Historische, naturwissenschaftliche und künstlerische Aspekte: Im Wiener Haus der Musik können Besucher die verschiedenen Aspekte von Musik kennen lernen.
Großaufnahmen von roten Rosen, rosa Nelken und einem glitzernden Kristallluster begleiten die Klänge des Donauwalzers, gespielt von den Wiener Philharmonikern. Die 8-jährige Alessandra lauscht angespannt den Aufnahmen des letzten Neujahrskonzerts.
Alessandra Platzer und ihr Vater sind quasi Stammgäste im Haus der Musik: „Weil mir das Spaß macht“, erklärt die Schülerin. „Ich mag Musik.“ Die kann sie in den Räumlichkeiten des ehemaligen Palais von Erzherzog Karl von Österreich-Teschen und seiner Frau Henriette Alexandrine von Nassau-Weilburg auf etwa 3000 Quadratmeter interaktiver Erlebniswelt in ihren verschiedensten Facetten erkunden.
Dem ersten Stock des Gebäudes wohnt noch das Flair der historischen Mauern inne. Nicht zufällig ist er den Wiener Philharmonikern gewidmet, hat doch Otto Nicolai hier im Haus gewohnt. Der Komponist, 1841 bis 1847 Kapellmeister der Wiener Hofoper, gegründete die Philharmoniker, um auch abseits der Oper mit den Musikern Konzerte geben zu können. Nach Nicolai dirigierten unter anderen Gustav Mahler und Richard Strauss das Orchester, auch sie namhafte Komponisten.
Spaß beim Komponieren
„Muss ein Komponist auch ein Musikinstrument spielen können“, fragt Alessandra, die selbst Klavierspielen lernt. Im Haus der Musik ist das nicht nötig, um zu komponieren. Gemeinsam mit drei anderen Besuchern kann die Schülerin ihren eigenen Walzer würfeln oder beim Spiel Namadeus ihren Namen als Musikstück erklingen lassen.
Das Computerprogramm orientiert sich an einem Musikspiel, das Wolfgang Amadeus Mozart für seine Klavierschülerin Franziska von Jacquin entworfen hat. Jedem Buchstaben entspricht eine bestimmte Notenkombination, wie im Köchelverzeichnis 516f zu finden. Wie auch die anderen Musik- und Klangkompositionen kann man das Ergebnis von Namadeus als musikalisches Souvenir erwerben.
Nicht nur bei Kindern wirkt das Wunderkind Mozart als Publikumsmagnet. Die Musikwissenschaftlerin Elisabeth Bauer beschreibt das Phänomen: „Er hat es geschafft, sich für jedes Gefühl des Herzens die passende Musik auszudenken.“ Zur Demonstration stimmt die ausgebildete Sängerin die ersten Takte aus der Arie der Königin der Nacht an: kraftvolle Emotion.
Auch für hörbeeinträchtigte Besucher
„Flexibel sein und eingehen auf das, was kommt“, ist Bauers Richtlinie, wenn sie als eine von vier Kunstvermittlerinnen durch das Haus der Musik führt. Sie begleitet auch Erwachsene durch die Ausstellung, etwa bei Sonderführungen für sinnesbeeinträchtigte Besucher. So versucht sie bei blinden Gästen „Bilder im Kopf“ zu generieren und arbeitet mit besonders vielen Requisiten zum Angreifen.
Bei schwerhörigen und gehörlosen Besuchern hat Bauer reges Interesse an Ludwig van Beethoven beobachtet. Wie der Pianist und Komponist mit seinen zunehmenden Hörproblemen umging und trotz zunehmender Ertaubung der Welt weitere Symphonien schenkte, begeistert sogar jene, die diese Kompositionen selbst nicht hören können.
Doch auch die akustischen Erlebniswelten kann sie im wahrsten Sinn des Wortes begreifbar machen: Wenn sie im Discorama die Lautstärke kurzfristig anheben lässt, dass man förmlich die Luft vibrieren spürt. Oder wenn sie Besucher anleitet, damit sie das pränatale Sinnesrauschen am Eingang zur Sonosphere fühlen können.
Experimentelles und Expertenwissen
In unwirklichem Licht, das auf die überdimensionale Andeutung eines Uterus fällt, verschmelzen Akustik und Vibrationen in einer Art Walgesang, nur viel tiefer im Klang. Es handelt sich um Originalaufnahmen aus der menschlichen Gebärmutter – jene Geräusche, die schon Ungeborene wahrnehmen können. Die Sonosphere im zweiten Stock informiert über das Wie der Musik.
Die philharmonischen Kompositionen halten sich in der Regel entlang der chromatischen Tonleiter. Unsere Tonwahrnehmung ist dabei auf wenige Oktaven begrenzt. Bei der Shepard-Tonleiter handelt es sich um die akustische Sinnestäuschung einer unendlich ansteigenden Tonleiter. Sie erinnert im übertragenen Sinn an ein Perpetuum Mobile der Akustik.
Neben einem Objekt zur Shepard-Tonleiter erklären diverse Exponate und Experimente den wissenschaftlichen Hintergrund von Musikwahrnehmung, menschlichem Stimmorgan und Funktion von Musikinstrumenten. Eine eigene Klanginstallation bietet Stefan Obermaiers Übertragung alter Musik in elektronische Beats. „Wir haben viele Besucher, die zu klassischer Musik keinen Zugang haben“, erklärt Elisabeth Bauer.
Schwungvoller Abgang
Alessandra hat zur elektronischen Musik keinen Zugang. Als Stammgast im Haus der Musik kennt sie auch die Wissensexponate zur Genüge. Ihre Lieblingsstation und ihr erklärtes Ziel für heute ist der Virtuelle Dirigent im dritten Stock, der sich bei erwachsenen Besuchern ebenso großer Beliebtheit erfreut wie bei Kindern.
„Legolandmusik“, hat kürzlich ein Knirps den Can Can von Jacques Offenbach genannt. Den oder eines der anderen sechs Musikstücke kann der Besucher hier dirigieren. Die Wiener Philharmoniker spielen dazu, freilich von der animierten Aufnahme: Die Bewegung des Taktstocks wird mittels Lichtreflexion erfasst und steuert die Wiedergabe in Tempo, Rhythmus und Dynamik.
Doch wehe dem Dirigent, der sich zehn unrhythmische Takte leistet. Er wird von den Musikern mit einer Tirade „Wiener Charmes“ bedacht. Alessandra hat Übung, sie erntet Applaus.
Haus der Musik
Seilerstätte 30
1010 Wien
täglich geöffnet von 10 – 22 Uhr
Kinderführungen Samstag und Sonntag um 14 Uhr Weitere Führungen auf Anfrage bei: Birgit Mittelmaier 01/513 4850-26 birgit.mittelmaier@hdm.at
Titelbild: © HdM – Inge Prader