Prof. Dr. Michael Frass ist Wissenschaftler, Erfinder und Mediziner, schätzt Komplementärmedizin und konventionelle Methoden gleichermaßen. Beim Hören vertraut er auf bewährte Medizintechnik.

Wien, vor einem Antiquitätengeschäft wird ein weißhaariger Mittsechziger von zwei Kindern angesprochen: unerwartet, von hinten und mit hohen Kinderstimmen – ein Albtraum für Hörbeeinträchtigte, doch kein Problem für Prof. Dr. Michael Frass. Über seinen Ohren funkeln weiß zwei CI-Prozessoren in der Nachmittagssonne.

Früher konnte der Universitätsprofessor auch ohne Hörhilfe gut hören. „Als ich fünfzig war, hat meine Familie dann immer leiser gesprochen“, so dachte zumindest er damals. Tatsächlich hatte er zunehmend Hördefizite, verursacht durch einen seltenen Gendefekt. „Dieser Defekt ist erst bei 100 Personen weltweit beschrieben.“ Er schmunzelt: „Sie sprechen mit einem außergewöhnlichen Mann.“

Ein Mediziner als Mensch

Immer stärkere Hörgeräte waren nötig. „Der Kollege in der HNO hat gesagt: Wenn Sie taub sind, dann machen wir halt ein Implantat.“ Der Kliniker schluckt noch immer bei der Erinnerung: „Sympathisch war mir das nicht. Ich bin ja Mediziner und Mensch – und als Mensch hoffe ich wie jeder andere, dass ich keinen Mediziner brauche.“

2015 erhielt Michael Frass am bis dahin ertaubten rechten Ohr ein MED-EL Cochleaimplantat. „Beim Aktivieren sind die Töne durchgespielt worden.“ Er betont mit Nachdruck: „Das können Sie ruhig schreiben: Da muss ich zugeben, dass ich weinen musste.“ Er habe wohl unbewusst Angst gehabt, dass das CI ausgerechnet bei ihm nicht funktionieren könnte. „Was mache ich dann – dann bin ich aufgeschmissen!“

Nach der ersten Erleichterung kam die Überraschung am nächsten Tag: „Ich fahre mit dem Auto und drehe das Radio auf – unbeabsichtigt einen Sender mit Sprecher. Und ich verstehe den!“ Mit den Hörgeräten war das zuletzt nicht möglich gewesen. „Da wusste ich: Das Ding ist fantastisch!“ Das folgende Jahr brachte dem Mödlinger viel Gutes: Die eigene Hochzeit, eine erfolgreiche Hör-Rehabilitation in Deutschland, die Hochzeit seines Sohns und zuletzt die Implantation auf der zweiten Seite.

Vom Arzt zum Erfinder – und andere Überraschungen

In manchen Phasen ist das Leben von Michael Frass anders gelaufen als geplant. „Mit zwölf wollte ich nach Bayern gehen. Meine Tante dort wollte meine Geschwister und mich mit Kindern aus reichen Brauerei-Familien verkuppeln.“ Beim Erzählen lacht dem Wissenschaftler der Schalk aus den Augen: „Leider ist diese Tante viel zu früh gestorben und mich hat dann das Medizin-Studium fasziniert.“

Nur zwei Jahre nach seiner Facharztprüfung als Internist und noch bevor er sein Diplom als Notarzt abgeschlossen hatte, erfand er den Combitubus,ein Instrument zur Sicherung der Atemwege, das die Notfallmedizin nachhaltig verbessert hat.

„Intensivmedizin ist hochinteressant!“ Patienten müssten dann aber über so eine Phase besonderer Belastung hinweg kommen. „Manchmal habe ich Dinge gesehen, die ich mir mit Placebo- oder Suggestivwirkung nicht erklären kann.“ So beschäftigte sich der Erfinder und Wissenschaftler mit Homöopathie und deren Einsatz in der Intensivmedizin und Onkologie. Mit Co-Autor Martin Bündner verfasste er ein erfolgreiches Buch dazu. Die Leitung der Intensivstation am Wiener AKH gab er auf und steht jetzt der dortigen Spezialambulanz vor: Homöopathie bei Tumorpatienten, zur Steigerung der Lebensqualität und stets begleitend zur konventionellen Chemo-, Strahlen- oder operativen Therapie.

Homöopathie sei frei von Neben- und Wechselwirkungen und könne den körpereigenen Widerstand unterstützen, zum Beispiel bei chronischen Mittelohrentzündungen. „Außer bei entzündlichen Prozessen kann ich mich aber nicht erinnern, dass jemand nach einer homöopathischen Behandlung gemeint hat, die Schwerhörigkeit habe sich gebessert.“ Bei seinen eigenen Hörproblemen hat der Komplementärmediziner vieles probiert und auch Kollegen zu Rate gezogen. „Bei mir sind ja die Haarzellen gesund, aber die Flüssigkeitszufuhr zu den Haarzellen erfolgt nicht.“ Letztlich folgte er dem Rat des HNO-Spezialisten zur Implantation.

„Wir alle wollen glücklich werden!“

„Als uns die Lehrerin in der Volksschule gefragt hat, was wir werden wollen, wollte keiner Arzt, Ingenieur oder Straßenkehrer werden. Wir haben alle unisono gesagt: glücklich!“ Für jeden Menschen sehe Glück anders aus – ob jemand Heilung von einer Krankheit anstrebt, sei ebenso eine persönliche Entscheidung, wie ob er die Möglichkeit zu hören in Anspruch nimmt. „Für mich hat das mit Eigenliebe zu tun“, legt der gläubige Wissenschaftler dar und lacht: „Für mich ist es schon angenehmer, wenn ich mit meiner Frau reden kann, also warum soll man dieses schöne Gefühl nicht in Anspruch nehmen?“

Trotzdem war es für Prof. Frass wichtig, vor der Entscheidung mit anderen CI-Nutzern über deren Erfahrungen zu sprechen. Nach der Implantation hat ihm stationäre Rehabilitation sehr geholfen: „Für mich gab es sogar Gleichgewichtsübungen.“ Zusätzlich zur Hörbeeinträchtigung fehlt Dr. Frass das Gleichgewichtsorgan – ein Problem, auf das ein Hörimplantat keinen Einfluss hat. „Beim Treppensteigen muss ich mental mitarbeiten.“ In Bad Nauheim wurden die Therapien entsprechend ergänzt, zusätzlich zu den üblichen logopädischen Therapien und technischen Einheiten.

„Dass es kein Problem mehr gäbe, ist übertrieben, aber man muss das in Relation sehen“, so der zufriedene CI-Nutzer. „Ich bin eigentlich taub. Ohne Hörhilfe merke ich, dass der Rasierapparat eingeschalten ist, wenn er vibriert, nicht weil ich ihn höre. Mit den CIs mache ich meine Späße wie früher – ohne jeden gehörten Satz nochmals zu überlegen, ob ich ihn wohl auch richtig verstanden habe.“

Arbeit und Erholung – mit Hören

Die Privatpraxis des Homöopathen liegt im neunten Wiener Gemeindebezirk unweit des Gürtels. Klinkerboden und Gangfenster mit Jugendstil-Ornamentik werden in Wartebereich von einem dezenten Tischteppich und bequemen Ohrenstühlen im Neo-Barock abgelöst. Ein großer Deckenventilator im Holzdesign verspricht im Behandlungsraum Kühle auch im Hochsommer.

Als Homöopath ist der Mediziner bei der Arbeit auf entspannte Atmosphäre und gutes Verstehen bedacht. „Vor zwei Jahren habe ich in meiner Ordination die Fenster nicht mehr aufgemacht, auch wenn es drinnen 35 Grad hatte.“ Der Straßenlärm hätte ihm das Verstehen ebenso unmöglich gemacht wie ein laufender Ventilator – belastend für die Patienten und deren Arzt, dem ausführliche Anamnesegespräche wichtig sind. Schon mit dem ersten CI war beides wieder möglich.

Mittlerweile hat das zweite CI sein Verstehen weiter verbessert. Jetzt sind auch Restaurant-Besuche nahezu stressfrei, bei Vorträgen und beim Telefonieren nützt er Induktionsschleife und Roger Pen als Zusatzgeräte. „Ich habe den Eindruck, dass die Gleichaltrigen nicht viel besser verstehen – bei Störgeräuschen tun sie sich oft sogar schwerer.“

Sogar beim Tennis wirke sich das Hören aus, erklärt der Hobby-Spieler: „Weil man das Auftreffen des Balls am Schläger hört. Und früher habe immer ich gezählt, weil ich die anderen nicht verstanden habe. Jetzt kann man mit mir über das Tennisfeld hinweg kommunizieren!“

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