Vor 50 Jahren begann ich meine Tätigkeit als Klinischer Techniker am AKH Wien. In dieser Position konnte ich die Anfänge des Cochlea-Implantats miterleben.

Dipl. HTL-Ing. Wilhelm Gedlicka

Das Jahr 1969 war ein denkwürdiges Jahr – für die Menschheit, wie auch für mich. Der erste Mensch betrat den Mond. Und ich trat meine Arbeit an der ersten Universitäts-HNO-Klinik an – an jener Filialstation, die später zur zweiten Universitäts-HNO-Klinik wurde. Ich ahnte nicht, dass ich damit wenig später Teil der Entwicklergruppe des ersten Cochlea-Implantats in Österreich sein würde. Bevor am AKH die Ära der Cochlea-Implantation begann, gehörte aber die Überprüfung der Funktion des Hörnervs zu meinem Aufgabenbereich.

Frühe Testverfahren

An der Klinik befand sich damals ein kleiner Computer, ausgerüstet für Hirnstammaudiometrie, auch Evoked Response Audiometry oder ERA genannt. Wie mit der später entwickelten Hirnstammaudiometrie BERA misst man auch mit der ERA auf objektivem Weg die Hörschwelle und stellt die Funktion des Hörnervs fest. Dieses Verfahren war zeitaufwendig und der Patient durfte während der Messung den Kopf nicht bewegen. Kleinkinder mussten zur Messung sediert werden.

Die österreichische Firma Viennatone war damals führend in der Herstellung analoger Hörgeräte. Zu ihren Produkten zählten auch sogenannte Audiometer für subjektive Hörtests. Für Kleinkinder war dieser raschere, aber subjektive Test nicht geeignet.

Um trotzdem schnell zu klären, ob ein Baby hört, entwickelte ich ein spezielles „Baby-Reaktometer“: Eine Tonquelle, die in einen Spielzeugbären oder -hasen eingebaut war, wurde neben das Kind gestellt. Wenn das Kind den Kopf zum Ton drehte, war Hörvermögen sichergestellt. Viennatone übernahm diese Entwicklung und meldete sie zum Patent an. Damit war ein rascher Hörtest für Kleinkinder möglich, auch ohne der 1978 in Großbritannien entdeckten Otoakustischen Emissionen OAE, die heute beim Neugeborenen-Hörtest gemessen werden.

Die Geschichte des Cochlea-Implantats

Für taube Erwachsene und Kinder wurde das Cochlea-Implantat zum Hoffnungsträger. Damit wurde der Hörsinn zum ersten menschlichen Sinn, der ersetzt werden kann. Die Vorgeschichte des Cochlea-Implantats begann um 1790, als der italienische Physiker Alessandro Volta erst die Batterie erfand und dann ein Selbstexperiment damit wagte: Er verband eine Batterie mit zwei Metallstäben, die er sich in sein Ohr einführte. Er nahm ein Rütteln wahr, sowie ein Geräusch, das dem von kochender Suppe ähnlich war. 1936 wiesen die russischen Wissenschaftler Gersuni und Volokhov am Militärkrankenhaus Leningrad nach, dass zum Hören die Cochlea, also das Innenohr selbst, als Ort der Stimulation genutzt werden muss. Diese Erkenntnis war für die Weiterentwicklung der Cochlea-Implantate wesentlich.

Die erste direkte Stimulation des menschlichen Hörnervs erfolgte 1950 in Deutschland. In den 1970er-Jahren schließlich begann das Ehepaar Hochmair an der Technischen Universität Wien mit der Entwicklung des ersten mehrkanaligen Cochlea-Implantats weltweit. Am 16.Dezember 1977 implantierte Professor Kurt Burian an der zweiten Universitäts-HNO-Klinik des AKH Wien erstmals ein solches Cochlea-Implantat, welches die Cochlea an acht Stellen stimulierte.

Unglaubliche Sensation!

Die Cochlea-Implantation an sich war eine Sensation: Die Implantationen wurden damals über Kabel in unsere Bibliothek übertragen, wo Zuschauer der Operation folgen konnten.

Die mit dem CI erreichten Erfolge waren für viele noch unglaublicher. Die Patienten wurden immer wieder unterschiedlichen Klinikern und Wissenschaftlern vorgestellt, damit die sich von den Erfolgen selbst überzeugen konnten: auf verschiedenen Kongressen und auch an der Klinik selbst.

Ich erinnere mich besonders an eine Begegnung in besagter Bibliothek. Die erste implantierte Patientin wurde dort einer japanischen Delegation vorgestellt. Die Patientin musste gesprochene Worte nachsagen, und das ohne Lippenlesen. Es funktionierte so gut, dass die Gäste aus Japan es gar nicht glauben konnten. Die Fotoapparate waren voll im Einsatz! Ich beobachtete einen Gast, der sogar unter den Tisch schaute, ob er da vielleicht eine Signalleitung zwischen Sprecherin und Patientin finden würde. Er machte dann auch unter dem Tisch Fotos.

Wilhelm Gedlicka zu Beginn seiner 35-jährigen Tätigkeit am Wiener AKH ©privat

Neues im Umfeld des CIs

Mit dem Umzug der Klinik ins „Neue AKH“, in das neue Gebäude, verschob sich auch mein Arbeitsschwerpunkt: Ich war nun hauptsächlich mit der Betreuung von Patienten, mit statistischen Auswertungen und mit wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt. Eine dieser Statistiken zeigte den Zusammenhang zwischen der intraoperativen Reflexmessung des Stapedius und der Erstanpassung von CI-Systemen bei Kleinkindern.

Im AKH sah ich damals oft die CI-Techniker mit ihren schweren Laptops im Einsatz. Das brachte mich auf die Idee, ob auch ein kleineres Gerät für diese Arbeit einsetzbar wäre. Damals kam gerade der Palmtop auf den Markt: eine Art „Winzig-Computer“, der – so der Name – in eine Hand passt. Damit konnte man aber auch ohne großen Aufwand Informationen aus dem Prozessor auslesen. Ich entwickelte in einer geeigneten Windows-Anwendung die Software dazu. Für den Funktionstest des Implantats, wie er auch während der Operation durchgeführt wird, war der damals schwere Laptop nicht mehr notwendig.

Diese beiden und weitere Arbeiten im Umfeld des CIs konnte ich auch bei verschiedenen Tagungen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Audiologen und Neurologen ADANO vorstellen. Es gab noch viele weitere spannende und freudige Momente bei meiner Tätigkeit für das Cochlea-Implantat, bis ich 2004 meinen Ruhestand antrat. Ich möchte keine Minute meiner 35 Jahre an der HNO-Abteilung und meiner Arbeit mit den CI-Nutzern missen!

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