Welchen Einfluss die Bildschirmzeit von Müttern auf die Sprachentwicklung ihrer Kinder hat
Übermäßige Nutzung von Smartphone und co durch die Mütter von Kleinkindern beeinträchtigt unter anderem die sprachliche und kommunikative Entwicklung betroffener Kinder.
Früher war es der Fernseher, heute haben sich ihm zahlreiche Geräte bis hin zum Smartphone zugesellt, die uns faktisch immer und überall begleiten: Nicht wenige Eltern bejammern übermäßigen Social Media Konsum ihrer Kinder – manche davon, ohne die eigene Vorbildwirkung zu beachten.
Kinder beobachten ihre Eltern, wie diese ihre Aufmerksamkeit weder auf Mitmenschen und reales Umfeld noch auf Buch oder Zeitung lenken. Stattdessen konzentrieren sich immer mehr Erwachsene auch während der Betreuung von Kindern und Kleinkindern über relativ lange Zeitphasen hinweg auf eines jener kleinen oder größeren Elektronikkästchen.
Eine Untersuchung aus Finnland zeigt nun, dass übermäßiger Konsum elektronischer Medien neben anderen Effekten auch die Sprach- und Kommunikationsentwicklung der betreuten Kinder hemmt. Untersucht wurde dabei die Entwicklung normalhörender Kinder ohne besonderen Förderbedarf. Die mögliche Auswirkung auf hörbeeinträchtigte Kinder, die einen erhöhten Förderbedarf im sprachlich-kommunikativen Bereich aufweisen, kann vermutet werden.
Wissenschaftliche Daten zur schädlichen Wirkung von Handykonsum
Es gibt verschiedene Studien zur Auswirkung von Medienmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen. Beim Kongress der Europäischen Gesellschaft für Sprech- und Sprachkrankheiten ESLA im Mai 2022 in Salzburg präsentierten Riikka Mustonen, MA und ihre Kolleginnen von der Universität für Psychologie und Logopädie in Helsinki Studienergebnisse, denen zufolge Eltern von Kleinkindern auch die eigenen Bildschirmzeiten möglichst kurzhalten sollten!
Die Daten aus Finnland zeigen: Wenn eine Mutter sich länger mit dem Smartphone oder Tablet, dem Computer, der Spielkonsole oder dem Fernseher beschäftigt, wird ihr Kind einen kleineren Wortschatz entwickeln sowie geringere allgemeine Sprachfähigkeiten. Die Ursache ist zweierlei: Die Zeit vor dem Bildschirm reduziert jene Zeit, welche das Kind am Leben der Mutter teilhaben kann. Zusätzlich bleibt der Mutter weniger Möglichkeit, mit dem Kind über Themen zu sprechen, welche für das Kind selbst interessant erscheinen.
„In diesen Beitrag haben wir zwar nur Mütter eingeschlossen. Es wäre aber definitiv interessant, auch die Bildschirmzeit von Vätern zu untersuchen“, merkt Mustonen an.
„Technoferenz“ – ein neues Phänomen
Auch vor der Verbreitung von Smartphone und Tablet gab es Eltern, die sich nur wenig oder quasi nebenbei mit ihren Kindern beschäftigten. „Aber gerade Handys sind so einfach überall mit dabei. Und alles läuft heute über das Internet: von den Nachrichten bis zum Einkauf“, gibt die Wissenschaftlerin zu bedenken. „Darüber hinaus kann das Kind normalerweise nicht sehen, was die Mutter mit ihrem Telefon macht – im Gegensatz dazu, wenn die Mutter eine Zeitschrift liest oder Essen zubereitet. Das Telefon lässt das Kind daher mehr als Außenseiter zurück, als das bei anderen Tätigkeiten der Mutter im realen Leben der Fall ist.“
Die Unterbrechung einer Tätigkeit durch Kommunikationstechnik wird als Technoferenz bezeichnet: Jener Moment zum Beispiel, wenn ein Elternteil mit dem Kind spielt und plötzlich auf das Telefon blickt. Die internationale Studie eines Technologieanbieters[1] an mehr als 6000 Kindern zwischen acht und 13 Jahren zeigte, dass mehr als ein Drittel der Kinder sich unwichtig fühlt, wenn ihre Eltern während der gemeinsamen Mahlzeit oder des Gesprächs zum Mobiltelefon greifen.[2] Auswirkungen auf seelisches Wohlbefinden und kindliche Entwicklung sind naheliegend; inklusive der sprachlichen Entwicklung.
Effekt bei hörbeeinträchtigten Kindern voraussichtlich noch deutlicher
Die in der Studie in Finnland betrachteten Kinder waren durchwegs normalhörend, normal entwickelt und unauffällig. „Für Kinder mit Hörbeeinträchtigung könnten Technoferenz und die damit verbundene plötzliche Unterbrechung der Interaktion noch schädlicher sein: Sie benötigen Augenkontakt und Zeit für Kommunikation. Kinder, die Förderung zur Kommunikation benötigen, profitieren besonders, wenn die Erwachsenen ihre Bildschirmgeräte fernhalten, während sie mit den Kindern beisammen sind.“
Betrachtet wurden in der Studie nicht nur Bildschirmzeiten der Mütter für Unterhaltung, Spiel und Online-Kommunikation, sondern auch die Bildschirmnutzung für Arbeit und Studium sowie für Online-Einkäufe. „Ich denke, dass das aus Sicht des Kindes keine Rolle spielt“, erläutert Mustonen. Sie räumt zwar ein, dass ein Elternteil meist sowieso in der Arbeit und damit abwesend sei. „Andererseits könnte ein Elternteil arbeitsbezogene E-Mails vom Telefon aus auch dann abrufen, wenn er gerade mit seinem Kind spielt. Deswegen wollten wir den Effekt der gesamten Bildschirmzeit untersuchen – weil es nicht immer einfach ist, das zu trennen.“
Die Untersuchung ist Teil einer umfangreichen Studie zur Entwicklung der Kommunikationsfähigkeit bei Kindern. Daten von 159 Müttern und deren Kindern im Alter zwischen zweieinhalb und vier Jahren wurden dabei ausgewertet.
[1] AVG Technology
[2] https://www.herfamily.ie/parenting/study-shows-kids-feel-unimportant-to-mobile-phone-addicted-parents-244767
Auch auf die Väter kommt es an!
Die Rollenverteilung von Vater und Mutter hat sich in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren verändert. Bei der Förderung hörbeeinträchtigter Kinder werden die Stärken der Väter aber immer noch zu wenig genützt.
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