Wenn ein Schüler ein Cochlea-Implantat trägt, brauchen auch die Lehrpersonen Informationen und Tipps: Wie kann die Schule das Kind bestmöglich unterstützen? Worauf soll im Unterricht geachtet werden? Was können Eltern tun? Mag. Karin Jelinek ist Deutschprofessorin am Bundesrealgymnasium Krottenbachstraße im 19. Wiener Gemeindebezirk und Vertrauenslehrerin für ihren Schüler Emil, der ein CI trägt. Sie erklärt, was Lehrer, die Schule und Eltern beachten können.
Eine enge Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern sowie stetige Kommunikation von Anfang an bildet die wichtigste Basis.
Mag. Jelinek rät Eltern, gleich zu Beginn das Gespräch mit der Schule zu suchen. „Ich habe durch viele Elterngespräche mehr zur Situation von Emil erfahren, das hat es mir erleichtert, auch im Unterricht auf seine Bedürfnisse einzugehen. So kann ich ihn möglichst gut fördern und unterstützen.“
Wichtig ist es auch, Lehrpersonen über die Funktionsweise des CIs aufzuklären: Wie funktioniert der Audioprozessor? Wie unterscheidet sich diese implantierte Hörhilfe von einem Hörgerät? Zudem sollte den Lehrern – besonders dem Klassenlehrer, der Vertrauensperson oder der Schulleitung auch gezeigt werden, wie ein Batteriewechsel funktioniert. Hilfreich sind auch Broschüren, in denen Informationen nachgelesen werden können.
Auch mit den Mitschülern ist eine offene Kommunikation wichtig: Das passiert oft intuitiv, weil Klassenkameraden mit kindlicher oder jugendlicher Neugier nachfragen, was ein CI ist. Ein offener, vorbehaltloser Umgang der Schule mit dem Thema wirke sich aber in allen Bereichen positiv aus, davon ist Mag. Jelinek überzeugt.
Einfache Hilfsmittel, welche die Raumakustik verbessern und der richtige Sitzplatz helfen CI-Trägern, im Unterricht besser zu verstehen.
Hörimplantierte Schüler können im Schulunterricht durch verschiedene Maßnahmen unterstützt werden. Wichtig ist vor allem, auf eine gute Akustik zu achten: Diese kann zum Beispiel über Gummikappen an den Stuhlbeinen verbessert werden, denn damit werden Quietsch- und Rutschgeräusche minimiert. Auch Vorhänge und ein Teppichboden absorbieren Störgeräusche. Im BRG19 Krottenbachstraße, wo Mag. Jelinek unterrichtet, wurden in Emils Klasse Styroporplatten an der Decke befestigt, um die Akustik zu verbessern. „Das wurde von der Schule bestätigt und übernommen und auch vom Elternverein unterstützt. Wir wollten, dass dort eine Raumakustik herrscht, die Emil bei seinem Hörproblem unterstützt. Zusätzlich haben natürlich alle Lehrer die Information bekommen, warum der Raum so umgewandelt wurde“, erzählt die Deutschprofessorin aus dem Alltag. Ein gut gewählter Sitzplatz kann CI-Trägern ebenfalls helfen, Gesagtes im Unterricht besser zu verstehen: „Ideal ist ein Platz im vorderen Drittel“, sagt Mag. Jelinek.
Aufschreiben hilft!
Visuelle Hilfsmittel sind für Kinder mit CI eine große Unterstützung: Es ist deshalb hilfreich, wichtige Termine und Themen zusätzlich noch einmal aufzuschreiben. Mag. Jelinek rät dazu, viele verschiedene Medien – sowohl akustische als auch visuelle – zu nutzen. „Immer, wenn man etwas vorträgt, kann ein Hinweis, etwa auf ein Buch oder die PowerPoint-Präsentation, folgen. Auch Hausaufgaben schreibe ich immer auf.“ Das ist für Schüler mit Hörhilfe eine große Unterstützung: „Die Hausübung wird meist am Ende der Stunde gegeben, dann kann es erfahrungsgemäß ein bisschen unruhig werden. Durch das Aufschreiben ist garantiert, dass CI-Träger zu hundert Prozent über die Übungsaufgaben für Zuhause Bescheid wissen“, erläutert die Pädagogin. „Das sind Unterstützungsleistungen, die wenig Aufwand erfordern, aber den Schülern viel bringen.“
In Prüfungssituationen können CI-Träger nach Möglichkeit damit unterstützt werden, dass Hör- durch Lesetexte ersetzt werden und vorab Zeit für Fragen eingeräumt wird.
Hörtexte sind für hörimplantierte Schüler eine große Herausforderung: Deshalb hilft es, wenn für sie ein Transkript angefertigt wird. Möglich ist auch, die Hörtexte für den Schüler komplett durch Lesetexte zu ersetzen. „Wir haben ausgemacht, dass Emil keine Hörtexte bekommt, weil er einfach einen massiven Nachteil hätte.“ Zusätzlich bieten Mag. Jelinek und ihre Kollegen ihm die Möglichkeit, Schularbeiten allein durchzubesprechen: „Wenn ich es in der Klasse erkläre, versteht er es zwar, aber nicht so gut wie die anderen. Deshalb darf er zehn Minuten früher mit mir allein die Angaben durchbesprechen und kann in Ruhe Fragen stellen, wenn er etwas nicht verstanden hat.“
Vor Richtungsentscheidungen (Wechsel in die Oberstufe) kann ein Gespräch mit Fachlehrern eine gute Einschätzung liefern, ob sich das Kind wohlfühlt oder überlastet ist.
Wenn der Wechsel von der Unter- in die Oberstufe bevorsteht, ist es sinnvoll, gezielt das Gespräch mit Fachlehrern zu suchen: Jedes Kind ist anders und die Lehrpersonen erleben es jede Woche im Unterricht. Sie können eine Prognose speziell auf die Beeinträchtigung hin erstellen: Fühlt sich der Schüler wohl – oder eher überlastet? „Fachlehrer können eine gute Einschätzung abgeben, indem sie sagen, es ist problemlos oder indem sie anmerken, dass das Kind bereits Schwierigkeiten hat oder dass es ihm unangenehm ist, weil er oft nachfragen muss.“ Bei Emil war klar, dass er die Oberstufe im BRG19 auf alle Fälle meistern würde: „Das ist immer individuell verschieden und hängt auch stark davon ab, wie sehr man sich in die Klasse einbringt und ob man Hilfestellungen annimmt“, erzählt Professorin Mag. Jelinek.
Jedes Kind braucht Unterstützung, CI-Träger ganz besonders beim Thema Hören: Deshalb soll das Kind aber keinen „Sonderstatus“ erhalten.
Viel Fingerspitzengefühl brauchen Lehrpersonen, wenn es darum geht, CI-Träger nicht in einen Sonderstatus zu erheben. „Die Schüler wollen ja keine Sonderstellung haben, aber es ist wichtig, dass man sie trotzdem unterstützt – im Rahmen dessen, was man darf und kann.“ Das gelingt durch gezielte Kommunikationsmaßnahmen, Rücksichtnahme und Offenheit.
Für Mag. Jelinek ist klar: Eigenarten und Besonderheiten hat jedes Kind. „Emil hat die Beeinträchtigung beim Hören, aber deshalb kann er genauso mit dabei sein, wird genauso behandelt wie alle anderen und nicht besonders hervorgehoben. Jedes Kind hat in gewisser Weise eine Beeinträchtigung: Ein Kind ist gerade traurig, weil sich die Eltern trennen, das andere, weil das Haustier gestorben ist – wir müssen als Lehrer immer individuell auf die Kinder eingehen und jeden Tag die Individuallage der Klasse und des Kindes einschätzen. Und manche brauchen mehr Betreuung und Aufmerksamkeit und manche weniger. Aber: Das brauchen alle Kinder und deshalb kann man sich als Lehrer ruhig auf Kinder mit Beeinträchtigung einlassen.“