Service und Unterstützung für Kinder mit Cochlea-Implantat am BIG-Schulzentrum

Seit Jänner 2024 leitet Prof. Sinem Akdeniz-Ugolini, BA, BEd das BIG-Schulzentrum, interimsmäßig bis zur offiziellen Neubesetzung der Direktion. gehört.gelesen sprach mit ihr und mit Dipl. Päd. Carolyn Harrison, Volks- und Sonderschullehrerin am BIG.

Prof. Sinem Akdeniz-Ugolini, BA, BEd: Direktorin Mag. Katharina Strohmayer ist während der Corona-Pandemie in Pension gegangen. Danach übernahm Mag. Martin Martiska die Leitung. Seit Jänner 2024 führe ich nun dieses Haus.

Dipl. Päd. Carolyn Harrison: Durch diesen Wechsel war es eine bewegte Zeit für das BIG. Wir sind alle sehr froh, dass nun wieder Ruhe und Stabilität in unseren Schulalltag eingekehrt sind und unsere Schulleiterin Prof. Akdeniz-Ugolini Blick und Herz für das ganze Haus hat.

Akdeniz-Ugolini: Ich war bereits als Kind hier. Hier bekam ich die Flügel für mein weiteres Leben und habe nun die große Ehre, die Rahmenbedingungen für unsere SchülerInnen mitzubestimmen.

Für hörende Kinder ist es ein großer Vorteil, gemeinsam mit hörbeeinträchtigen Kindern unterrichtet zu werden.

  • Sie haben dadurch immer zwei Lehrkräfte in der Klasse, die im Team-Teaching unterrichten: eine Lehrkraft vom Stammhaus BIG und eine zweite Lehrkraft von einer Expositur. (Regelschule, Partnerschule des BIG)
  • Das räumliche Setting ist so optimiert, dass die Kinder ihre Lehrkräfte gut hören können. Die Klassenräume am BIG sind lärmreduzierend eingerichtet und verfügen über FM-Anlagen und Beschallungssysteme. Davon profitieren alle Kinder.
  • Aber auch das Kennenlernen von und der Umgang mit dem Anderssein finde ich wichtig. Wenn Kinder das von klein auf lernen, werden sie zu sozial kompetenteren Erwachsenen, die empathischer reagieren können und Inklusion als Selbstverständlichkeit betrachten.

Harrison: Das Angebot des BIG ist aber noch viel vielfältiger! Ich selbst habe vor über 22 Jahren am BIG in einer Kleingruppe zu unterrichten begonnen. Danach war ich in einer Inklusionsklasse in einer Expositur tätig. Seit gut elf Jahren bin ich wieder am Standort Maygasse und unterrichte hier – immer im Team mit meiner Kollegin – in einer hörgerichteten Inklusionsklasse.

Neben den Klein- und Integrationsklassen haben wir am BIG aber auch noch die KEF-Klassen für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf.

Akdeniz-Ugolini: Für alle Klassenformen gibt es Angebote in unterschiedlichen Kommunikationsmodi; auch die KEF-Klassen werden sowohl hörgerichtet als auch gebärdensprachlich geführt.

Harrison: Gemeinsame Veranstaltungen der unterschiedlichen Klassen gehören zum Schulalltag: zum Beispiel gemeinsame Feiern. Dabei lernen die Kinder damit umzugehen, dass zum Beispiel ein Kind im Rollstuhl sitzt oder ein anderes nicht stillsitzen kann und immer herumläuft – und wir dabei doch alle gemeinsam BIG sind.

Wieso sind so unterschiedliche Angebote wichtig?

Akdeniz-Ugolini: In den Kleinklassen haben wir leider auch immer wieder SchülerInnen, die bei Schuleintritt noch gar keine Sprache verstehen! Die Sprache ist aber wichtig, damit die Kinder sich später im Alltag in der Gesellschaft integrieren können. In unserer audio-verbal orientierten Gesellschaft ist natürlich Lautsprache die überwiegende Sprache. Gebärdensprache und Lautsprache sind aber ganz unterschiedliche Sprachen, mit jeweils eigener Grammatik, Syntax und Morphologie. Für jene Kinder mit Gebärdensprache als Erstsprache ist das Erlernen der deutschen Schriftsprache daher wie ein Zweitsprachenerwerb zu betrachten!

In den Integrationsklassen hingegen sind meist Kinder, die schon lange mittels CI oder Hörgerät hören und kommunizieren.

Akdeniz-Ugolini und Harrison bekräftigen: Es ist uns wichtig, dass bei uns beide Philosophien Platz haben, damit jedes Kind bestmöglich profitieren und seinen Lebensweg finden kann. Auch in dieser Hinsicht wird jedenfalls die Entscheidung der Eltern respektiert!

 „Wir haben beides bei uns im Haus: das Recht auf Hören und das Recht auf Sprache!“

Prof. Sinem Akdeniz-Ugolini, BA, BEd

Von der Frühförderung bis zur Übergangsstufe: Wie viele SchülerInnen sind das derzeit?

Die beiden CI-Elternteile Hazemi und Dino, die ihre jeweilige Mehrsprachigkeit beim Elternsprechtag zur Beratung anbieten ©Adelheid Dellinger

Akdeniz-Ugolini: Derzeit sind es 351. Im Schuljahr 2024/25 hatten wir 41 Schulklassen, dieses Schuljahr sind es schon 45. Mit Kindergarten, Frühförderung, Hort- und Internatsgruppen kommen wir auf insgesamt 85 Gruppen.

In Österreich steigen die Schülerzahlen insgesamt, in ganz Wien ist der Zuzug aus diversen Kriegsländern spürbar. Dabei kommen auch Kinder mit einer Hörproblematik nach Wien, für die wir die erste Anlaufstelle sind. Das Bundesinstitut für Gehörlosenbildung ist das größte Institut für Gehörlosenpädagogik in Österreich und das zweitgrößte in ganz Europa! Mit unseren Partnerschulen sind wir Vorreiter für inklusive Bildung.

Sie haben ein Internat erwähnt: Ist das für Kinder aus den Bundesländern?

Harrison: Alle Kinder mit Hörbeeinträchtigung können mit einem Fahrtendienst in die Schule kommen. Aber wenn Familien besonders weit entfernt wohnen oder die Eltern Entlastung brauchen, können die Kinder auch das Internat nutzen.

Akdeniz-Ugolini: Unsere Internat-Kinder sind in der Regel von Sonntagabend bis Freitag im Haus. SozialpädagogInnen achten auf ein gutes Freizeitangebot in der Nachmittagsbetreuung. Am Abend essen die Kinder in ihrer jeweiligen Gruppe – bei uns wird frisch gekocht – und schlafen dann hier. Unser derzeit jüngstes Kind am Internat ist sechs Jahre alt. Aber insgesamt sind es nur wenige Kinder in einer sehr heterogenen Gruppe.

Wie viele der SchülerInnen am BIG hören mit Cochlea-Implantat?

Akdeniz-Ugolini: Das sind ungefähr 40 Prozent. Die anderen 60 Prozent haben ein Hörgerät oder eine sogenannte Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung AVWS.

Harrison: Für die CI-Kinder habe ich kürzlich die technische Betreuung übernommen. Vor ungefähr eineinhalb Jahren übernahm ich die Rolle der Schnittstelle des BIG zur Firma Neuroth. Frau Neuroth war in den letzten Jahren zur technischen Betreuung der FM-Anlagen und der Hörgeräte unserer Kinder einmal wöchentlich im Haus.

Parallel dazu hat meine Kollegin Eva Mehmeti CI-Techniktage organisiert und kleine Reparaturen auch selbst durchgeführt. Sie ist aber Ende des Schuljahrs 2023/24 in Pension gegangen. Deswegen habe ich nun auch diesen Bereich übernommen. Ich wurde dann von MED-EL eingeschult, sodass ich – wie früher Eva Mehmeti – kleine Reparaturen an den CI-Teilen auch gleich selbst durchführen kann. Mir ist es wichtig, dass die Kinder gut ausgestattet in den Tag starten können!

Die Technikbetreuung für Höranlagen, Hörgeräte und CIs ist jetzt also bei mir in einer Hand. Wir legen jetzt auch immer den Hörgeräte- und den CI-Tag zusammen: Ungefähr vier Mal pro Schuljahr sind die jeweiligen TechnikerInnen im Haus. Das ist sehr praktisch: Wenn zum Beispiel ein CI-Kind ein Problem beim Übergang von der Höranlage zum CI hat, können die TechnikerInnen gemeinsam schauen, wo das Problem liegt. Das ist sehr praktisch.

 „Mir ist es wichtig, dass die Kinder gut ausgestattet in den Tag starten können!“

Dipl. Päd. Carolyn Harrison

Im Sommersemester 2024 hat die Frühförderstelle am BIG in Kooperation mit MED-EL eine Elternschulung angeboten?

Mit seinen Partnerschulen ist das BIG Vorreiter für inklusive Bildung. ©Eva Kohl

Harrison: Dabei ging es um Fragen wie: Wie gehe ich mit meinem Kind um, das ein CI bekommen wird oder bekommen hat? Oder: Wie kann ich die Sprachentwicklung fördern? Die Vortragenden sind dabei auf die individuellen Fragen der einzelnen Familien eingegangen. Das Projekt war ein großartiger Erfolg! Ein weiteres Modul dazu ist für Jänner 2025 geplant.

Akdeniz-Ugolini: Beim letzten Elternsprechtag im vergangenen Schuljahr war auch erstmals eine CI-Technikerin bei uns sowie drei erfahrene Eltern von CI-Kindern, die selbst mehrsprachig sind: neben Deutsch auch Albanisch, BKS (Bosnisch, Kroatisch, Serbisch) und Türkisch. Über das elektronische Mitteilungsheft SchoolFox haben wir das Angebot vorher angekündigt. Wenn Eltern also zum Gespräch mit Lehrkräften an die Schule kamen, konnten sie bei den Vieren auch gleich ihre Fragen zum CI stellen – und das sogar in ihrer jeweiligen Erstsprache.

Dieses Angebot hat sich so gut bewährt, dass wir es beim nächsten Sprechtag wiederholt haben. Denn es ist uns wichtig, den Eltern die Schwellenangst zu nehmen, wenn sie Fragen haben. In der jeweiligen Erstsprache können wir die Eltern besonders niederschwellig erreichen.

Harrison: Wir hatten auch zu Beginn des Schuljahres Angebote für KollegInnen in der Lehrerschaft. Eine Technikschulung in Kooperation mit MED-EL und Neuroth: Neue Lehrkräfte konnten sich dabei informieren, was ein Hörgerät oder ein CI ist, wie sie deren Funktion überprüfen können und passendes Zubehör verwenden; und einen Vortrag zum Thema Sprachförderung für Kinder im Schulalter und Herausforderungen im Schulalltag für jene Lehrkräfte, die Hörtraining anbieten.

Ist das Hörtraining nicht Arbeitsbereich ausgebildeter LogopädInnen?

Harrison: Es gibt Bereiche der Hör- und Sprachförderung, für die es natürlich eine logopädische Ausbildung braucht. An unserem Standort steht im Moment eine Logopädin für den Kindergarten zur Verfügung. Wir beobachten aber, dass es für manche Eltern sehr schwierig ist, für ihre schulpflichtigen Kinder Logopädie außerhalb der Schule in Anspruch zu nehmen. Deswegen suchen wir auch eine zweite Logopädin bzw. einen Logopäden für die Schulkinder, damit wir auch für diese Kinder den Weg zur logopädischen Therapie abkürzen können.

Unabhängig davon absolviert jedes CI-Kind am BIG auch wöchentlich eine halbe Einheit Hörtraining mit einer Lehrkraft. Am BIG haben alle Hörgeräte-Kinder sogenannte Artikulationsstunden, die AVWS-Kinder haben die AVWS-Stunden – und CI-Kinder eben Hörtraining. Diese halbe Einheit pro Woche ist für die Kinder sehr wertvoll. MED-EL hat für solche Hörübungen hilfreiches Material entwickelt: Dazu hatten wir im Juni eine Schulung für alle Lehrkräfte, für die das relevant ist – und wir planen eben im Herbst die nächste Schulung anzubieten.

Wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen viel Erfolg bei den vorgestellten Projekten des angebrochenen Schuljahrs!

WISSENSWERT

Trainingsprogramm für Eltern in Österreich

Eltern spielen bei der Hör- und Sprachtherapie ihrer Kinder eine zentrale Rolle. Im Rahmen von individualisierten Trainingsprogrammen können Eltern nun ihre intuitiven Verhaltensweisen reflektieren, erfahren wie wichtig ihre Rolle ist und entdecken, welche Kompetenzen bereits in ihnen stecken.

Die Durchführung des MED-EL Trainingsprogramms für Eltern findet in Kooperation mit CI-Rehabilitations- und Frühfördereinrichtungen bzw. Schulen mit dem Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation statt. Am Trainingsprogramm können Eltern bzw. Erziehungsberechtigte oder ErzieherInnen von CI-Kindern oder Kindern mit mittel- bis hochgradiger Hörstörung teilnehmen. Durchgeführt wird das Programm von erfahrenen MED-EL Therapeutinnen in den Räumlichkeiten einer der kooperierenden Einrichtungen. Zudem unterstützen wir bei den Vorbereitungen wie der Programmerstellung.

Die veranstaltende Facheinrichtung wählt je nach den Bedürfnissen der teilnehmenden Familien aus fertigen Modulen, welche folgende Themen abdecken:

  • Hören und Hörverlust sowie Hörsysteme
  • Hör-, Sprach- und Sprechentwicklung
  • Mentale Sprachkompetenzen und Theory of Mind
  • Strategien zur Entwicklung der kommunikativen Fähigkeiten
  • Voraussetzungen zur Unterstützung des Spracherwerbs

Heuer haben bereits das Landeszentrum für Hörstörungen LZH Dornbirn und die Frühförderung am Bundesinstitut für Gehörlosenbildung BIG in Wien diese Möglichkeit genutzt: Die TeilnehmerInnen waren durchwegs begeistert. Die Module stehen auch anderen Fachzentren in Österreich zur Durchführung zur Verfügung.

Nähere Infos finden Sie hier.

Reha-Materialien für Kinder:

Wesentlich – besonders bei Kindern – ist die Förderung durch Eltern und Familie. So gibt es für die tägliche Unterstützung zuhause eine Reihe an abwechslungsreichen Materialien. Einen Überblick zum umfangreichen Übungsangebot finden Sie hier!

Downloaden können Sie diese Anleitungen, Tipps sowie Übungsmaterialien mit Hilfe der QR-Codes!

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