Das Ehepaar Enzo und Elisabeth Caruso besucht regelmäßig Bewohner in zwei Pflegeheimen im 11. Wiener Gemeindebezirk. Für Gehört.Gelesen beobachten sie dabei die Folgen von Hörproblemen für die Betroffenen und wie richtiger Umgang das Leben derer verändern kann.

Enzo und Elisabeth Caruso

Es sind nun zwölf Jahre, dass wir durch unsere seelsorgerische Betreuung drei bis vier Mal die Woche Kontakt mit den Menschen im Pflegeheim haben. Viele leiden nicht nur unter den Umständen einer fremden Umgebung, sondern besonders unter der Vereinsamung, auch bedingt durch die Schwerhörigkeit, die durch das Alter immer mehr zunimmt. […] Diese Menschen verlieren immer mehr den Kontakt zu ihrer Umwelt. Sie verstehen nicht, wenn das Personal oder die Besucher zu schnell reden und gleichzeitig Lärm aus dem Fernseher oder dem Radioapparat dröhnt. Sie bekommen Angst, nicht richtig zu antworten und dadurch als „verwirrt“ eingestuft und nicht mehr ernst genommen zu werden. So verschließen sich viele von ihnen immer mehr, meiden den Kontakt zu anderen und werden depressiv, wodurch auch die Demenz schneller voranschreitet.

Der richtige Umgang

Ein erstaunliches Beispiel für die Ausmaße des sozialen Rückzugs und die mögliche Veränderung zum Positiven bietet Frau Fiedler (Name von der Redaktion geändert) und ihre Geschichte im Alter von 90 Jahren. Sie mochte Bewegung und hatte gerne alles sauber und gepflegt, wie sie es zu Hause auch gewöhnt war. Sie hatte sechs Kinder, die sie nach dem Krieg allein aufzog, also eine große Familie, die auch regelmäßig kam, um ihre Großmutter zu besuchen. Jedoch war das Problem, dass Frau Fiedler, die geistig noch ziemlich rege war, sehr schlecht hörte. Mit dem Hörgerät kam sie nicht zurecht, weshalb sie es kaum noch nutzte.

Wenn wir zu ihr kamen, sprachen wir langsam, laut und deutlich mit ihr. Der Fernseher wurde abgestellt und die Tür zugemacht, sodass der Lärm nicht störte. Sie freute sich jedes Mal über unser Kommen und wir konnten eine herzliche Beziehung aufbauen und viel aus ihrem bewegten Leben erfahren.

Entfremdung von der Familie

Eines Tages klopfte ich fest an die Türe und öffnete. Da schaute sie mich mit Erleichterung an und meinte: „Na Gott sei Dank, Sie sind es! Ich habe schon Angst gehabt, es kommt meine Familie. Da kommen immer gleich mehrere, die reden so schnell und durcheinander. Ich verstehe sie nicht und antworte irgendetwas. Dann schauen sie sich gegenseitig an und lächeln komisch. Sie denken sich, ich wäre einfach schon verwirrt. Da bin ich froh, wenn sie wieder gehen oder erst gar nicht kommen.“

Eines Tages wartete ihr Sohn auf mich und fragte: „Wieso redet meine Mutter nicht mehr mit uns, aber mit euch schon?“ Er war sehr traurig. Dann erklärte ich ihm das Problem und riet ihm, langsamer und deutlicher mit ihr zu sprechen.

Gesagt, getan und so kam es auch noch in der letzten Phase ihres Lebens zu einem guten Kontakt zwischen Mutter und Sohn.

Nur eine von vielen

Das ist nur ein Beispiel von vielen anderen. So machen wir immer wieder die Erfahrung, wie wichtig es ist, mit allen nur möglichen Mitteln gegen die Schwerhörigkeit zu kämpfen. Wir, da wir selbst die Erfahrung eines Cochlea-Implantats gemacht haben, sowie viele andere Menschen sind sehr dankbar für alle Forschungen und Errungenschaften, die für Menschen mit Hörbeeinträchtigung den Kontakt mit der Umwelt wieder möglich gemacht haben. Es wäre schön, wenn auch für die Menschen in den Pflegeheimen eine unkomplizierte Möglichkeit gefunden wird, um ihnen das Hören zu erleichtern. Wir sind zuversichtlich, dass das noch gelingen wird.

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