In der Schule gut mitkommen kann nur, wer im Unterricht gut hören kann. Dazu sind auch Kinder und Jugendliche mit Hörbeeinträchtigung, die mit einem Hörimplantat versorgt wurden und eine Regelschule besuchen, durchaus in der Lage – wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
„Je früher ein hörbeeinträchtigtes Kind eine Hörhilfe erhält, desto besser entwickelt sich das Sprachverständnis“, erläutert Prof. Dr. med. Joachim Müller, Klinikum der Universität München, Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde. „Durch eine frühe Versorgung im Kleinkindalter wird die auf Hören gestützte Sprachentwicklung positiv gefördert. Später trägt ein gutes Hör- und Sprachverständnis unter anderem dazu bei, in der Schule besser mithalten zu können und weitere gegebenfalls notwendige (technische und unterrichtsgestalterische) Hilfen besser einsetzen zu können.“
Diese Erfahrung hat auch Nicolas gemacht. Der 10-Jährige, der seit seinem zweiten Lebensjahr beidseitig implantiert ist, besucht eine Regelschule und kommt gut zurecht. „Nicolas hat bis jetzt keine Schwierigkeiten in der Schule gehabt. Allerdings ist es wichtig, von Anfang an die Lehrer über Hörverlust und Hörimplantate aufzuklären. Denn viele sind damit noch nie in Berührung gekommen“, erklärt Nicolas‘ Mutter, Florentine. „Wir gehen sehr offen mit dem Thema um, tauschen uns mit den Lehrern aus und organisieren Informationstage für die Mitschüler.“
Störgeräusche im Klassenzimmer reduzieren
Damit ein Kind mit Hörverlust und Hörimplantat bestmöglich hört, ist es wichtig, das Klassenzimmer so zu gestalten, dass es eine möglichst kurze Nachhallzeit und wenig Störschallquellen aufweist. Schallisolierende Decken verkürzen die Nachhallzeit, Vorhänge und Gardinen absorbieren den Schall. Das betroffene Kind sollte möglichst weit vorne im Klassenzimmer sitzen, um direkten Blickkontakt zum Lehrer und zu den Klassenkameraden zu haben. Ein Drehstuhl macht es dem Kind leichter, sich schnell der Geräuschquelle zuzuwenden. Störgeräusche der Stühle können durch Gummiaufsätze an den Stuhlbeinen oder auch Teppichböden reduziert werden. Des Weiteren sind ein ruhiger Sitznachbar und eine möglichst weite Entfernung zu lauteren Mitschülern von Vorteil. Hilfreich ist auch der Einsatz eines FM-Systems – hierbei übermittelt ein Miniatursender die Stimme des Lehrers direkt an den Audioprozessor des Kindes und vereinfacht so das Verstehen bei lauter Geräuschkulisse erheblich.
Didaktische Maßnahmen im Unterricht
Unverzichtbar ist für Kinder mit Hörbeeinträchtigung die didaktische Unterstützung des Lehrers: Er sollte rhythmisch und klar sprechen und Inhalte verstärkt visualisieren, zum Beispiel per Overheadprojektor oder Beamer. Eine große Hilfe ist auch, wenn Themen an der Tafel angekündigt und Hausaufgaben sowie wichtige Termine angeschrieben werden. Beim Einsatz von Tonträgern sollte der Lehrer dem Kind den Text zum Mitlesen geben, bei Filmen den Inhalt kurz vorher erläutern. Zudem ist es für das betroffene Kind eine Stütze, wenn der Lehrer es dazu ermuntert, Fragen zu stellen und das Gesagte mit eigenen Worten zu wiederholen.
Nachteilsausgleich bei Schulaufgaben und Prüfungen
Auch vor Schulaufgaben und Prüfungen müssen Schüler mit Hörbeeinträchtigungen keine Angst haben. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich sind die Ansprüche auf einen sogenannten Nachteilsausgleich gesetzlich festgeschrieben. Das im deutschen Grundgesetz verbriefte Recht, „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ (GG Art.3, Absatz 3, Satz 3) wird in den Landesschulgesetzen und den Ausführungsbestimmungen entsprechend umgesetzt. Maßnahmen eines Nachteilsausgleichs können sein: die Abänderung oder Streichung von Prüfungsteilen (Hörverständnistests), schriftliche Ergänzungen oder Ersatz mündlicher Prüfungen, Zeitverlängerungen sowie gegebenenfalls der Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern. In Österreich ist der integrative Unterricht für hörbeeinträchtigte Kinder als Wahlmöglichkeit zur Sonderschule seit 1993 im Schulorganisationsgesetz verankert. Wichtige Bestimmungen für den Nachteilsausgleich wurden darin festgelegt, wie etwa verlängerte Arbeitszeit bei Schularbeiten, Lese- statt Hörübungen bei fremdsprachlichen Schularbeiten, Verwendung von speziellen Arbeitsmitteln (z.B. Bedeutungswörterbuch), Präsentationen, Projekte oder gestalterische Zusatzaufgaben statt mündlicher Prüfung sowie Anwesenheit eines Hörgeschädigten-Pädagogen bei Abschlussprüfungen.
Auch Nicolas erhält in der Schule Unterstützung, um gegenüber seinen Mitschülern kein Nachteile zu haben. Im Fach Musik hat Nicolas zum Beispiel immer die Wahl, bei Liedkontrollen – Vorsingen – den Text aufzusagen oder das Lied vorzusingen. Auch wenn er sich meistens für das Vorsingen entscheidet, wird ihm keine Note für die Melodiesicherheit gegeben. Auch bei den Klassenarbeiten kann er mehr Zeit einfordern, wenn er diese benötigt. „Nicolas wird ebenfalls von einer Sonderpädagogin unterstützt, die sich zusätzlich eine Stunde pro Woche um ihn kümmert“, erläutert Florentine. „Sie bearbeitet mit ihm zusammen im Einzelunterricht schwierigere Themen in Mathematik oder Heimat- und Sachkunde. Das ist für Nicolas eine große Stütze, denn er kann explizit Fragen stellen.“