Neues MED-EL Cochlea Implantat-Programm für bessere Klangtreue

2020 hat MED-EL  neben anderen neuen Produkten – ein neues Programm für Cochlea Implantate vorgestellt: das Programm zur Anpassung MAESTRO 9.0. Die Einstellung der Cochlea Implantat-Systeme kann damit gemäß der individuellen Anatomie des jeweiligen Nutzers erfolgen, was die Klangtreue dieser Systeme weiter verbessert 

Fitting: Neues Programm für MED-EL Cochlea Implantate

Klangtreue beim neuen Anpass-Programm für MED-EL Cochlea Implantate

Zahlreiche Studien belegen: Je natürlicher der Klangeindruck eines Cochlea Implantat-Systems ist, desto rascher können Hörerfolge damit erzielt werden und desto besser ist das letztlich erreichbare Sprachverstehen mit dem System. Zusätzlich steigen mit der Klangtreue auch Musikgenuss und Möglichkeit, Schall zu lokalisieren. Besonders für jene Cochlea Implantat-Nutzer, die auf der anderen Seite ein Hörgerät nützen oder auf natürlichem Weg hören, ist die Klangtreue des Cochlea Implantat-Systems wichtig, um die Höreindrücke beider Seiten mit geringster kognitiver Anstrengung optimal implementieren zu können.

Möglich wird diese Klangtreue durch einen möglichst geringen „Place-Frequency-Mismatch“, wie die Fachleute sagen: Die einzelnen Klanganteile müssen möglichst genau dort im Innenohr stimuliert werden, wo der jeweilige Ton auch natürlich gehört würde. Das Stimulationssignal sollte dabei ein möglichst natürliches Nervensignal erzeugen.

Um die Klangtreue seiner Cochlea Implantat-Systeme weiter zu verbessern, hat MED-EL für die aktuellen Systeme die Anatomie-basierte Anpassung, kurz: ABF für „anatomically based fitting“, eingeführt. Dabei wird die Lage der einzelnen Elektrodenkontakte in der Hörschnecke festgestellt, die dort natürlich verortete Tonhöhe eruiert und dem jeweiligen Kontakt zugeordnet.

Grundlage für ABF ist das Ergebnis einer Computertomografie, wie sie oft zur Kontrolle nach der Implantation durchgeführt wird. Sie wird mit der otologischen Planungssoftware OTOPLAN, einer Entwicklung der Schweizer Firma CAScination in Kooperation mit MED-EL, analysiert, in das Anpassprogramm MAESTRO 9.0 übernommen und dort auf die individuelle Einstellung des Cochlea Implantat Audioprozessors umgelegt.

Bessere Zuordnung der Frequenz beim Cochlea Implantat

Bisher wurden die Tonhöhen entsprechend eines logarithmischen Schlüssels auf die einzelnen Kanäle des Cochlea Implantats und damit auf die einzelnen Kontakte der aktiven Elektrode aufgeteilt. Auf diesem Weg kann eine klangtreue Zuordnung erreicht werden, wenn eine Elektrode mit optimal angepasster Länge komplett in eine durchschnittliche Hörschnecke eingeführt werden kann; wenn also einer Stimulation über knapp zwei Windungen oder 630 Grad erreicht wird. Feinstruktur-Signalkodierung – FSP-, FS4- oder FS4-p-Kodierung – in der zweiten Windung perfektioniert den Tonhöheneindruck.

Mit dem CT-Bild, das bei jeder Cochlea Implantation zu den routinemäßigen Voruntersuchungen gehört, und mit OTOPLAN, einem speziellen DICOM-Viewer [1], kann der behandelnde Kliniker die ideale Elektrodenlänge auch für nicht-durchschnittliche Innenohren mit wenigen Klicks bestimmen. Die herkömmliche Frequenzzuordnung stimmt aber einerseits für diese Nutzer nur bedingt. Andererseits ist bei einzelnen Nutzern mit besonders großer Cochlea und besonders tiefer Insertion die Kontaktzuordnung tiefer Frequenzen zwar exzellent, aber der mittlere und hohe Tonbereich ist nur mehr bedingt korrekt zugeordnet.

„Wenn wir wissen, wo genau jede einzelne Elektrode in der Cochlea sitzt, können wir bei jedem einzelnen Nutzer jedem einzelnen Kontakt den exakt passenden Frequenzbereich zuordnen“, erklärt Peter Nopp, Entwicklungsleiter im Bereich Signalkodierung bei MED-EL. Mit der neuesten Version des OTOPLAN ist genau das anhand eines postoperativen CT-Bilds möglich. „OTOPLAN erkennt auf Knopfdruck die tatsächliche Lage jedes Kanals, sowie die dort verortete Frequenz.“

Nebenbei wäre mit OTOPLAN auch erkennbar, wenn eine Elektrode nicht vollständig inseriert sein sollte, sodass ein oder mehrere Kanäle außerhalb der Cochlea liegen und daher deaktiviert werden sollten.

Anatomie-basierte Anpassung ABF für Cochlea Implantate mit MAESTRO 9.0

Die neue MAESTRO-Version kann diese Information von OTOPLAN übernehmen. Nopp erklärt die weitere Vorgehensweise: „Wir verschieben die Frequenzbänder in der Einstellung, um die Abweichungen zwischen zugeordneter und verorteter Frequenz zu minimieren.“ Möglich ist das für die Nutzer aller Typen von MED-EL CIs in Kombination mit den Audioprozessoren SONNET 2 oder RONDO 3.

Bei kurzen Elektroden oder unvollständiger Insertion kann es trotzdem zu Abweichungen kommen: Je kürzer der abgedeckte Bereich der Cochlea, desto größer die Abweichung, besonders für tiefe Frequenzen. Deswegen ist es für eine gute Anpassung mit ABF Voraussetzung, dass die Elektrode zumindest in die zweite Windung der Hörschnecke hineinreicht.

Primär angestrebt wird die ABF zumindest für Frequenzen im Bereich 1000 bis 3000 Hertz, da diese für das Verstehen von Sprache maßgebend sind. Auf die Pegeleinstellung hat die ABF keine Auswirkung, aber manche Frequenzbänder in den tieffrequenten Bereichen können mit ihr breiter ausfallen als bei konventioneller, logarithmischer Frequenzaufteilung: Die Kombination mit einer FineHearing-Signalkodierung FSP, FS4 od. FS4-p ermöglicht auch dort eine gute Tonhöhenauflösung.

Ob erfahrene Cochlea Implantat-Nutzer ihre Einstellung gemäß der ABF ändern lassen möchten, ist natürlich zu überlegen. Nach über 30 Jahren Erfahrung im Bereich CI gibt Peter Nopp zu bedenken: „Erfahrene Nutzer haben sich an ihre Einstellungen der Frequenzbänder schon gewöhnt.“ Gegebenenfalls empfiehlt er, mit einer längeren Eingewöhnungsphase zu rechnen. „Für neue Nutzer versprechen wir uns mit der Anatomie-basierten Anpassung ABF aber eine schnellere Gewöhnung an das Hören mit Cochlea Implantat und damit an einen besseren Nutzen des Systems insgesamt.“

Neue Klangqualität mit dem neuen Programm für MED-EL Cochlea Implantate

Vorläufiger Höhepunkt der langjährigen Entwicklung von Cochlea Implantaten

MED-EL hat immer schon versucht, mit seinen Cochlea Implantat-Systemen möglichst natürliche Höreindrücke zu ermöglichen – basierend auf die jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse des Hörvorgangs. Die erste solche Erkenntnis war jene des ungarischen Biophysikers und Nobelpreisträgers Georg von Bérkésy, dass verschiedene Tonhöhen unterschiedliche Bereiche der Hörschnecke stimulieren: Hohe Töne die sogenannte Basis nahe dem Übergang vom Mittelohr ins Innenohr, tiefe Töne hingegen die Spitze der Hörschnecke, Apex genannt. Darauf aufbauend leitete Donald D. Greenwood 1961 aus den Ergebnissen seiner psychoakustischen Versuche zur Unterscheidung von Tonhöhen eine mathematische Funktion ab, welche die für eine bestimmte Frequenz jeweils zuständige Stelle im Innenohr berechnet. Dieser Bezug fand bereits bei den ersten mehrkanaligen Cochlea Implantaten Umsetzung.

Da diese ersten Cochlea Implantate nur relativ kurze Elektroden verwendeten, wurden anfangs nur Frequenzen ab 500 Hertz in der Cochlea stimuliert. Bereits 1994 stellte MED-EL aber die ersten Cochlea Implantate mit 31 Millimeter langen Elektrode vor, welche die gesamte Länge der Cochlea erreichen und stimulieren können. Später wurde diese Funktion mit der Abkürzung CCC für die englische Umschreibung „Complete Cochlear Coverage“ bezeichnet.

Beim natürlichen Hören sind die Abläufe ab der zweiten Windung der Hörschnecke noch komplexer: Klänge werden hier auch zeitlich aufgeschlüsselt durch den Stimulationsrhythmus. Ein Ton von 110 Hertz löst im Hörnerv 110 Pakete von Aktionspotenzialen pro Sekunde aus, ein Ton mit der Frequenz 440 Hertz triggert 440 Pakete [2]. Seit 2006 bieten MED-EL Cochlea Implantate mit der FineHearing-Technologie exklusiv Kodierungsstrategien an, die diesen Mechanismus nachbildet.

Die exakte Lage der Elektrode in der Cochlea sowie die Abweichung der individuellen von einer typisch ausgebildeten Hörschnecke, konnten lange nur qualitativ durch bildgebende Diagnostik dargestellt, aber nicht in die Einstellung einbezogen werden. Mit OTOPLAN kann vor der Operation die individuelle Cochlea vermessen und die ideale Elektrodenlänge ausgesucht werden. Die neueste Version des OTOPLAN kann im Anschluss an die Implantation auch die exakte Lage der einzelnen Kontakte vermessen und der entsprechenden Tonhöhe zuordnen; das neue MAESTRO 9.0 Programm für Cochlea Implantate kann diese Zuordnung für eine Anatomie-basierte Anpassung der Audioprozessoren SONNET 2 und RONDO 3 übernehmen.

Weitere Verbesserungen beim neuen Programm für MED-EL Cochlea Implantate MAESTRO 9.0

Mehr als 70 Neuerungen wurden in das neue Anpassprogramm MAESTRO 9.0 implementiert: Verbesserte Abläufe oder übersichtlichere Darstellungen – die meisten davon sind vor allem für jene Fachleute hilfreich, die direkt mit dem Programm arbeiten. Einige Neuerungen sind aber direkte Verbesserungen für die Cochlea Implantat-Nutzer selbst. So eine neue Testmöglichkeit der Mikrofone des SONNET 2 und RONDO 3: Bei jedem Anpasstermin kann überprüft werden, ob beide Mikrofone im jeweiligen Audioprozessor gut und gleichmäßig arbeiten. Wichtig ist das bei jungen Cochlea Implantat-Nutzern, die Veränderungen beim Hören noch nicht gut ansprechen können. Der Vergleich beider Mikrofone stellt aber auch sicher, dass die Schallaufnahme weiterhin in die erwünschte Richtung fokussiert.

Beim direkten Audioeingang DAI, der auch für FM-Systeme genutzt wird, und bei der Telespule zur Aufnahme von Audiosignalen via Induktion ermöglichen zusätzliche Einstellmöglichkeiten einen verbesserten Abgleich der einzelnen Audioeingänge aufeinander. Der neue Audioprozessor RONDO 3 ist mit einem fix eingebauten Akku ausgestattet: Er kann mit der MAESTRO 9.0 getestet werden. So kann ein Servicetermin vereinbart werden, bevor reduzierte Funktionsdauer den Alltag des Nutzers beeinträchtigt.

Die Audioprozessoren selbst beinhalten einen Prozessor, einen „Mini-Computer“. Durch kleine Änderungen in der Programmierung dieses Prozessors können zukünftige Erkenntnisse und Verbesserungen mitunter auch mit Prozessoren genutzt werden, die jetzt bereits in Verwendung sind. Für SONNET 2 und RONDO 3 bietet MAESTRO 9.0 die Möglichkeit, solche Aktualisierungen einfach beim nächsten Anpasstermin zu übernehmen – bei anderen Audioprozessoren ist das wie bisher im Rahmen eines technischen Service möglich.

Die umfangreichsten Weiterentwicklungen, die mit dem MAESTRO 9.0 verfügbar wurden, sind aber die Möglichkeiten zur Anatomie-basierten Anpassung ABF und zur bimodalen Anpassung.

Weitere Informationen zum neuen Programm für MED-EL Cochlea Implantate finden Sie auf www.medel.com.


[1] System zur Anzeige digitaler Untersuchungsbilder
[2] Details dazu auf https://blog.medel.pro/de/tonotopische-kodierung-und-zeitliche-feinstrukturkodierung-beides-ist-wichtig/

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