Nachhaltigkeit – für viele ein absolutes Muss, für andere nur ein Modewort. Die Umwelt zu schützen und vor Verseuchungen zu bewahren, das betrifft auch Nutzer von Hörimplantaten.
Ende Oktober. Helle Aufregung im CIA-Büro. Auslöser ist eine E-Mail: „Ich muss feststellen, dass die neuen quecksilberfreien Batterien zirka sechs Stunden weniger lange halten! Ich habe zwei Monate lang Buch geführt: immer das gleiche Ergebnis!“ Die Batterien bilden quasi den Lebenssaft der Hörimplantate. Wenn dieser Saft dünner wird, schrillen beim CIA als Interessensvertretung der Implantat-Nutzer naturgemäß die Alarmglocken! Speziell wenn die Mail von einem erfahrenen CI-Nutzer wie Manfred Neumann stammt.
Das Gefühl und die Daten
Kontrollfreak ist der ehemalige Prokurist nicht. Vielmehr war er lange Jahre gewissenhafter CIA-Kassier. So exakt er damals die Finanzen führte, so verlässlich verzeichnet er im Kalender jeden Batteriewechsel bei seinem Audioprozessor. Normalerweise war es das dann auch schon. Doch heuer hatte er das Gefühl, dass er häufiger Batterien nachkaufen musste als üblich. Ein Blick in die Aufzeichnungen bestätigte: Die Batterien müssen nun öfter gewechselt werden.
Verschiedene Einflüsse können einen häufigeren Batteriewechsel verursachen: angefangen von schlechter Lagerung oder längerer täglicher Nutzungsdauer, über zusätzlichen Energieverbrauch – beispielsweise durch die Nutzung eines FM-Systems – bis hin zu Defekten am Hörsystem selbst. Die zur Verfügung stehende Energiemenge ist vom Batterietyp abhängig – und den hat Manfred Neumann Anfang des Jahres zwangsweise gewechselt.
Nicht eine Spur!
Seit Oktober 2015 dürfen in der EU keine quecksilberhaltigen Batterien verkauft werden. Deswegen mussten auch CIA-Mitglieder den Batterietyp wechseln. Bis zum Quecksilberverbot war es ein langer Weg:
Früher versorgten Quecksilberoxid-Batterien Hörgeräte mit Energie. Ein Problem für die Umwelt war das Quecksilber, das diese Batterien nach der Energieentnahme enthielten. Die daher Quecksilber-Batterien genannten Zellen sind seit 1996 verboten.
Zink-Luft-Batterien ersetzten die Quecksilber-Batterien bei Hörgeräten. Für Hörimplantate sind Zink-Luft-Batterien besser geeignet, weil sie höhere Energiemengen speichern und höheren Strom abgeben können. Man spricht von hoher Energiedichte und flacher Entladekurve.
Spannungen von maximal 1,65 Volt entstehen bei der Zink-Luft Batterie aufgrund einer Zink-Sauerstoff-Reaktion. Um die Kompatibilität zu Quecksilber-Zink-Batterien zu gewährleisten, wird die Luftzufuhr begrenzt und die Spannung so auf 1,35 bis 1,4 Volt reduziert. Während der Lagerung werden die Luftlöcher am Pluspol mit einer Schutzfolie abgeklebt. Je nach Typ und Hersteller beginnt die Stromabgabe mehrere Sekunden bis wenige Minuten nachdem die Schutzfolie abgezogen wurde.
Spuren von Quecksilber waren bei Zink-Luft Batterien für die elektrochemische Stabilität im Inneren der Batterie notwendig. Der Quecksilberanteil wurde über die Jahre reduziert: Zuletzt war er gesetzlich auf maximal zwei Prozent vom Gesamtgewicht der Batterie beschränkt. Mit Oktober 2015 sank diese Grenze in der EU auf null Prozent – in Teilen der USA ist das schon seit 2011 der Fall. Die Industrie hat rechtzeitig quecksilberfreie Batterien auf den Markt gebracht, die laut Datenblatt idente Kennwerte aufweisen.
„Als wir 2011 erstmals Tests mit quecksilberfreien Batterien durchführten, wiesen die Produkte aller Hersteller etwa 20 Prozent kürzere Lebensdauer auf als vergleichbare Batterien mit Quecksilberspuren. Mittlerweile konnten die meisten Hersteller die Qualität angleichen, sodass in den Testreihen zuletzt nur vernachlässigbare Unterschiede zwischen quecksilberfreien und quecksilberhältigen Zink-Luft Batterien zu verzeichnen waren“, beruhigt Ing. Helmut Bosetti MBA, Produktmanager bei MED-EL Innsbruck. „Erfahrungen über fünf Jahre hinaus fehlen uns freilich noch, da könnten eventuell geringe Fluktuationen auftreten. Aber auch auf Nachfrage sind bisher keine diesbezüglichen Rückmeldungen aus den USA eingetroffen, wo die CI-Nutzer ihre Systeme ja schon länger mit quecksilberfreien Batterien betreiben.“
Giftige Fische – Gift für die Nerven
Grund für die Verbannung von Quecksilber war seine Gefährlichkeit. Der Begriff Quecksilber bedeutet lebendiges Silber. Wenngleich dieses Schwermetall lebendig wirken mag, ist es nicht lebensspendend, sondern lebensbedrohend. Laut GLOBAL 2000 reicht ein Milligramm Quecksilber, um über 5.000 Liter Trinkwasser zu vergiften.
Mitte der 1950er-Jahre starben etwa 3.000 Menschen in Minamata in Japan an einer schleichenden Quecksilbervergiftung, die seither Minamata-Erkrankung genannt wird; geschätzte 17.000 Menschen sollen damals gesundheitlich geschädigt worden sein. Quecksilber greift das zentrale Nervensystem an, und gefährdet so Gesundheit und Leben. Auslöser in Minamata waren quecksilberhaltige Abwasser eines Chemiekonzerns, die über Trinkwasser und Fische in die Nahrungskette gelangten.
Quecksilber ist auch sehr beständig: Einmal freigesetzt, wird es über Luft, Wasser, Nahrung und in Produkten weit verbreitet. Neben natürlichen Ursachen für Quecksilberbelastung emittieren jährlich allein Kohlekraftwerke etwa 810 Tonnen Quecksilber. Für Zahnamalgam wurden in der EU 2007 etwa 100 Tonnen Quecksilber eingesetzt – die irgendwann auch wieder freigesetzt werden.
Die Quecksilberbelastung durch Hörgerätebatterien erscheint im Vergleich unbedeutend: Laut eines Artikels im Fachmagazin „Hörakustik“ im Jahr 2013 werden jährlich 1,2 Milliarden Hörgerätebatterien produziert. Dabei würden weltweit jährlich 12 Tonnen Quecksilber verwendet, wird Rayovac-Vizepräsident Vince Armitage zitiert. Auf Anfrage erklärt das Umweltbundesamt dazu: „Damit die Quecksilbereinträge in die Umwelt nachhaltig reduziert werden können, ist es erforderlich, alle Einträge zu reduzieren, auch wenn diese anteilsmäßig gering sind. Insbesondere Batterien stellen durch die weitverbreitete Verwendung und häufig unsachgemäße Entsorgung ein Problem dar, das durch das Verbot gelöst werden soll.“
Alternativen in Entwicklung
Andere Batterietechnologien als Zink-Luft Batterien können nicht als gleichwertige Alternativen eingesetzt werden: Alkaline- oder Silberoxyd-Batterien bieten mit acht bis zwölf Stunden Batterielebenszeit deutlich geringere Energiemengen und sind insgesamt teurer. Für die Zukunft entwickeln Batteriehersteller laufend an neuen Technologien auch für Zink-Luft Batterien – Druck macht die Hörgeräteindustrie, die in immer kleineren Bauformen mehr Features anbietet und deswegen leistungsstärkere Batterien fordert. Von diesem Druck auf die Batteriehersteller profitieren auch Nutzer von Implantat-Systemen.
Waschmaschinen verfügen häufig über einen Energiesparmodus. Dabei wird bei reduzierter Temperatur gewaschen, was für die Wäsche „zwischendurch“ genügt. Allerdings wird im Energiesparmodus nicht die volle Waschleistung erreicht, sodass Weißwäsche mit der Zeit „eingrauen“ kann. Auch bei manchen Audioprozessoren wird ein solcher Energiesparmodus angeboten. Der österreichische Hersteller MED-EL geht diesbezüglich keine Kompromisse ein, denn auch bei den Audioprozessoren geht ein Energiesparmodus auf Kosten der Qualität: der Klang- und Sprachqualität. Dazu DI Ewald Thurner, Area Manager von MED-EL Wien: „Sparen im Sinn von die Qualität von Sinneseindrücken zu reduzieren, stellt aus unserer Sicht eine für den Nutzer unzumutbare Vorgehensweise dar – Hören ist ein Sinn, der 24 Stunden täglich zur Verfügung steht. Weiters korreliert unsere Sprache und die Deutlichkeit unserer Aussprache direkt mit der Qualität des Hörens.“
„Wir waren mit der Neuregelung in einigen Staaten der USA im Jahr 2011 erstmals mit quecksilberfreien Batterietypen konfrontiert und haben das zum Anlass genommen, uns für eine globale Umstellung auf diese Technologie vorzubereiten“, erklärt Produktverantwortlicher Helmut Bosetti von MED-EL Innsbruck. So wurde bereits 2010 die D-Spule eingeführt, die im Vergleich zur vorherigen Spule um etwa 50 Prozent weniger Strom benötigt – das führt üblicherweise zu einer Verlängerung der Batterielebensdauer um 30 Prozent. Die brandneue DL-Spule hält diese Werte, obwohl sie zusätzliche Features bietet.
Die herkömmlichen OPUS 2-Systeme können alternativ zu den Einwegbatterien auch mit dem bereits bewährten DaCapo Akku-System betrieben werden. Seit Mai 2016 steht auch für den neuen SONNET eine Auswahl an Akkus zur Verfügung. Genaue Infos dazu geben die Techniker der Firma, die Homepage www.medel.com und die Homepage des Zentrums Hören www.zentrum-hoeren.at.
Quelle: www.chemie.de, Magazin HÖRAKUSTIK 08/2013: Sonderteil Batterien und Akkus, GLOBAL 2000, Umweltbundesamt, MED-EL