Behindertengrad, Behindertenpass und Vergünstigungen für NutzerInnen von Cochlea-Implantaten

Wer in Österreich sein Leben mit körperlichen, geistigen, psychischen oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen meistern muss, den unterstützen österreichischer Staat und manche privaten Anbieter. Meist ist die Feststellung des sogenannten Grads der Behinderung, kurz: GdB, Voraussetzung dazu.

Behindert trotz Hörimplantat

Der österreichische Staat unterstützt Menschen mit Behinderung und ihre Familien durch verschiedene Vergünstigungen. Manche privaten Anbieter tun es ihm gleich. Neben diversen angeborenen oder erworbenen Einschränkungen werden dabei auch langfristige psychische sowie körperliche Erkrankungen als Behinderung berücksichtigt. Das Ausmaß einer Behinderung wird als Prozentsatz angegeben. Dieser Grad der Behinderung, kurz: GdB, ist ausschlaggebend, welche Unterstützungen Betroffenen und deren Familien zustehen: Steuererleichterungen, ein Behindertenpass; für Familien mit Kindern ab einem Grad von 50 Prozent Behinderung steht außerdem die erhöhte Familienbeihilfe zu.

Auch hörbeeinträchtigte Personen und deren Familien haben mehr Aufwand und Ausgaben als hörende Personen – auch dann, wenn die Folgen der Höreinschränkungen dank Hörtechnologie teilweise oder überwiegend ausgeglichen werden können. Der Zeitaufwand für Untersuchungen, Förderung und Techniktermine beschränkt mitunter die Verdienstmöglichkeiten der Eltern betroffener Kinder zusätzlich. Und auch Betroffene selbst sind in ihren Verdienstmöglichkeiten mitunter immer noch eingeschränkt. Deswegen werden hörbeeinträchtigte Personen auch mit Hörgerät oder Hörimplantat in diesem Sinn als behindert eingestuft.

Cochlea-Implantate haben keinen Einfluss auf den Grad der Behinderung

Festgestellt wird der Grad der Behinderung, kurz: GdB, vom Ärztlichen Dienst des Sozialministeriumservice – unabhängig von der jeweiligen Sozialversicherung. Der/die beurteilende MedizinerIn dort ist aber nicht immer FachärztIn für den jeweiligen Bereich – also auch nicht HNO-SpezialistIn. Für CI-NutzerInnen gilt: Wer auf nur einem Ohr nichts hört, kann mit 20 Prozent GdB rechnen, sind beide Ohren betroffen, mit 80 Prozent GdB. Viele CI-NutzerInnen verfügen aber über Hörreste: Sind sie beidseits „hochgradig schwerhörig“ oder „an Taubheit grenzend schwerhörig“, führt das zu einem GdB zwischen etwa 50 und 70 Prozent, abhängig von den Ton- und Sprachaudiogrammen beider Ohren ohne Hörgerät oder -implantat.

Der Grad der Behinderung, kurz: GdB, wird vom Ärztlichen Dienst des Sozialministeriumservice festgestellt – unabhängig von der jeweiligen Sozialversicherung. ©Adobe Stock

Ist bei NutzerInnen von Hörgeräten oder anderen Hörimplantaten die Höreinschränkung geringer, reduziert das auch den GdB: beginnend bei über 20 Prozent beidseitigem Hörverlust mit nur 15 Prozent GdB, was natürlich weder Behindertenpass noch Vergütungen rechtfertigt. Andererseits können Tinnitus oder vom Hörverlust verursachte zusätzliche Beeinträchtigungen den GdB erhöhen: zum Beispiel Entwicklungsverzögerungen bei Kindern. Auch andere, von der Höreinschränkung unabhängige Beeinträchtigungen können den GdB beeinflussen.

Ganz schön komplex und kompliziert: Es ist daher ratsam, beim Antrag einfach alle körperlichen, physischen, psychischen und kognitiven Befindlichkeiten zu bedenken und mittels medizinischer Befunde zu belegen. Betroffene beantragen die Feststellung des GdB beim Sozialministerium: Online auf oder mit dem Formular auf – persönlich, per Post, per E-Mail oder per Fax. Beim Antrag auf Erhöhte Familienbeihilfe oder auf einen Behindertenpass wird automatisch auch eine Feststellung des GdB erwirkt, wenn der noch nicht bekannt ist. Neben den Befunden ist ein EU-Passbild erforderlich. Wer kein/e EU-BürgerIn ist, muss auch den Aufenthaltstitel belegen. Der Ärztliche Dienst entscheidet, ob eine Vorladung zur Untersuchung nötig ist oder ob die eingebrachten Akten zur Beurteilung genügen. Die Bearbeitung kann allerdings einige Monate dauern. Im Lauf des Lebens kann sich der GdB verändern!

Vergünstigungen von öffentlicher Seite

Die gewährten Vergünstigungen sollen primär jene finanziellen Belastungen erleichtern, die wesentlich durch die Behinderung mitverursacht werden. Ein Behinderungsstatus befreit daher nicht per se von der KfZ-Steuer oder den Kosten für die Autobahnvignette und garantiert auch keinen Anspruch auf einen sogenannten EuroKey für Toiletten, die Nutzung von Behindertenparkplätzen oder andere Sonderstellungen im Straßenverkehr. Diese Vergünstigungen sind jenen Personen vorbehalten, die – zusätzlich oder ausschließlich – in ihrer Mobilität eingeschränkt oder hochgradig sehbeeinträchtigt sind. Eine schwerwiegende Hörbeeinträchtigung allein ist dafür kein hinreichender Grund! Sie begründet aber die Befreiung vom ORF-Beitrag sowie von der Ökostrompauschale. Informationen dazu auf Befreiungsrechner – ORF Beitrag

Allen Menschen mit Behinderung ab 25 Prozent GdB – beziehungsweise ihren Familien – in Österreich steht ein zusätzlicher, pauschaler Steuerfreibetrag zur Verfügung. Die Pauschale ist im jährlichen Steuerausgleich zu beantragen. Ab 50 Prozent GdB gilt ein höherer Pauschalbetrag. Alternativ zur Pauschale können Betroffene im Jahresausgleich auch konkrete Arztkosten, Rezeptgebühren und Kilometergeld als „außergewöhnliche Belastungen“ absetzen, ebenso alle Kosten für Hilfsmittel, Geräte und sonstige Mehrkosten im Zusammenhang mit der Behinderung. Ob Einzelkosten oder Pauschale vorteilhafter ist, ist im Einzelfall zu entscheiden – die Pauschale ist jedenfalls mit weniger Aufwand verbunden. Bei Kindern ab 50 Prozent GdB kommt zum Steuerabsetzbetrag noch die Erhöhte Familienbeihilfe hinzu, die etwa doppelt so hoch ist wie die normale Familienbeihilfe.

Ist das Einkommen eines/r ArbeitnehmerIn so gering, dass er/sie den zustehenden Steuerfreibetrag nicht nutzen kann, kann der auch ausbezahlt werden: Für 2024 sind Auszahlungen bis maximal 55 Prozent des Sozialversicherungsbeitrags möglich, bei PensionistInnen mehr. Voraussetzung ist, dass diese sogenannte Negativsteuer explizit beantragt wird! Das ist bis maximal fünf Jahre nach Ende des betreffenden Steuerjahrs möglich.

Behindertenpass vereinfacht den Nachweis

Der Behindertenpass ist ein amtlicher Lichtbildausweis in Scheckkartenform für Menschen mit mindestens 50 Prozent GdB. Er enthält neben persönlichen Daten und dem Datum der Ausstellung auch den jeweiligen GdB und den Gültigkeitszeitraum des Passes. Eventuelle Zusatzeintragungen erfolgen auf der Rückseite, oft als Piktogramm. Antrag und Ausstellung sind kostenfrei, der Antrag erfolgt beim Sozialministeriumservice. Dem Antrag sind aber medizinische Befunde und Gutachten beizulegen, die teilweise Kosten verursachen können.

Nicht für jede Vergünstigung wird der Vorweis eines Behindertenpasses gefordert. Dieser Ausweis ist aber die einfachste Art, die Behinderung und sogar den GdB zu belegen. Neben den Vergünstigungen im Steuerrecht gewähren zahlreiche Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen bei Vorlage des Behindertenpasses ermäßigte Preise. Auch andere Anbieter wie zum Beispiel die ÖBB: dort erhalten Betroffene Bahntickets zum halben Preis, allerdings erst ab 70 Prozent GdB. Wird unter den Vergünstigungen auch eine kostenfreie Begleitperson genannt, bedarf es dafür in der Regel des ausdrücklichen Eintrags im Behindertenpass, dass die betroffene Person eine Begleitperson benötigt.

In Österreich kann der Behindertenpass als amtlicher Lichtbildausweis statt eines Personalausweises genutzt werden. Auch wenn der österreichische Behindertenpass auf Deutsch abgefasst und nicht international bindend gültig ist, wird er teilweise trotzdem bei Sehenswürdigkeiten und von Veranstaltern manch anderer Länder anerkannt. Ein zumindest EU-weit verbindlich gültiger Behindertenausweis ist zurzeit in Arbeit.

Bei CIA finden Sie Ansprechpartner mit Erfahrung bezüglich Behindertenpass und Vergünstigungen für Menschen mit Behinderung: kontakt@ci-a.at oder www.ci-a.at. Nützliche Links finden Sie auch auf bei den Tipps zur jeweiligen Altersgruppe.

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