Brigitte Krennert hat in Folge einer Masernerkrankung ihr Hörvermögen rechts verloren und mittels Cochlea-Implantat wiedererlangt. Ihre Enkelsöhne sind beide schon gegen Masern geimpft.

Ein buntes Durcheinander an Töpfen und Deckeln, mitten drinnen ein kleiner Blondschopf – der einjährige Milian hilft Oma beim Kochen. Stolz zeigt Brigitte Krennert die Fotos vom Enkelsohn Milian, der viel Zeit mit ihr verbringt: Er, sein siebenjähriger Bruder und die Eltern wohnen mit den Großeltern in einem Zweifamilienhaus im Burgenland. „Hunger hat der Kleine immer“, lacht Krennert. Die Kinder „helfen“ ihrer Oma oft beim Kochen und Putzen, oder sie garteln gemeinsam. Die Vögel im Garten kann Oma Krennert seit Sommer 2018 wieder gut hören – so wie das Lachen ihrer Enkelsöhne, das sie so liebt.

Wie heute ihr Enkelsohn, war auch die Pensionistin damals ein unternehmungslustiges und aufgewecktes Kind; und abgesehen von einer Verkühlung oder den üblichen Kinderkrankheiten auch gesund. Kinderkrankheiten, die in den 60-Jahren des letzten Jahrhunderts faktisch alle Kinder irgendwann hatten, denn die Impfung dagegen war für diese Generation in Österreich noch nicht üblich und die Impfstoffe in der heutigen Art nicht verfügbar.

Kurz bevor sie in die Volksschule kam, erkrankte Krennert an den Masern. „Wir haben die Fenster mit braunem Packpapier abdecken müssen“, erinnert sie sich, wie lichtempfindlich sie war. Die Symptome sind abgeklungen und alle dachten, sie hätte die Erkrankung gut überstanden. Doch als Taferlklasslerin machte sie dann eine eigenartige Beobachtung: „Wenn meine Freundin am Schulweg an meiner linken Seite ging, habe ich sie nicht reden gehört. Auf der rechten Seite schon.“ Der behandelnde Arzt überwies das Mädchen ans AKH Wien, wo man eine einseitige Taubheit feststellte. Die Kliniker gingen davon aus, dass die Maserninfektion die Ertaubung des linken Ohrs ausgelöst hatte.

Die zweite Seite – mehr als ein Reserve-Ohr

In den 60er- und 70er-Jahren war die Wichtigkeit beidseitigen Hörens noch nicht bekannt. Zudem wurden Cochlea-Implantate erst gut zehn Jahre später eingeführt und standen anfangs nur Erwachsenen zur Verfügung. „Ich habe mein Leben mit dem gesunden Ohr und mit Lippenlesen gemeistert“, erinnert sich Krennert. „Aber natürlich war das anstrengend, wenn man immer darauf achten muss, mit der hörenden Seite zum Geschehen hin zu sitzen oder zu stehen.“

„Ich war mit den Augen immer auf der Suche, damit mir nichts entgeht. Aber damit bist du halt immer auf Spannung.“ Krennert absolvierte die Schule und arbeitete in verschiedenen Berufen: Bei Philips im Akkord, bei einer Versicherung im Außendienst, in der Fleischfabrik einer Putenfarm und im Einzelhandel an der Kassa. „Dort habe ich den Kunden am Luftzug gespürt, bevor ich ihn gehört habe“, denn die Wartenden kamen von links hinten zur Kassa. Eine CROS-Versorgung linderte das Problem: Ein Mikrofon am tauben Ohr; der Schall wird weitergeleitet und mittels Hörgerät an das hörende Ohr weitergegeben. Beidseitiges Hören konnte das System aber nicht ersetzen und Krennert blieb zur Gänze auf ihr Hörvermögen am rechten Ohr angewiesen.

„Die absolut richtige Entscheidung“

Drehschwindel, Druckgefühl und Tinnitus: „Als ob im Nebenzimmer eine Mischmaschine läuft.“ Völlig überraschend brachte das Jahr 2014 für Brigitte Krennert Probleme auch mit dem rechten Ohr. Den

Tinnitus rechts konnte sie letztlich mit Shiatsu besänftigen, einer manuellen Therapie aus Asien. Gegen Drehschwindel und Druckgefühl setzten die Ärzte – ebenfalls rechts – ein Paukenröhrchen: Ein kleiner Schnitt im Trommelfell, der mit Hilfe eines winzigen Röhrchens für einige Zeit offen gehalten wird, ermöglicht das Abfließen von Sekret aus dem Mittelohr und das Ohr wird belüftet. Die Beschwerden verschwanden vorerst; die Behandlung musste allerdings wiederholt werden und mit jedem Mal wurde das Hörvermögen auch rechts etwas schwächer.

„Deswegen haben wir auch wieder über eine Lösung für mein linkes Ohr nachgedacht.“ Die Mittfünfzigerin folgte dem Rat der Ärzte zu einer Cochlea-Implantation. „Es war die absolut richtige Entscheidung!“ Im Operationssaal des Donauspitals in Wien-Aspern schenkten Prof. Dr. Peter Franz und OA Dr. Charlotte Rottensteiner-Grohsmann ihrer Patientin Brigitte Krennert mehr als 50 Jahre nach deren Ertaubung mit dem Cochlea-Implantat das Hören zurück.

Keksrezept per Telefon

„Beim ersten Einschalten habe ich nur Vibrationen gespürt“, doch damit hatte Brigitte Krennert gerechnet. Die Kliniker hatten sie vor der Operation informiert, dass es speziell nach so langer Zeit der Taubheit länger dauern würde, bis sie mit dem Cochlea-Implantat hören und verstehen kann. „Tatsächlich konnte ich beim zweiten Termin schon die hohen Töne gut wahrnehmen. Heute trainiere ich mit meiner Logopädin Michaela Katzinger und ich übe auch zuhause fleißig. Das CI hilft mir schon sehr beim Verstehen.“ Sogar telefonieren mit dem CI hat sie erst letztens gemeinsam mit der Logopädin probiert: Erst Wochentage und Zahlen nachsagen, „und dann haben wir per Telefon übers Kekserlbacken geplaudert.“

Besonders aber freut sich Oma Krennert, das Lachen ihrer Enkelsöhne zu hören: „Das ist eines meiner liebsten Geräusche.“ Der kleine Milian wird gerade so richtig mobil. „Im Moment ist keine Schublade vor ihm sicher“, schmunzelt Krennert. Bald wird Milian in der Kinderkrippe neue Laden erobern dürfen, mit Masern anstecken wird er sich dort aber nicht: „Meine Schwiegertochter sorgt dafür, dass alle Impfungen gemacht werden.“

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