WeltWegWeiser ist eine Servicestelle für internationale Freiwilligeneinsätze. 2017 wurde dort ein Projekt zur Förderung inklusiver Einsätze gestartet.
Auslandsaufenthalte fördern die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen, Freiwilligeneinsatz geht darüber hinaus. „Wir meinen mit Freiwilligeneinsatz konkret die ehrenamtliche Mitarbeit in einem Projekt mit Schwerpunkt Soziales, Menschenrechte oder Entwicklung, vor allem in Ländern des Globalen Südens“, erklärt Kristofer Lengert von WeltWegWeiser.
Eine Vielzahl von Vereinigungen, konfessioneller und konfessionsfreier Trägerorganisationen entsendet Interessierte zu solchen Projekten. Die Einsatzländer variieren ebenso wie Schwerpunkt und Art der Einsätze: Von der Mitarbeit an einer Schule oder bei der Kinderbetreuung, über Hilfe in der Landwirtschaft oder in einer Suppenküche, bis zur Betreuung Obdachloser oder der Unterstützung medizinischer Versorgung; aber auch Administratives, Organisatorisches oder Informations- und Aufklärungsarbeit. Auch das Abhalten von Computer- oder Handwerkskursen ist möglich, sowie Gedenk- und Friedensdienst. Manche Einsätze können sogar als Auslandspraktikum oder Zivildienstersatz angerechnet werden.
Vom Helfen zum Teilen
„Ich kam mit einer anderen Vorstellung von der Welt zurück.“ Lengert wollte damals bei seinem eigenen Einsatz in Kolumbien die Verbesserung der dortigen Menschenrechtssituation vorantreiben. „Während des Einsatzes hat sich für mich etwas verändert: Ich war nicht mehr dort, um zu helfen, sondern um zu teilen.“ Heute ist er Fachreferent für Qualitätssicherung und Inklusion bei WeltWegWeiser. „Freiwillige, die selbst oft noch keine Berufserfahrung haben, stoßen im Einsatzland meist auf Organisationen mit jahrzehntelanger Erfahrung in dem Bereich, in dem sie sich bewegen. Die Freiwilligen sollen die Organisation im Einsatzland unterstützen, aber keine Arbeitskräfte vor Ort ersetzen!“
Im letzten Jahr waren Österreicher in 73 Ländern weltweit im Einsatz. WeltWegWeiser selbst entsendet keine Freiwilligen, sondern versteht sich als neutrale Beratungsstelle sowohl für Freiwillige, als auch für Entsendeorganisationen. „Wenn wir Freiwillige beraten, sehen wir uns genau an: Für welche Aufgaben und welche Region interessieren sie sich, und was motiviert sie? Dann finden wir für sie die passende Entsendeorganisation.“ Zu den zwanzig Partnern von WeltWegWeiser zählen Dreikönigs-Aktion, Caritas oder Grenzenlos, aber auch viele kleine Organisationen.
Als das Projekt kürzlich neu aufgelegt wurde, wurde Inklusion bewusst thematisiert. Über barrierefreie Kommunikation hinausgehend, werden Konzepte für barrierefreie Einsätze entwickelt. Für Menschen mit Behinderung war es bisher schwierig und umständlich, als Freiwillige aktiv zu werden – das soll sich ändern.
Inklusion auf beiden Seiten
Barrierefreiheit und gleiche Chancen für behinderte Bürger sind in Österreich immer noch keine Selbstverständlichkeit, aber doch gesetzlich gefordert und gesellschaftlich erstrebt. „In Kamerun haben Menschen mit Behinderungen keine gute gesellschaftliche Stellung. Die hörbeeinträchtigten Schüler und Lehrer wurden außerhalb der Schule oft nicht ernst genommen“, weiß der Deutsche Till Mutschler, der an der Gehörlosenschule in Buea in Kamerun im Einsatz war. „Ich selbst wurde zuerst einmal als weißer Europäer wahrgenommen – die Besonderheit meiner Hörgeräte war eher ein tertiäres Merkmal, das oft erst bei längeren Kontakten thematisiert wurde.“
Mutschler war unterwegs für Behinderung und EntwicklungsZusammenarbeit e.V. – bezev unterstützt Projekte, welche das Leben von Menschen mit Behinderung in Entwicklungsländern verbessern sollen – ursprünglich durch Freiwillige ohne Behinderung. Die Einbindung tauber Freiwilliger entstand 2009 durch die Initiative der gehörlosen Hamburgerin Marlene Bayer, die als Freiwillige an einer Gehörlosenschule in Afrika arbeiten wollte.
Seither entsendet bezev regelmäßig hörbeeinträchtigte und gehörlose Freiwillige. „Häufig äußern Freiwillige mit Beeinträchtigung den Wunsch, an Projekten von und für Menschen mit ähnlichen Beeinträchtigungen mitzuarbeiten“, erklärt Franziska Koch, Projektorganisatorin für inklusive Volontariate bei bezev. Das persönliche Interesse der Freiwilligen treffe auf eine einfachere und kostengünstigere Organisation des Aufenthalts, wenn dort schon Menschen mit ähnlichen Bedürfnissen leben.
„In Kamerun sind Hörgeräteakustiker noch eine seltene Branche“, erzählt der Berliner Mutschler. Seine Hörgeräte waren für die Schüler entsprechend interessant: „Sie haben gefragt, ob die auch ein Radio eingebaut haben und ob man damit telefonieren kann wie ein Agent oder so.“
Von Europa in die weite Welt
„Menschen, die besondere Rücksichtnahme brauchen, können viel geben – auch den selbstbewussten Umgang mit der eigenen Beeinträchtigung“, weiß Kristofer Lengert. „Das wichtigste Anliegen des Freiwilligeneinsatzes ist es, voneinander zu lernen.“ Der Fachreferent in Wien versichert: „Im Rahmen des Pilotprojekts haben wir Entsendeorganisationen gefunden, die Expertise in der Ausgestaltung inklusiver Freiwilligeneinsätze mitbringen. Deren Partner in den Einsatzländern haben die nötige Erfahrung, wie man sich mit bestimmten Beeinträchtigungen dort bewegen kann.“
In Österreich machten Grenzenlos und Internationaler Freiwilligeneinsatz schon Erfahrungen mit Freiwilligen mit Behinderung, bevor das Pilotprojekts bei WeltWegWeiser startete. „Mit diesen Partnern versuchen wir, die Strukturen weiter zu verbessern.“ Jetzt sind auch andere Partnerorganisationen bereit, auf Anfrage Freiwillige mit Behinderung zu entsenden. Auch Grenzenlos konnte sein inklusives Spektrum erweitern: Bisher war das Einsatzgebiet Freiwilliger mit Behinderung faktisch auf Europa begrenzt – hier kann die Organisation auf Förderungen zugreifen, um Mehrkosten zu decken, die durch die Behinderung entstehenden. Nun übernimmt bei internationalen Einsätzen WeltWegWeiser diese Mehrkosten weitgehend, womit auch außereuropäische Einsätze möglich werden.
Manchmal sind die Hürden für behinderte Freiwillige aber nicht finanzieller Natur: Etwa wenn für Medikamente die Kassenbewilligung für ein ganzes Jahr im Voraus nötig ist, für Hilfsmittel eine Einfuhrerlaubnis im Einsatzland fehlt oder für Pharmazeutika eine gekühlte Lagermöglichkeit am Einsatzort sichergestellt werden muss.
Über alltägliche Probleme und Mutmacher
Die Niederösterreicherin Sabrina Divjak war mit auditiven Wahrnehmungsstörungen betroffen als Freiwillige in Neuseeland: „Neuseeländer sind so offen Ausländern gegenüber – dadurch haben sie generell keine Probleme mit Menschen, die ‚anders‘ sind.“ „Die meisten Gesprächspartner sind davon ausgegangen, dass ich sie schlecht verstehe. Das bezog sich weniger auf meine gut sichtbaren Hörgeräte, sondern darauf, dass ich offensichtlich Ausländer war“, scherzt auch Mutschler über seine Erfahrungen in Afrika.
Während Lengert von WeltWegWeiser Kommunikationsprobleme schon wegen der sprachlichen Barrieren beim Freiwilligeneinsatz als alltäglich betrachtet, werden medizinische oder technische Notwendigkeiten schon bei der Planung berücksichtigt. „Die Partner, an die wir vermitteln, können hervorragend mit Behinderungen umgehen. Das wichtigste sollte nicht die Beeinträchtigung sein, die der oder die Freiwillige hat, sondern seine oder ihre Motivation. Unser Inklusionsprojekt möchte nicht nur die nötigen Strukturen verbessern, sondern auch Mut machen: Wenn man wirklich einen Freiwilligeneinsatz in ein Land des Globalen Südens machen möchte, dann werden wir das unterstützen.“
Der damals 28-jährige Mutschler hatte bis zuletzt gezweifelt, ob er es schaffen würde: „Es gab eine Menge Aufgaben vor der Abreise zu bewältigen.“ An eventuelle Probleme mit seinen Hörgeräten während seines Einsatzes hatte er ursprünglich gar nicht gedacht. „Aber meine Kontaktperson bei bezev war sehr aufmerksam und hat mir da Tipps geben können. Ich hatte genug Batterien für ein Jahr dabei, und außerdem mein altes Hörgerät als Ersatz.“
In Österreich hilft WeltWegWeiser bei der Suche nach einer passenden Entsendeorganisation und einem passenden Projekt. Wenn die Versicherungsprämie krankheitsbedingt höherer ist, der Einbau einer Rampe beim Projektpartner notwendig scheint oder wenn es um die Finanzierung von Hörgerätebatterien oder eines Gebärdendolmetschers geht – wenn Mehrkosten aufgrund der Behinderung im Rahmen bleiben, kann WeltWegWeiser sie übernehmen.
Kein Volontariats-Tourismus
„Jetzt geht es nur noch um Namen oder Daten“, erklärt Sabrina Divjak die Auswirkungen ihrer Wahrnehmungsstörungen. In der Kindheit konnte es schon passieren, dass ihre Mutter sie zum Zähneputzen schickte und sie dann mehrmals zwischen Zimmer und Bad hin- und her lief, weil sie immer wieder vergaß, was sie im Bad tun sollte. Das hatte auch Auswirkungen auf den schulischen Sprachunterricht. „Angeblich soll Englisch lernen für mich so schwierig sein, wie für andere Chinesisch.“ Sie wollte in Neuseeland ihr Englisch verbessern.
Freiwilligeneinsätze können Sprachkenntnisse verbessern und interkulturelles Verständnis fördern, wie das auch Auslandssemester oder klassischer interkultureller Austausch tun. Kristofer Lengert von WeltWegWeiser ist die Unterscheidung aber wichtig, auch zu bezahlten Aufenthalten bei Kurzzeit-Volontariaten und Work-and-Travel-Angeboten. „Wir möchten uns gegen Angebote des Volontariats-Tourismus abzugrenzen. Schwerpunkt ist bei uns stets die partnerschaftliche Mitarbeit an einem Projekt, bei dem es um die Verbesserung der Lebensumstände vor Ort geht.“ Im Gegensatz zu langjährigen Einsätzen in der Entwicklungshilfe dauern Freiwilligeneinsätze nur zwischen drei und zwölf Monate. Am Inklusionsbereich werden Einsätze sogar dann unterstützt, wenn drei Monate nicht in voller Länge möglich scheinen.
Auch wenn WeltWegWeiser behinderungsbedingte Mehrkosten abfängt, fallen für Freiwillige letztlich Kosten an. Die können unterschiedlich ausfallen, beschränken sich aber stets auf unmittelbar mit dem Einsatz verbundene Spesen: Versicherung, Flug, Aufenthalt und Verpflegung. Bei vielen Projekten können die Kosten durch Förderungen reduziert werden.
Bild: © WeltWegWeiser