibt Lehrer, „ist das Gehirn nicht in der Lage, schlüssige Assoziationen zu bilden.“ Die Musik – oder der Lärm, wie wir dann sagen – macht uns quasi verrückt.

Es ist also nicht nur die emotionale Erinnerung, warum wir die Lieder unserer frühen Jahre so gerne hören, sondern vielmehr eine Art kortikaler Feedback-Spirale: Wir mögen Bekanntes, weil wir es mögen – und dafür mögen wir es. Neue Musiktitel werden demnach dann als angenehm empfunden, wenn sie Bekanntem ähneln – also ähnliche Muster verwenden.

Ähnliches zeigen auch neue Daten japanischer WissenschaftlerInnen vom April 2024: Musik – unabhängig von der Musikrichtung – muss in ihren tonalen Motiven für uns vorhersehbar sein, damit sie angenehme „Bauchgefühle“ wie Erleichterung, Zufriedenheit und Ruhe auslösen. Eine kleine Überraschung im letzten Akkord verursacht „angenehmes Herzklopfen.“

Mit Cochlea-Implantat NEUe Musik hören

Für Musiker und CI-Nutzer Heinz Kirchschlager ist Musik Lebensinhalt. ©privat

„Mit dem Bekannten beginnen“, dieser Titel einer Broschüre über Musikhören mit CI trifft es genau. „Fällt Ihnen ein Lied ein, das Ihnen so vertraut ist, dass Sie es ‚in Ihrem Kopf hören‘, wenn Sie innehalten und sich konzentrieren? Häufig stammen solche Lieder aus unserer Jugendzeit, als wir die Fähigkeit hatten, uns sehr leicht Worte und Melodien vieler Lieder zu merken.“

Dass Musik für viele CI-NutzerInnen anfangs ungewohnt klingt, liegt nicht nur an der künstlichen Simulation des natürlichen Nervensignals: Je naturnaher, desto besser auch die Klangtreue des Implantats. Wenn die Elektrodenlänge an die individuelle Größe der Cochlea angepasst ist, erhöht das die Klangtreue. Und auch die Nachempfindung der temporalen Muster des Nervenreizes durch FineHearing-Kodierung verbessert den Klang.

Damit kann ein CI mitunter klangtreuer klingen als ein zuvor genütztes, konventionelles Hörgerät. Hohe Töne bleiben trotz Hörgerät oft ganz oder beinahe unhörbar, tiefe Klänge werden zugunsten des Sprachverstehens gedämpft. Das mit CI dann natürlichere Klangspektrum wirkt sich bei Musik besonders stark aus. Die Erfahrung zeigt: Besonders nach langjähriger Hörgeräteerfahrung klingt Musik für CI-NutzerInnen anfangs oft ungewohnt und deswegen wenig ansprechend. Ausdauerndes Üben und ein gewisses Maß an Experimentierfreude im Umgang mit Musik führen aber meist rasch zu mehr Genuss mit Musik. Zudem kann man mit Musik auch die allgemeinen Hörerfolge und sogar das Sprachverstehen mit Hörimplantat verbessern.

6 Tipps für das Musikhören mit CI

Wenn Musik mit Cochlea-Implantat noch ungewohnt klingt, helfen diese Tipps zu mehr Musikgenuss:

  1. Angenehme Hörumgebung: ruhig, entspannend, ohne Echo
  2. Gute Klangqualität: externe Lautsprecher, Kopfhörer, Audioeingang oder Bluetooth.
  3. Vertraute Musik
  4. Einfach und klar: Solo-Instrumentalstücke oder einfache Arrangements mit wenig Instrumenten, klarem Rhythmus, klaren Stimmen oder Sprechgesang.
  5. Wiederholungen: innerhalb des Musikstücks und mehrmals hören
  6. Audio-visuelle Unterstützung: Texte zum Mitlesen, Videoclips von der Darbietung oder Live-Auftritte

Wenn einfache Melodien wieder gut zu genießen sind, erweitert Experimentieren das Spektrum: verschiedene Stile ausprobieren, Instrumente erkennen und ihnen auditiv folgen, musizieren oder singen, Musiktherapie. Auch das kostenfreie MELUDIA-Hörtraining mit Musik kann helfen.

Musik Rehabilitation for Adult CI Users

Wie betroffene Erwachsene Musik bald wieder uneingeschränkt genießen können, erklärt die neue Broschüre „Musiktraining für erwachsene CI-NutzerInnen“. Erhältlich im ZENTRUM HÖREN, im Online-Shop von MyMED-EL oder als kostenfreier Download auf medel.com.

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Wie MELUDIA Musiktraining das Sprachverstehen verbessert

Musiktraining: Das „bessere“ Hörtraining?

Beim Berufskongress im Mai berichtete Teresa Schneider, BSc vom LZH Dornbirn von ihren Erfahrungen mit MELUDIA Musikübungen beim Hörtraining mit Erwachsenen. Bei einem Treffen der CI-TherapeutInnen Österreichs nahm sie auch auf den Einfluss von Musik auf die Entwicklung von Kindern mit Cochlea-Implantaten Bezug.

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