Mit „Die Leiden des jungen Werther“ gelang dem Wegbereiter des Sturm und Drang Johann Wolfgang von Goethe der erste Bestseller und Klassiker der Weltliteratur verhalf ihm über Nacht zu Weltruhm.

Birgitt Valenta, Specialist, Marketing Project Management, MED-EL Wien

Allerhand Neues hab ich gemacht. Eine Geschichte des Titels: die Leiden des jungen Werther, darin ich einen jungen Menschen darstellte, der mit einer tiefen reinen Empfindung sich in schwärmende Träume verliert, sich durch Spekulation untergräbt, bis er zuletzt durch dazu tretende unglückliche Leidenschaften, besonders eine endlose Liebe zerrüttet, sich eine Kugel vor den Kopf schießt.

In diesem Brief an den Schriftsteller Gottlieb F.E. Schönborn kündigt Goethe seinen ersten Roman an. Es ist eine Dreiecksgeschichte par excellence, die Johann Wolfgang von Goethe in seinem Briefroman “Die Leiden des jungen Werther”, der erstmals 1774 erschien, beschreibt: Werther verliebt sich in die schöne Lotte, die ist jedoch bereits mit Albert verlobt. Auch mit diesem freundet sich Werther an und weiß schließlich keinen Ausweg mehr außer dem Freitod.

Der Roman ist aus einer radikal subjektiven Perspektive geschrieben: er besteht nur aus Briefen von Werther vor allem an einen Freund namens Wilhelm. Erst gegen Ende des zweiten Buches tritt ein Erzähler hinzu. Anhand der Briefe kann der Leser sowohl dem Verlauf der Handlung als auch den Gefühlen Werthers folgen, der immer verzweifelter wird, bis es schließlich in einer Katastrophe endet. Das Werk besteht aus zwei Büchern, die aber eher als zwei Teile eines einzigen Romans anzusehen sind.

Lotte gab es wirklich und auch den jungen Mann, der tragisch wie Werther endete. Denn im Buch werden auch eigene Erfahrungen vermengt: Johann Wolfgang von Goethe kam 1772 nach Wetzlar, um dort ein Praktikum am Reichskammergericht anzutreten. Auf einem Ball verliebte er sich – wie sein Werther – in die 19jährige Charlotte Buff. Später musste er erfahren, dass sie bereits verlobt ist. Mit Charlotte Buff und ihrem späteren Ehemann blieb Goethe jedoch ein Leben lang freundschaftlich verbunden. Das Motiv für den tragischen Ausgang dieser Liebe lieferte der Suizid seines Freundes Karl Wilhelm Jerusalem, Gesandtschaftssekretär in Wetzlar.

Eine ganze Generation entdeckte in diesem Briefroman das elementare Lebensgefühl der Hemmung angestrebter Persönlichkeitsentwicklung. Und noch weit mehr als das, denn der Jugendroman Goethes ist eine ausgesprochen große Liebestragödie. Goethe selbst sagte: „Die Wirkung dieses Büchleins war groß, ja ungeheuer, und vorzüglich deshalb, weil es genau in die rechte Zeit traf.“ Diese Zeit wird heute als Sturm und Drang bezeichnet, und “Die Leiden des jungen Werther” gilt als ihr Schlüsselroman.

Er traf die kulturmüde Stimmung des Zeitalters, das hier eine Gesinnung fand, die über das kirchliche Religionserlebnis hinausreichte. Die Sprachwut und die tollkühne Stimmungssteigerung, die in dem Ganzen lag, tat das Übrige. Aus heutiger Sicht mag manches, was im „Werther“ geschrieben steht, überhöht, unter Umständen gar verkitscht anmuten. Man darf jedoch nicht vergessen, dass zur Entstehungszeit des Textes echter Ausdruck von Gefühlen als hochmodern galten.

Johann Wolfgang von Goethe, 1749 in Frankfurt/Main geboren und 1832 in seiner langjährigen Wirkungsstätte Weimar gestorben, zählt zu den Ausnahmeerscheinungen seiner Zeit und ist der wohl unbestritten bedeutendste deutschsprachige Dichter. Gebildet und umfassend interessiert, hatte der studierte Jurist Ministerrang am Hofe des Herzogs von Weimar, trieb naturwissenschaftliche Forschungen und beschäftigte sich mit Bergbau, Geologie und Mineralogie. Goethe war vor allem ein Meister klarer Gedanken, die er in Verse, Gedichte, Dramen und Prosatexte fasste. Er gilt als der maßgebliche Autor des Sturm und Drang und zusammen mit Friedrich von Schiller sind sie die wichtigsten Vertreter der so genannten Weimarer Klassik.

Seine Dramen „Götz von Berlichingen“, „Iphigenie auf Tauris“ und natürlich der epochale „Faust“ haben bis heute nichts von ihrer Wirkung verloren. Seine Gedichte wie „Der Erlkönig“ oder „Das Heidenröslein“ sind Meisterwerke ihrer Gattung. Und mit seinem Roman „Die Leiden des jungen Werther“ löste er zu seiner Zeit eine ganze Moderichtung aus. Das Werk begründete Goethes Weltruhm. Er wurde in alle Weltsprachen übersetzt, selbst der Chinese malte Werthergestalten auf seine Vasen. Werther wurde von allen Ständen und Menschen jedes Alters gelesen, eine Täternatur wie Napoleon las ihn sieben Mal. Der Roman rief ein regelrechtes Wertherfieber hervor. Selbstmörder hatten den Werther in der Tasche, es kam sogar zu Verkaufsverboten, da die Kirche ihm vorwarf, den Freitod zu verherrlichen und für den Tod junger Selbstmörder verantwortlich zu sein. Er rief eine Werthermode ins Leben, in Deutschland trug man über Jahre den blauen Wertherfrack mit gelber Weste. Zweifelsohne war „der Werther“ so etwas wie der erste Bestseller, und damals entstanden auch erste Fan-Artikel, was man heute wohl als Merchandising bezeichnen würde.

Hörbuchversionen des Werthers gibt es zuhauf, speziell empfehlen möchte ich aber einerseits die Version des HörGut! Verlags, gelesen von Marek Harloff, auf der CD befindet sich zusätzlich zum Audiomaterial der Originaltext als PDF-Datei mit Worterklärungen, andererseits die für mich persönlich noch besser verständliche Stimme von Patrick Imhoff, der das Werk für den Buchfunk Verlag liest. Beide Hörbücher werden als Download bzw. Audio-CD angeboten.

Wer den Werther nicht ohnehin in Goethes gesammelten Werken im heimischen Bücherregal findet, dem empfehle ich zum Mitlesen derlei Klassiker gerne den guten alten Reclam-Verlag. Neben dem bekannten Format ist seit einiger Zeit auch der so genannte Reclam-XL erhältlich, der für Interessierte Kommentare und Hintergrundinformationen anbietet, die das Verständnis des Werkes erleichtern.

Viele Sätze und Passagen passen perfekt in Zitaten- und Aphorismensammlungen zum Thema Liebe – und es überrascht nicht, dass sie dort auch zu finden sind. Dieser Roman ist ein Klassiker der Weltliteratur – einer, der des Lesens mehr als wert ist.

In der Ausgabe von 1775 stellte Goethe dem Text einen Vierzeiler voran, der das Liebesgefühl in seinem Roman in der Tat bestens pointiert:

Jeder Jüngling sehnt sich so zu lieben,
jedes Mädchen so geliebt zu sein,
Ach, der heiligste von unsern Trieben,
warum quillt aus ihm die grimme Pein.


Buch: Die Leiden des jungen Werther, Reclam-Verlag, ISBN: 3150097622, 3150191246 (Reclam, XL)

Hörbuch: Die Leiden des jungen Werther, Sprecher: Marek Harloff, Verlag HörGut!, ISBN 978-3-938230-12-1; Sprecher Patrick Imhoff, Verlag Buchfunk

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