Nobelpreisträger Gabriel García Márquez beweist in seinem Roman Die Liebe in den Zeiten der Cholera die Wahrheit einer alten Redensweise: Liebe kennt keine Zeit.

Birgitt Valenta, Specialist, Marketing Project Management, MED-EL Wien

Wer liebt, muss warten, muss leiden können. Wenn sich auch niemand vorstellen mag, dass es fast 52 Jahre dauern wird, bis die Sehnsucht nicht länger ungestillt bleibt. Schon Plato behauptete, Liebe ist nur in dem, der liebt.

Die schönste Liebesgeschichte der Welt?

51 Jahre, 9 Monate und 4 Tage wartet Florentino Ariza auf Fermina Daza. Schon als Achtzehnjähriger hat er sich unsterblich in sie verliebt, in ihren stolzen Gang und den schweren Zopf auf ihrem Rücken. In poetischen Briefen hat er um sie geworben, für kurze Zeit ihre Aufmerksamkeit gewonnen, ihr einen Antrag gemacht. Sie aber hat ablehnen müssen und stattdessen den Arzt Urbino geheiratet. Im Lauf der Jahrzehnte hat Florentino unzählige Affären, und darüber hinaus bringt er es dank Fleiß und Intelligenz zu Reichtum und gesellschaftlichem Ansehen. Seine große Liebe aber vergisst er nie. Als Urbino schließlich stirbt, ist er zur Stelle, um Fermina ein zweites Mal um ihre Hand zu bitten. Sie begegnen sich auf einem Schiff, welk, zart und schüchtern, sich ihres Alters bewusst und doch voller Verlangen.

Kitsch oder Meisterwerk?

Márquez hat keine Scheu davor, sich in die Nähe des Kitsches zu begeben und verwandelte eine Geschichte, die schwächere Autoren höchstens zu einer Romanze ausgeschrieben hätten, in eine wunderbare Liebesallegorie, die sich über die Zeit und alle Hindernisse hinwegsetzt.

Die Geschichte beschäftigt sich neben aller Romantik aber auch in akribischen Details mit der des Alterns, der Vergänglichkeit, des biologischen Zerfalls und Siechtum.

Und man erhält reichlich Lektionen in kolumbianischer Landeskunde und Politik im Wechselbad mit Öko-Katastrophen und nie enden wollenden Krankheits-Epidemien, jener unsäglichen Cholera sowie Bürgerkriegen.

Aber neben aller dieser eher vielleicht für manche ernüchternder Passagen ist Die Liebe in der Zeiten der Cholera ein Schmöker vor allem für Liebeskranke, die auf ein Wunder hoffen. Der 1985 erschienene Roman über die Kraft der Liebe und die Vergänglichkeit des Lebens zählt zu den Meisterwerken des großen kolumbianischen Autors.

Nobelpreisträger

Gabriel García Márquez, geboren 1927 in Aracataca, Kolumbien, gilt als einer der bedeutendsten und erfolgreichsten Schriftsteller der Welt. 1982 erhielt er den Nobelpreis für Literatur für seine Werke, „in denen sich das Phantastische und das Realistische vereinen, die Leben und Konflikt eines Kontinents widerspiegeln“. Gabriel García Márquez hat ein umfangreiches erzählerisches und journalistisches Gesamtwerk vorgelegt. Er starb am 17. April 2014 in Mexiko City.

Gabriel García Márquez gilt als einer der ganz großen südamerikanischen Schriftsteller. ©Misiones Cuatro

Ein Buch wie ein Film

Gleich als Vorwarnung: Gabriel García Márquez schreibt nicht einfach, er beschreibt viel und detailreich. Trotzdem ließ mich dieser Roman alles um mich herum vergessen. Ich schlüpfte in eine andere Welt und Zeit. Vor meinem inneren Auge tauchten die Tropen auf, mit ihren Farben, Gerüchen und der zu dieser Zeit wütenden Cholera. Die Romanfiguren erschienen mir so lebendig, dass ich mit ihnen durch die Jahre lebte. Ich nahm Teil an dem Alterungsprozess der beiden Hauptfiguren, Florentino und Fermina, und fragte mich, wann und wie werden sie sich finden, und wie begegnen sich zwei altgewordene Körper, in denen sich so viel Lust für einander aufgespart hat? Aus meiner Sicht hat Gabriel García Márquez mit Ausnahme von Shakespeares Romeo und Julia einen der schönsten Liebesromane der Menschheitsgeschichte geschrieben.

Gehört oder unbedingt Gelesen?

Dass es zu diesem Werk keine Hörbuchversion gibt, wundert mich ganz und gar nicht. „Abenteuer im Kopf“, das funktioniert nur beim Lesen. Auch Mike Newells Verfilmung aus dem Jahre 2007 ist zwar ambitioniert, verliert aber auf der Leinwand den Zauber der Literaturvorlage sowie den Herzschlag der Leidenschaft. Wer also romantisch veranlagt ist und an die große Liebe glaubt, muss diese als große Literatur gepriesene Geschichte unbedingt lesen und darf dabei eintauchen in die wundervolle, zeitlose Welt der Liebe.


Buch: Die Liebe in den Zeiten der Cholera, Gabriel García Márquez, Fischer Taschenbuch Verlag, 512 Seiten, ISBN-10: 3596162513, ISBN-13: 978-3596162512

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