Lärm reduziert Konzentration und Lernerfolg von Schülern, gefährdet bei langfristiger Belastung die Gesundheit und erschwert für Menschen mit Höreinschränkung das Verstehen von Sprache.

Ein Keilrahmen, Leinenstoff, Farben und Kreativität – die Ergebnisse der Kunstprojekttage Anfang Oktober sind dekorativer Deckenschmuck in der Pausenhalle des Brigittenauer Gymnasiums. Die mehr als 100 Teilnehmer der Abschlusskonferenz von Lernen ohne Lärm, kurz: LoL, lassen es mitunter etwas lauter werden, wenn sie den weitläufigen Raum durchstreifen. „Kundengespräche sind trotzdem gut möglich“, zeigt sich ein Aussteller erstaunt. Dass die Kunstobjekte der Schüler gleichzeitig lärmdämpfend wirken, könnte auch ein zufälliger Nebeneffekt sein.

Das Projekt LoL beschäftigt sich mit der Auswirkung von Lärm in der Schule und erarbeitet Gegenmaßnahmen, die teilweise auch im Privatbereich umsetzbar sind. Bau- und Raumakustik ist dabei nur einer der Bereiche, die bei LoL von Lehrern und Schülern gemeinsam unter die Lupe genommen wurden. Auch der konstruktive Umgang mit Kommunikations- und Konfliktsituationen in der Gruppe und die Verbesserung organisatorischer Prozesse soll die Lärmbelastung aller Beteiligten senken.

Turnen – kein Lieblingsfach für Lärmempfindliche

„Jetzt geh‘ ich nächste Woche doch endlich zum HNO“, seufzt eine Besucherin beim Verbeigehen. Ihr Namensschild weist die Frau in den besten Jahren als Lehrerin eines anderen Gymnasiums aus. Ein kurzer Hörtest am Informationsstand der AUVA hat ihr eine deutliche Lärmschwerhörigkeit bescheinigt, für Pädagogen durchaus eine Berufserkrankung. Besonders bei der Pausenaufsicht auf langen Gängen oder im Speisesaal, sowie beim Unterricht im Turnsaal können hörschädigende Lärmpegel wirksam werden.

„Der durchschnittlich gemessene Schallpegel in Bildungseinrichtungen verursacht zwar keine Hörschäden, wirkt sich aber auf Stimmapparat, Konzentration und Aufmerksamkeit belastend aus“, so der Leitfaden des Umweltdachverbands zum Projekt LoL. Lärm erhöht unter anderem die Stresshormone und fördert Anspannung, Ärger, Nervosität und Angst. Der Text weiter: „Er beeinträchtigt die sprachliche Kommunikation, sowie Aufmerksamkeits- und Gedächtnisfunktionen.“ Schwerhörige Lehrer und Schüler leiden besonders unter einer solchen Einschränkung von Kommunikation, da Sprachverstehen im Störschall ihnen generell mehr Konzentration abverlangt als normalhörenden Menschen.

Lärmreduktion organisieren

Lehrer und Schüler für die Auswirkungen von Lärm zu sensibilisieren, schafft Basis für Veränderungen. Profis messen die Lautstärke von Lärm mit einem Schallpegelmesser, angegeben wird sie in Dezibel. Sogenannte Lärmampeln stellen den Schallpegel je nach Lautstärke in Grün, Gelb oder Rot dar und machen ihn so auch für junge Schüler gut sichtbar. Alternativ gibt es auch Handy-Apps zur Lärmmessung. Sie geben die Dezibel an, sind aber natürlich deutlich ungenauer als professionelle Geräte. Wichtig ist, dass alle Beteiligten Rückmeldung bekommen, wenn es lauter wird – ob in der Hitze einer Diskussion oder weil beim Wegräumen die Sessel zu achtlos verschoben werden. Gegen das unangenehme Geräusch von verschobenen Sesseln können übrigens Filzgleiter helfen. Für die Schreibstifte sind Schüttelpennale leiser als Etuis aus Plastik oder Metall.

Der Veranstaltungsort der Schlussveranstaltung von LoL, das Brigittenauer Gymnasium, liegt in einem verkehrsberuhigten Wohnviertel. Das trifft weder auf alle pädagogischen Einrichtungen zu, noch auf die durchschnittliche Wohnsituation. Den Lärm von draußen halten lärmisolierende Fenster zwar gut ab, aber bei jedem Lüften wird es auch im Zimmer laut. „Kippen Sie Fenster nicht nur, sondern öffnen Sie sie kurzfristig ganz“, diesen und viele weitere Tipps hält die Broschüre des Umweltdachverbands nicht nur für interessierte Pädagogen bereit. Ein Tipp, der sich für lärmsensitive Phasen im Tagesablauf auch problemlos auf den Privatbereich umlegen lässt.

Wandverkleidung und Raumteiler flüstern

Ein wesentlicher Faktor für Lärmentwicklung und Sprachverstehen ist aber die – teilweise vorgegebene – Bau- und Raumakustik. Dabei unterscheidet man zwischen Schalldämmung und Schalldämpfung. Die Dämmung beschreibt den Schutz eines Gebäudes vor Schallübertritt von einem Raum in den anderen, beziehungsweise vom Freien ins Rauminnere und umgekehrt. Bei der Dämpfung geht es um harte Oberflächen, an denen Schall abprallt und zurückgeworfen wird, also reflektiert wird: die Ursache für Hall und Echo. Moderne Architektur mit parallelen Wänden, großen Glasfronten und glatten Böden bedingt höhere Reflexionen und längeren Nachhall. Aber auch historische Gewölbe, hohe und weitläufige Räume können besonders hallig sein.

„Gerade wenn es um Hörbeeinträchtigung geht, muss die Sprachverständlichkeit besser und damit die Nachhallzeit kürzer sein“, erklärt Mag. Thomas Egger, der über sein Planungsbüro akustische Messungen und Konzepte zur Verbesserung der Raumakustik bietet.

Unter der Nachhallzeit T60 versteht man jene Zeit, in der nach dem Verstummen der Schallquelle der Schalldruck im Raum auf ein Tausendstel seines Anfangswerts abfällt, sich also um 60 Dezibel verringert. In Klassenzimmern oder Wohnräumen, in denen audioverbal kommuniziert wird, sollte die Nachhallzeit zwischen 600 und 800 Millisekunden sein, für hörbeeinträchtigte Menschen um 20 Prozent kürzer. Für Musik liegt die ideale Nachhallzeit deutlich höher. Vortragende klagen, dass sie in Räumen mit zu wenig Nachhall lauter sprechen müssen. Egger ergänzt aus seiner Sicht: „Bei Klassenzimmern ist das Problem noch komplexer, da geht es um gezielten Schalltransport.“

Wohnungen zum Wohlhören

Die aktuelle Bauordnung legt großen Wert auf Schalldämmung. Die Schalldämpfung wird oft noch stiefmütterlich behandelt, auch im Wohnbau. „Zum Beispiel bei Übungsräumen für Gitarristen“, hat Egger auch Privathaushalten mit seinem Service schon geholfen. Meist gehe es dabei um die Raumakustik in relativ kleinen Zimmern und um die Dämmung zum restlichen Gebäude. Ein Kunde ist ihm besonders in Erinnerung: „Das war ein modernes Gebäude mit einem hohen Dachbereich über vier Meter, und mit lauter glatten Wänden.“ Die Herausforderung dort war, die Raumakustik zu verbessern, ohne die Optik zu beeinträchtigen.

Die Raumakustik vorab zu bedenken, zahlt sich im wahrsten Sinn des Wortes aus. Messung, Berechnung und Beratung für den Wohnbereich hat mit 600 – 800 Euro kaum Einfluss auf die Gesamtkosten für Bau oder Sanierung von Haus oder Wohnung, telefonische Beratung für Einzelfragen ist sogar noch günstiger.

Nicht immer braucht es gleich Akustikdecke und schallabsorbierende Wandbeläge, weiß der Schall-Profi: „Man kann auch gezielt einrichten, zum Beispiel Kastentüren mit gelochter Front, innen mit Vlies abgedeckt.“ Der Standnachbar verweist eifrig auf sein Angebot: Insellösungen für Arbeitsplätze, mit halbhohen offenen Regalen und Pinnwänden. Die Hersteller von Akustikplatten überwiegen trotzdem bei LoL. Von Lösungen aus natürlicher Schafwolle, die den höchsten ästhetischen Ansprüchen gerecht werden, über speziellen Akustikputz für Zimmerwände, bis zu einfachen Akustikplatten aus Polyesterfaser, für die Selbstmontage mit Klebepads ausgestattet – die Vielfalt des Angebots kann überraschen. Selbstgebaute Absorber aus Eierkartons, Schaumstoffen oder Styropor weisen nur geringe Wirksamkeit auf, stellen aber eine erhöhte Brandgefahr dar, warnt die LoL-Broschüre des Umweltdachverbands. Wer kostengünstigen Lärmschutz selbst bauen will, der findet bei www.lernenohnelaerm.at eine Bauanleitung für Panelabsorber – so ähnliche, wie sie im Pausenraum des Brigittenauer Gymnasiums als Kunstwerke hängen.


Infos vom Profi

Lärmmessungen, Konzepte und Beratung: www.dieklangschmiede.at

Lärmdämpfende Wand- und Deckenelemente zum Kauf und für die Selbstmontage: www.whisperwool.at, www.upeco.at/de/raumakustik, www.spielplatzservice.at/#akustik

Lärmdämpfende Paneele für den Eigenbau und viele weitere Tipps zur Vermeidung oder Minderung von Lärm im Innenbereich: www.lernenohnelaerm.at


Fünf Tipps für barrierefreies Wohnen mit Hörbeeinträchtigung

1. Türglocken, Rauchmelder und andere Sicherheitssysteme sollten mit Blitzfunktion ausgestattet sein. Das ist besonders dann wichtig, wenn der Betroffene sein Hörsystem gerade nicht trägt, wie in der Nacht.

2. Für Fernseher, Stereoanlage und Telefonanlage gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Technologien für die einfachere Nutzung von Hörbeeinträchtigten: beispielsweise Telefonverstärker, Induktionsanlage oder Bluetooth LE. Fix installierte Systeme erleichtern den unkomplizierten Umgang im Alltag.

3. Das Erkennen von Stimmen durch die Eingangstür kann selbst für Normalhörende eine Herausforderung sein, deswegen sollte ein Gast an der Tür auch optisch gut erkennbar sein. Eine Glastür oder eine Sicherheitskamera bei der Eingangstür bieten mehr Sicht, als ein „Spion“. Eine eigene Lichtquelle außen vor der Tür kann besonders im Winter wichtig sein.

4. Ausreichende Beleuchtung erleichtert das Lippenlesen, Kochinseln und Schreibtische mit Blick zum Zimmer die Kommunikation mit Familienmitgliedern und Gästen während der Arbeit.

5. Teppiche, Vorhänge und gut durchdachte Einrichtung können die Raumakustik deutlich verbessern. Spezialisten bieten dazu Beratung.

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