Familien von Kindern mit Fehlbildungen benötigen oft Diagnose und Behandlung mehrerer Kliniken unterschiedlicher medizinischer Disziplinen für ihr Kind. Das Craniofaciale Zentrum in Innsbruck bietet den Familien eine zentrale Anlaufstelle.

„Hörprobleme sind unsichtbar“, so klagt CIA-Obmann Hans Horak immer wieder. Denn für Fremde ist es bei hörbeeinträchtigten Personen in der Regel nicht offensichtlich, warum diese manchmal Rücksicht bei der Kommunikation benötigen. Eine Ausnahme bildet die Gehörgangsatresie, der Verschluss des äußeren Gehörgangs, mitunter kombiniert mit einer Fehlbildung des Mittelohrs. Sie geht oft mit einer ungewöhnlich kleinen Ohrmuschel, Mikrotie, oder dem gänzlichen Fehlen derselben, Anotie, einher. Für die Betroffenen ein doppeltes Problem, denn zur Hörbeeinträchtigung kommt das Risiko der Stigmatisierung.

Auch die heute 16-jährige Steirerin Selina wurde mit einer solchen Atresie geboren. Sprachverstehen im Störschall war oft schwierig, auch im Schulunterricht. Auch wenn sie nie gehänselt wurde, wie sie sagt, hat sie ihr rechtes Ohr lieber unter langen Haaren versteckt. Vor zwei Jahren entschloss sich die Schülerin dann zu einer Kombination mehrerer Operationen: Die Implantation einer Bonebridge und die kosmetische Rekonstruktion der Ohrmuschel. Dass sie heute das normale Leben eines Teenagers führen kann, verdankt sie der interdisziplinären Zusammenarbeit der Spezialisten an der Plastischen Chirurgie, der HNO-Klinik, der phoniatrisch-audiologischen Klinik HSS, der Radiologie und der Anästhesie.

Zentrale Hilfe für Betroffene

Selina hatte Glück, denn Mag. Franz Muigg von der HSS hat sich ihrer angenommen und die Termine für sie organisiert. Seit November 2019 fungiert das Craniofaciale Zentrum als Koordinationsstelle und zentrale Anlaufstelle für Betroffene. „Ein betroffenes Kind beziehungsweise seine Eltern können nicht wissen, was, wann und wo am besten behandelt wird und es ist eigentlich nicht zumutbar, dass sich Patienten selbst um übergreifende Termine an mehreren Kliniken bemühen müssen“, bringt es Univ. Prof. Dr. Gerhard Pierer, Direktor der Innsbrucker Universitätsklinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie und Sprecher der Mitgliederversammlung auf den Punkt. Neben Atresie und Mikrotie gehören Lippen- und Gaumenspalte, Verformungen des Schädels oder der Augen zu den typischen Fehlbildungen des Kopf-, Hals- und Gesichtsbereichs.

Univ. Doz. Dr. Claus Pototschnig, Geschäftsführender Oberarzt an der Universitätsklinik für HNO und Leiter des Craniofacialen Boards, ergänzt: „Es ist egal, auf welchem Weg der Patient zu uns findet – vom Hausarzt überwiesen oder über direkten Kontakt. Und es ist egal, in welcher Abteilung der Erstkontakt erfolgt. Alle relevanten Kliniken erstellen gemeinsam einen individuellen Behandlungsplan für jede Patientin und jeden Patienten. Und zwar von Diagnose über Behandlung bis zur Nachsorge.“

Vom Experiment direkt ans Bett

Dank der Einbindung der Medizinischen Universität wird das Craniofaciale Zentrum wissenschaftlich begleitet. So können neue Behandlungsmethoden rasch zum klinischen Einsatz kommen und gleichzeitig wissenschaftlich begleitet werden. Mit Christine Fauth ist außerdem eine Vertreterin des Instituts für Humangenetik im Zentrum tätig: „Fehlbildungen können erblich bedingt sein und hier gilt es, die Hintergründe genau zu eruieren, um den betroffenen Familien auch beratend zur Seite stehen zu können.“ Bei Bedarf stehen den Patienten auch psychologische Unterstützung oder Betreuung durch Sozialberater zur Verfügung.

„Lippenlesen brauche ich fast gar nicht mehr“, sagt Selina. Mit der Bonebridge kann sie nun beidseits gut hören und damit auch bei Hintergrundgeräuschen gut verstehen. Auch die kosmetische Korrektur empfindet sie als hilfreich: „Jetzt trage ich auch öfters einen Dutt.“


Das Craniofaciale Zentrum Innsbruck vereint elf Fachdisziplinen:

  • Universitätsklinik für Anästhesie und Intensivmedizin
  • Universitätsklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
  • Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde
  • Universitätsklinik für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen
  • Institut für Humangenetik der Medizinischen Universität Innsbruck
  • Universitätsklinik für Kieferorthopädie
  • Department Kinder- und Jugendheilkunde der Medizinischen Universität Innsbruck
  • Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
  • Universitätsklinik für Neurochirurgie
  • Universitätsklinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie
  • Universitätsklinik für Radiologie

Bei Bedarf stehen auch psychologische Unterstützung und Sozialarbeiter zur Verfügung. Weitere Informationen: cfc.tirol-kliniken.at

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