„Zum Fern-Sehen gehört auch das Hören“, formuliert Arnold Erdsiek im online-Magazin Schaufenster.Tatsächlich gehört das Verstehen des Fernsehtons zu den Meisterstücken für Menschen mit Hörbeeinträchtigung.  

Sonntagabend. Herr und Frau Österreicher sitzen gemütlich im Wohnzimmer und lassen das Wochenende mit einem entspannenden „Proleten-Dinner“ ausklingen – Fernsehen als Begleitung zum Abendessen. Spätestens beim Hauptabendfilm ist es mit der Sonntagsruhe vorbei: Einer der beiden versteht trotz Hörhilfen kein Wort, während dem anderen infolge der enormen Lautstärke die Ohren dröhnen.

Sprachgewohnheiten

Bei Filmen ist oft ein irreführendes Mundbild der Darsteller das Problem: Unbewusst nützen viele hörbeeinträchtigte Zuseher das Mundbild zur Unterstützung. Wenn die Lippen des Schauspielers fremdsprachigen Originalton formen, der Audiokanal aber die deutsche Synchronisation liefert, kann das irritieren und das Verstehen hindern.

Gerade die deutschensprachige Krimiserie Tatort– traditionell am Sonntagabend ausgestrahlt – wird in letzter Zeit häufig für ihre Tonqualität kritisiert. Focus onlinegegenüber bittet der ARD um Verständnis: „Den Hörgewohnheiten einer älter werdenden Gesellschaft ist ebenso Rechnung zu tragen, wie der teils schnelleren und kürzeren Sprechweise der jungen Generation.“ Manchen Regisseuren seien authentisch-umgangssprachliche Dialoge wichtiger als akustische Verständlichkeit: „Für realistische Milieuschilderungen und die regionale Verortung sind manchmal auch dialektgefärbte Gespräche unabdingbar.“ Das Tatort-Team in Ludwigshafen dreht neuerdings ohne ausformuliertes Drehbuch. Die Darsteller sprechen ‚wie ihnen der Schnabel gewachsen ist‘ und fallen einander auch ins Wort – lebendige, doch schwerer verständliche Dialoge.

Gerd Wameling ist Schauspielprofessor an der Hochschule der Künste Berlin und mimt den Frankfurter Tatort-Kommissar Walter Hillinger. Im Gespräch mit t-online ortet er nachlässige Arbeit, wenn schlampig gesprochene Passagen von der Regie akzeptiert werden.

Laut ARD sei die Qualität der Lautsprecher am Fernseher oder die Raumakustik im Fernsehzimmer mit verantwortlich. Cornelia Ackers, Redakteurin beim Bayerischen Rundfunk, argumentierte laut t-online, die Einstellung der Tonwiedergabe an den TV-Endgeräten sei mitunter schlecht justiert.

Der Kontrast im Ton

Mag. Esther Rois-Merz ist Hörgeräteakustikerin in Wien: „Das Sprachverstehen bei Filmen ist schwierig, weil wir es mit gemischten Signalen zu tun haben – Sprache mit Musik oder Geräuschkulisse hinterlegt.“ Normalhörende verstehen noch akzeptabel, wenn Sprache nur halb so laut wie die der Hintergrundgeräusche ist. In dieser Fähigkeit hinken selbst routinierte CI-Nutzer nach – laut Vergleichsmessungen bei optimaler Versorgung um etwa 3 dB.

Mischtonmeister Christoph Metke hat bei Tatort-Produktionen mitgearbeitet. Er sieht das Problem primär in der Art, wie die Geräusche beigemischt werden. Er erklärt t-online: „Früher wurden Dialoge nachsynchronisiert. Heute verwendet man den Originalton aus der szenischen Darstellung.“ Das spare nicht nur Kosten – man fürchte auch, die Schauspieler könnten im Studio nicht mehr so authentisch sprechen wie während der szenischen Darstellung.

Beim Nachsynchronisieren spricht der Darsteller direkt ins Mikrophon und achtet auf die Artikulation. „Dann lässt sich auch jedes andere akustische Detail, wie Hintergrundgeräusche oder Musik, relativ laut dazu mischen und man versteht den Film trotzdem noch“, wird Metke von t-onlinezitiert.

Als ausgebildete Tontechnikerin kennt Mag. Rois-Merz beide Seiten. „Weil gerade so viele Beschwerden beim Rundfunk eingehen, findet dort ein Umdenken statt. Jetzt versucht man Strategien für bessere Verständlichkeit zu entwickeln“, ist sie optimistisch. „Schwierig ist, dass man Verständlichkeit nicht objektiv messen kann.“ Eine Idee in dieser Richtung: „Sprache und Hintergrundgeräusche auf getrennten Kanälen zu übertragen – der Anwender kann selbst nach Bedarf mischen.“

Guter Rat, nicht immer teuer

Arnold Erdsiek resümiert im Schaufenster: „Das schlechte Verstehen beim Fernsehen hat zu allerletzt mit uns und unserem Fernseher oder gar unserem CI zu tun, dafür aber sehr viel mit den Fernsehmachern.“ Trotzdem fördert Ruhe im Fernsehzimmer das Sprachverstehen – wer den Tisch vor Filmbeginn deckt, umgeht, dass raschelndes Käsepapiers das Filmvergnügen trübt.

Umgebungsgeräusche vollends ausblenden kann, wer Infrarot- oder Bluetooth-Zusatzgeräte verwendet. Diese koppeln induktiv, kabellos oder via Kabel in die Hörsysteme ein. Erhältlich sind sie bei Hörgeräteakustikern, Spezialgeschäften für Hörgeräte-Zubehör oder im Zentrum Hörenin Wien.

Toningenieur Metke fordert: „Man muss die Leute dazu bringen, dass sie bei einem dramaturgisch hochwertigen Film ein bisschen lauter drehen.“ Wer das nicht macht, höre laute Titelmusik, gefolgt von leisen, somit schwer verständlichen Dialogen. Mag. Rois-Merz bietet ihren Kunden ein spezielles Fernseh-Programm für die Hörgeräte an.

Tiefe Töne vermitteln vollen Klangeindruck und Lautstärke, mittlere und hohe fördern Sprachverstehen – beim Einstellen einen Tonhöhenausgleichs sollte man das beachten.

Wer sich trotzdem über undeutliche Aussprache einiger Darsteller ärgert, kann bei Gelegenheit mit einem der späten Hans Moser-Filme vergleichen: Damals wurde Nuscheln zum Kult erklärt, selbst wenn Normalhörende dabei nichts verstehen.

Bild: © ZDF/Gordon Timpen

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