Die CIA Summer Days in Velden bieten Familien mit CI-versorgten Kindern die Gelegenheit, sich in entspannter Atmosphäre auszutauschen. Bei den diesjährigen gemeinsamen Tagen fand der Austausch nicht nur beim gemütlichen Zusammensein am See statt, sondern auch in einem moderierten Ideenfindungs-Workshop. In Kleingruppen diskutierten die Eltern mit Feuereifer die Fragen, die ihnen gestellt wurden.

Carmen Kronawettleitner

Im ersten Teil des Workshops, den man mit „Was ich damals gern gewusst hätte“ betiteln könnte, gaben die erfahrenen CI-Eltern jenen Menschen wertvolle Tipps, deren Kinder noch am Beginn ihrer Hörreise mit Cochlea-Implantaten stehen. Der Tenor aus diesem Workshop-Teil: Ein Austausch mit anderen Betroffenen von Beginn an würde den Start ins elterliche CI-Leben erheblich vereinfachen. Eine Hilfe von außen wünschten sich alle.

Gerade in der Zeit zwischen Diagnose und Entscheidungsfindung fühlten sich Eltern oft allein gelassen. Die Fragen Cochlea-Implantat – ja oder nein und wenn ja, welchen Hersteller, müssen sie in vielen Fällen allein beantworten. „Wenn noch nicht alles ganz fix ist, ist man ganz auf sich allein gestellt“, erinnert sich eine Mutter zurück.

„Ein Peer-Programm hätte uns aufgefangen, Mut gemacht“, bestätigt Judith, deren Sohn David mit knapp 2 Jahren bilateral versorgt wurde. Nora, deren Töchterchen aufgrund ihrer extremen Frühgeburt ertaubte, stellt rückblickend fest, dass ihre großen Sorgen über die Entwicklung ihrer Kleinen eigentlich nicht nötig gewesen wären. „Man soll sich selbst nicht so aufregen. Die Kinder machen das schon“, ist sie heute überzeugt. Die Angst vor dem CI schwindet, wenn Jungeltern bei anderen Familien sehen, wie sich der Alltag mit CI gestaltet und sich nicht massiv vom Leben von Familien mit guthörenden Kindern unterscheidet. Eine Umfrage unter den Anwesenden bestätigte diese Aussage.

Ein häufig geäußerter Wunsch vieler Eltern an die Kliniken betraf die Aufklärung über das Produkt vor der Operation. Sie wollen nicht nur Broschüren in Händen halten, sondern persönliche Erklärungen der Technik und des Nutzens von Cochlea-Implantaten bekommen.

Auch die implantierten Kinder selbst freuen sich über Kontakt zu anderen Kindern mit CI, denn sie merken, dass sie nicht allein sind. Dieser Kontakt ist im Alltag nicht immer leicht herzustellen, da der Großteil der Kinder mit CI heute Regelkindergärten und -schulen besucht. Wer die Chance hat, sich mit anderen betroffenen Familien regelmäßig zu treffen, sollte diese unbedingt nützen, waren sich die Teilnehmer einig. „Die Summer Days sind für uns ein Fixpunkt im Sommer. Mit 6 Jahren wird Tobias bewusst, dass er anders hört. Hier sieht er, dass noch viele andere Kinder mit Implantaten hören“, erklärt Vater Markus.

Manche CI-Kliniken bieten auch Eltern-Schulungen an. Ein Tipp der Erfahrenen an die Jungeltern: „Nehmt solche Angebote auf alle Fälle an, es ist DIE Gelegenheit, aus erster Hand wertvolle Ratschläge zum Alltag mit CI zu bekommen.“

Mit der Implantation ihres Kindes beginnt für Familien ein neuer Alltag. Der Start ist in manchen Bundesländern allerdings holprig, da einheitliche Leitlinien fehlen. Die Niederösterreicherinnen Sabine und Judith wünschen sich einen Leitfaden mit konkreten Tipps und regionalen Stellen, an die sich CI-Familien wenden können, wenn sie mit dem frisch operierten Baby wieder nach Hause zurückkehren. Wer bietet Frühförderung an? Kommt die Logopädin vielleicht sogar ins Haus? Gibt es finanzielle Unterstützung und wo erfahre ich mehr darüber? So viele Fragen tauchen in der Anfangszeit auf, doch die Infopakete, die die Klinik ausgibt, decken nicht alle Bezirke ab. „Dann beginnt die Bürokratie, auf die man in einer ohnehin schon schwierigen Zeit gern verzichten würde“, seufzt Judith noch vier Jahre später.

Bessere Aufklärung und mehr Informationen für niedergelassene HNO-Ärzte und Kinderärzte war ein häufig genannter Wunsch im Workshop. Dieses Anliegen ging einher mit einem wichtigen Ratschlag an Eltern, die den Verdacht hegen, dass ihr Kind schlecht hört: „Lasst euch nicht abwimmeln. Bleibt hartnäckig. Besonders, wenn objektive Neugeborenen-Hörscreenings nicht auf beiden Ohren durchgeführt wurden. Manche niedergelassenen Ärzte vertrösten, erkennen den Hörverlust nicht. Holt euch eine weitere Meinung, lasst keine wertvolle Zeit verstreichen.“

In Gruppen aufgeteilt diskutierten die Eltern über viele Themen, die das Leben mit CI-Kindern betreffen. ©Philipp Hicker

„Mein Kind hat ein CI. Was sehe ich daran positiv? Was neutral? Was negativ?“, war die Kernfrage im zweiten Teil des Workshops. Die Teilnehmer betrachteten ihren Alltag, ihr Leben mit einem gehörlosen Kind mit CI kritisch und kamen zu der Erkenntnis, dass sich viele ihrer Erfahrungen deckten.

Das CI ist im Alltag integriert, es fällt kaum auf. „Manchmal vergesse ich, dass meine Tochter eigentlich taub ist, weil sie immer singt und redet“, lacht eine Mutter. Schon im Vorschulalter lernen die Kleinen, ihre Batterien selbst zu wechseln. Dadurch sind auch Besuche bei Freunden, Geburtstagsfeiern und die Teilnahme an Freizeitangeboten so selbstverständlich wie für normalhörende Kinder. „Lasst die Kinder ihre Batterien möglichst früh schon selber wechseln“, rät ein Vater.

Die bessere Kommunikation, das enorm gesteigerte Selbstbewusstsein, die vielseitigen Möglichkeiten in der Schul- und Berufswahl, das Erlernen von Fremdsprachen, ein Leben mit Musik, waren nur einige der positiven Seiten, für die die Eltern dankbar waren. Genauso wie für die Hörpausen, die sich ihre Kinder im Gegensatz zu normalhörenden Kindern nehmen können. Wenn ein Kind mit CI seine Ruhe braucht, legt es die Prozessoren ab und genießt die Auszeit. Für die Feststellung „wenn ein gehörloses Kind schläft, dann schläft es. Und wir können Partys feiern“, erntete ein Vater zustimmendes Gelächter.

Manche Alltagssituationen sind allein durch das Cochlea-Implantat bedingt. Gerade im Kindergarten- und Volksschulalter gewinnen die Kleinen viele neue Freunde. Dann gilt es, deren Eltern über das CI zu informieren. Und natürlich auch die Kinder selbst. In einem Alter, in dem sich die jungen Persönlichkeiten zu entwickeln beginnen, fragen betroffene Kinder vermehrt, warum sie nicht hören können wie andere Menschen. „Wir ziehen für unseren Sohn den Vergleich zur Brille heran, die meine Frau braucht, um gut zu sehen. Tobias braucht das CI, um gut zu hören. Diese Erklärung akzeptiert er.“

Nicht hören kann hin und wieder ein Vorteil sein. So nehmen manche Kinder die Prozessoren ab, wenn die Eltern schimpfen. Doch natürlich erleben Betroffene auch die Schattenseiten der Gehörlosigkeit. Denn trotz aller Fortschritte ist ein Cochlea-Implantat ein technisches Gerät. Es hat Grenzen. Und es ist fehleranfällig. Schweiß, Schwimmen, Schule, Straßenverkehr – diese Themen entlocken so manchen Eltern einen tiefen Seufzer. Im Straßenverkehr empfinden sie den Hörverlust ihrer Kinder als besondere Erschwernis. Trotz der Tatsache, dass in Österreich jedes Kind mit zwei Implantaten versorgt ist.

Das Schulleben gestaltet sich für den Großteil der Familien unspektakulär, doch Ausnahmen bestätigen die Regel. Gerade Kinder mit schüchternem Naturell werden wegen ihrer Gehörlosigkeit manchmal als Außenseiter behandelt und gemobbt. Diese Entwicklung unterbinden auch Lehrpersonen nicht immer, wenn sie nicht mit dem Hörverlust ihrer Schüler umgehen können.

Die Tatsache, dass man Ersatzteile braucht, immer Batterien bzw. geladene Akkus dabeihaben muss und die latente Angst, einen Audioprozessor zu verlieren, bedeutet Stress. Das Thema Schwimmen ist gerade im Urlaub omnipräsent. Denn ein Schwimmschutz für Prozessoren ist nur bedingt nützlich. Beim ersten mehr oder weniger eleganten Köpfler versinken diese auf Nimmerwiedersehen in den Fluten. Daher tummeln sich die Kleinen wie die Größeren meist ohne ihr künstliches Gehör im Wasser, manchmal unterstützt durch Gebärden.

Der dritte Teil des Workshops war ein „Wunschkonzert“. Was wünschen sich Eltern von Kindern mit Cochlea-Implantaten? Alles war erlaubt, inklusive utopischer Träume. Neben der Wunderpille, die das Gehör ihrer Kinder wieder gesunden lässt, und dem integrierten Universaldolmetscher kamen Wünsche zutage, die sich durchaus in Zukunft umsetzen lassen. Auf die körpereigene Energieversorgung des Prozessors, etwa mit Herzschlag oder der eigenen Körpertemperatur, werden Nutzer allerdings noch warten müssen, ebenso auf ein voll implantierbares CI-System. Als Alternative steht bei vielen Eltern ein völlig staub- und wasserdichter Prozessor mit integriertem Brandmelder und Wecker ganz oben auf der Wunschliste. Früher erwarten darf man wohl eine längere Akku- oder Batterielaufzeit der Prozessoren. Und ein weiterer technischer Traum wurde in den neuesten CI-Systemen bereits umgesetzt: eine App, die als Fernbedienung fungiert und den Gerätestatus des Prozessors anzeigt.

Sehr wichtig war den Eltern neben der Technik auch die breite Akzeptanz der Höreinschränkung. Die immer noch vorhandene Stigmatisierung von Hörhilfen soll der Selbstverständlichkeit weichen. Für jeden Menschen sollte ein CI so normal wie eine Brille sein. Kein verwundertes Anstarren mehr. Keine langen Erklärungen. Nur Akzeptanz. Ein großer Wunsch aller Eltern, der hoffentlich keine Utopie bleibt.

Nach knapp zwei Stunden war es Zeit, Fazit zu ziehen: Vieles läuft in Familien mit implantierten Kindern gleich wie in Familien mit normalhörenden Kindern, doch es gibt noch Raum für Verbesserungen. Der Austausch mit gleichermaßen Betroffenen erleichtert den Start ins CI-Leben enorm. Den emotionalen Schlusspunkt des Workshops setzte eine Mutter mit Tränen in den Augen: „Ich danke allen, die an der Entwicklung von Cochlea-Implantaten mitarbeiten. Danke für all die Möglichkeiten, die sie meinen Kindern eröffnet haben. Danke für’s CI!“

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