Ein Flüchtling ist eine Person, die aus der begründeten Furcht vor ungerechtfertigter Verfolgung in einem anderen Land Schutz sucht. Gesundheitliche Sorgen sind da nur ein Teil des Problems.

Als Herr G. den Untersuchungsraum eines oberösterreichischen Krankenhauses betritt, bittet er, langsam und hochdeutsch zu sprechen. Der geborene Iraner kann sich nach nur drei Jahren in Österreich nahezu fließend unterhalten, aber natürlich ist seine Grammatik nicht perfekt und Dialekte oder undeutliche Aussprachen sind für den Mann anfang der Vierzig mit dem grau melierten Haar und dem dunklen Teint noch ein Problem.

Er erzählt gerne von seiner Heimat, dem Iran. Seine Heimatstadt Isfahan, ist für ihn der größte Ort auf der Welt. Er erzählt von seinem Leben, als er noch zu Hause war: „Meine Mutter hat zu Hause persische Teppiche geknüpft und ich und meine Schwester haben manchmal geholfen. Mit 19 Jahren ging ich dann an die Uni. Neben dem Studium arbeitete ich im Verkauf und ich hatte meine Familie. Ich arbeitete fünf oder sechs Jahre in einer Kinderwunsch-Apotheke. Dann war ich ungefähr elf Jahre lang Versicherungsmakler. Ich hatte mein eigenes Büro und eine eigene Sekretärin. Im März 2012 arbeitete ich den letzten Monat bei der Versicherung.“ Dann kam die Flucht.

Amnesty International verweist auf unterschiedliche Menschenrechtsverletzungen im Iran, auf Verfolgung und Folter, denen Regimegegner, Menschenrechtsverteidiger und Frauenrechtler, aber auch Angehörige ethischer und religiöser Minderheiten ausgesetzt sind. Zudem ist der Iran hinter China weltweit der Staat mit der zweithöchsen Anzahl an Hinrichtungen im Jahr 2014.

Herr G. überlegte nach Kanada zu emigrieren, aber: „Wenn jemand vom Iran anderswohin möchte, muss ihm jemand helfen. Normalerweise kommen die Menschen mit Schleppern. Ich hatte einen Bekannten in Linz. Der wusste, dass ich dringend aus dem Iran weg wollte und hat gesagt, Österreich ist super. Er half mir und dafür wollte er natürlich kassieren. Also bin ich nach Österreich geflohen.“ Dann ist er einem sehr schlechten Rat gefolgt, hat seine Papiere zerrissen und sich schließlich mit seinem Fluchthelfer überworfen, was dazu führte, dass er nach drei Jahren immer noch als Asylwerber geführt wird.

Nach nur wenigen Tagen im Anhaltelager Traiskirchen hat er das Glück, seither mit seiner Familie in einer kleinen Gemeinde mit knapp 2000 Einwohnern zu leben. Er ist nicht der einzige Flüchtling in der Ortschaft, aber der einzige, der schon so lange dort ist. „Es gibt auch einen Deutschkurs für Asylwerber, aber der ist für Anfänger. Aber jetzt kann ich keinen weiterführenden Deutschkurs besuchen, weil so ein Kurs in der Volkshochschule ungefähr 200 Euro kostet. Ich habe nicht einmal das Geld für die Fahrkarte zur Volkshochschule, ich darf ja als Asylwerber nicht arbeiten, also habe ich auch kein Geld.“

Aber Herr G. hat trotzdem Deutsch gelernt und dabei ist der Kontakt zu den Nachbarn auch noch gewachsen. „Wir hatten in den ersten drei Jahren einen Hausmeister. Die ersten sechs Monate hat er Englisch mit mir gesprochen. Dann hat er gesagt „Du musst Deutsch lernen“ und hat immer nur noch Deutsch mit mir gesprochen. Heute verstehe ich viel nicht und vieles sage ich nicht richtig, aber ich verstehe schon etwas.“ Jetzt hilft er in der Nachbarschaft, wo er kann. Den Nachbarn beim Gras mähen oder in der Gemeinde, wenn Not am Mann ist. „Ich habe studiert, aber egal was ich früher gemacht habe – jetzt ich bin hier. Jetzt mache ich das.“ Ein guter Freund hat ihn dann zur Freiwilligen Feuerwehr gebracht und auch seine Frau hilft in einer gemeinnützigen Vereinigung mit.

„Nächste Woche haben wir Schlossfest. Voriges Jahr habe ich als freiwilliger Gehilfe in der Weinbar gearbeitet, das war ganz lustig.“ Gerade in so lauter Umgebung wird deutlich, dass Herr G. auf der linken Seite ein Hörproblem hat. Zum Glück „ist das eine kleine Ortschaft und alle wissen, ich höre schlecht. Wenn ich nichts höre, frage ich nochmals oder drehe mein rechtes Ohr hin – das rechte Ohr funktioniert. Wenn ich mit jemandem spreche, stehe ich immer links oder gehe links.“

Schon im Iran hatte Herr G. Hörprobleme. Doch auch nach einem Besuch beim Arzt änderte sich nicht viel. „In Österreich habe ich dann wieder Schmerzen gehabt, bin zum Hausarzt gegangen und habe eine Überweisung an die Klinik bekommen. Hier ist alles modern. Der Arzt hat schnell Bilder vom Ohr gemacht und auf den Bildern hat er gesehen, dass es stark entzündet ist. Er hat gesagt, ich muss schnell operiert werden, weil man da vorsichtig sein muss, das ist in der Nähe vom Gehirn. Ich hatte große Angst vor der Operation, aber wenn der Arzt sagt, es ist notwendig, dann muss ich das machen.

Bei der ersten Operation wurde die Entzündung entfernt. Dann bin ich voriges Jahr nochmals operiert worden und habe ein Knochenleitungsimplantat bekommen.“ Herr G. wollte erst nicht zustimmen, weil er als Asylwerber immer noch nicht arbeiten darf und daher von der öffentlichen Hand abhängig ist. Er befürchtete Probleme, wenn er für die Implantation nicht selbst aufkommen kann. Dann ließ er sich überzeugen. „Mit diesem Gerät verstehe ich mehr. Normale Gespräche verstehe ich schon gut, aber wenn es laut ist und mehrere sprechen, da brauche ich noch Zeit und Übung. Am Bahnhof, in der Kirche oder bei Musik habe ich noch Probleme. Auch der Wind ist ein Problem bei mir.“ Die Windgeräuschunterdrückung soll da in Zukunft Verbesserung bringen.

Wenn Herr G. jetzt drei Wünsche frei hätte, dann wäre seine Priorität ganz klar: „Der erste Wunsch ist Gesundheit für meine Familie, auch keine Hörprobleme. Dann, dass ich bald einen positiven Asyl-Bescheid bekomme und ein normales Leben haben kann. Der dritte Wunsch ist eine gute Arbeit, als Makler bei einer Versicherung in Österreich.“

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