Wien, 13. März 2019 – MED-EL veranstaltete im Rahmen der Initiative HÖREN BEWEGT einen Publikumstag im Wiener Haus der Musik. Musik ist eine universelle Sprache, die direkt ins Herz geht. Was aber, wenn wir sie gar nicht hörten?
Die Geburtstagsfeier müsste ohne Happy Birthday auskommen und der Oscar-Hit Titanic wäre ohne Celine Dion’s My Heart Will Go On wohl nur das halbe emotionale Erlebnis. Daher machte der österreichische Hörimplantate-Hersteller MED-EL darauf aufmerksam, wie wichtig Musik und Gehör für unsere Gesundheit sind. Experten auf dem Gebiet der HNO-, Hirn- und Schallforschung, der Musikwissenschaft sowie ein Hobby-Violinist mit Hörimplantat sprachen im Wiener Haus der Musik unter anderem darüber, welchen Einfluss Nicht-Hören auf unseren Alltag hat und welche Rolle Musik beispielsweise im Hörtraining nach Cochlea-Implantation spielt. Spannende Hör-Stationen im Museumsbereich des Hauses, die vormittags zusätzlich speziell für Schulklassen geöffnet wurden, zeigten auf, wie wichtig ein intaktes Gehör generell ist und welchen Einfluss es auf die kognitive Leistungsfähigkeit hat. Publikumsliebling Peter Rapp war so wie schon zwei Jahre zuvor im Palais Liechtenstein auch diesmal wieder dabei, um diese schöne Initiative zu unterstützen.
„Unser Gehör vollbringt Höchstleistungen beim Wahrnehmen von Musik, der Königsdisziplin des Hörens“, sagt DI Ewald Thurner, Area Manager Österreich bei MED-EL. „Denn kaum wo erkennen wir feinere Klangnuancen als bei einem Musikstück. Vorausgesetzt freilich, das Gehör ist intakt.“ Doch das ist nicht bei jedem Menschen in Österreich der Fall: Etwa jeder Fünfte lebt mit einer Form des Hörverlusts; ab einem Alter von 60 Jahren ist es ungefähr jeder Zweite. Kommunikation mit Freunden, aber auch mit dem Arzt oder Behörden, ist dadurch nur mehr eingeschränkt möglich; das Leben wird mühsamer.
Experten sagen, es dauere im Durchschnitt zehn Jahre, bis eine Person mit Hörverlust einen HNO-Facharzt aufsucht. Ist die Diagnose Schwerhörigkeit gesichert, wird in der Regel zuerst ein Hörgerät angepasst. Wenn das Hören damit jedoch nicht mehr möglich ist, kommt eine Cochlea-Implantation in Frage. Ein Cochlea-Implantat kann das natürliche Gehör ersetzen und – gemäß den individuellen Voraussetzungen des Nutzers – selbst Musik wieder naturnah wiedergeben.
Musizieren mit Cochlea-Implantat
Walter Widler, 61, Hobbymusiker und CI-Träger, erzählt: „Wenn ich vor meiner Implantation allein zuhause war, hörte ich weder die Türglocke noch das Telefon. Heute komme ich allein zurecht!“ Und mehr noch: Walter Widler findet sowohl auf der Violine als auch auf der Bratsche die richtigen Töne blind, denn beide Instrumente haben keine Bünde, anhand derer man sich orientieren könnte, wie etwa bei der Gitarre. Er muss den Ton erhören. Möglich machen das sein CI rechts und das Hörgerät auf der linken Seite. Walter Widler sagt: „Ohne CI wäre ich verloren, nicht nur musikalisch.“
Möglichst rasch implantieren
Die Operation, dank der Walter Widler wieder gut hören kann, ist ein Routine-Eingriff mit minimalem Risiko, sagt Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Gstöttner, Vorstand der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie an der Medizinischen Universität Wien. Wichtig sei, möglichst früh zu implantieren: „Bei gehörlos geborenen Kindern implantieren wir in der Regel am
Ende des ersten Lebensjahres. Die allermeisten auf diese Art versorgten Kinder lernen Sprache so wie hörende Kinder auch; sie können eine Regelschule besuchen und eine Ausbildung machen, die ihren Fähigkeiten entspricht. Und auch bei Erwachsenen gilt: Je kürzer die Zeit der Schwerhörigkeit ist, umso besser funktioniert das Hören mit Implantat.“ Die Kosten für die Operation und die Hörimplantate selbst werden in Österreich vom öffentlichen Gesundheitssystem getragen. Operationen werden an allen Universitätskliniken und an vielen Landeskliniken durchgeführt.
Hörtraining fördert das Verstehen mit Cochlea-Implantat
Nach der Implantation absolvieren die allermeisten Nutzer ein Hörtraining, denn das Gehirn braucht Zeit und Übung, um sich an die neue Art des Hörens zu gewöhnen. Im Rahmen dieses Trainings ist Musik ein wichtiger Bestandteil, erklärt Univ.-Prof. Dr. Patrick G. Zorowka, Direktor der Universitätsklinik für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen der Medizinischen Universität Innsbruck: „Musik im Hörtraining fördert die höheren Funktionen des Hörens, wie Betonung, Rhythmus oder das Erkennen von Melodien, kurz: Alles, was auch für ein gutes Sprachverständnis wichtig ist.“ Zar und Star etwa klingen für einen Menschen mit einer auditiven Wahrnehmungsstörung recht ähnlich. Musik hilft, diese feinen Unterschiede wahrzunehmen. Und ganz nebenbei macht aktives Musizieren noch etwas anderes: Es schult viele analytische Fähigkeiten, die auch beim Lernen von Mathematik hilfreich sein können.
Hörstörungen: wichtigster Risikofaktor für Demenz
Gut zu hören ist ganz unabhängig vom Alter enorm wichtig für die Prozesse in unserem Gehirn, betont der Neurowissenschaftler Dr. med. Andrej Kral, Professor für auditorische Neurowissenschaften und Leiter der Abteilung für Experimentelle Otologie an der Medizinischen Hochschule Hannover: „Das kindliche Gehirn verarbeitet Informationen an Synapsen, die sich nach der Geburt in der Hirnrinde entwickeln. Diese Entwicklung ist vom Hören gesteuert: Aktivität lässt Synapsen entstehen und hält sie aufrecht, Nichtbenutzung (Inaktivität) führt zu ihrem Abbau.“ Werden gehörlos geborene Kinder zu spät implantiert, etwa nach dem dritten Lebensjahr, entstehen dauerhafte Probleme beim Unterscheiden und Erkennen von komplexen akustischen Ereignissen und Defizite beim Spracherwerb.
Auch für Erwachsene ist gutes Hören essenziell. Eine der aktuellsten und wichtigsten Erkenntnisse der Wissenschaft im Bereich Hören sei sicher jene, dass kognitive Defizite im Alter durch Schwerhörigkeit gefördert werden, sagt Kral: „Nicht-Hören ist der wichtigste bekannte und veränderbare Faktor, der das kognitive Altern beeinflusst.“