Walter Widler bezeichnet sich selbst als Musikant und legt Wert auf die Unterscheidung zu Musikern. Mit verschiedenen Ensembles gestaltet der ertaubte Niederösterreicher die musikalische Umrahmung für Feiern und Veranstaltungen.
Der Saal im Haus der Musik in Wien ist voll besetzt. Die Musik klingt aus. Als Walter Widler den Bogen von den Saiten der Geige absetzt und sich verbeugt, glänzt im Scheinwerferlicht nicht nur der hölzerne Körper seiner Geige, sondern auch der dunkle Audioprozessor über dem linken Ohr, der es dem Musikanten ermöglicht, seine eigene Musik zu hören.
Widler stammt aus einer musikalischen Familie, in der jedes Kind zumindest ein Instrument erlernte. Auch er selbst begann als Zehnjähriger Geige zu spielen: „Ich wollte das unbedingt und ließ nicht locker, bis ich endlich an die Musikschule durfte.“ Zuvor hatte er zwar schon Blockflöte erlernt, doch obwohl er schon ab dem Kleinkindalter Hörprobleme hatte, eiferte Widler seiner Mutter beim Geigenspiel nach. Mit zwölf Jahren bekam er sein erstes Hörgerät – und profilierte sich mit Hörgerät und Violine bei Solo- und Orchesterauftritten der Musikschule. Zudem erlernte er Bratsche, Saxophon und Gitarre und er singt: „Stimmlage Bariton-Bass.“ Er strahlt, wenn er erzählt.
Abschied von der Musik
Bei der Erinnerung an das Jahr 2002 erstirbt Widlers strahlendes Lächeln, denn es war ein schmerzhaftes Jahr für den lebensfrohen Mann. Damals musste er sich eingestehen, dass er nach zahlreichen Hörstürzen trotz mittlerweile beidseitiger Versorgung mit Hörgeräten faktisch taub war. Mit einem Sprachverstehen von nur mehr 30 Prozent war audioverbale Kommunikation kaum mehr möglich.
Bei den Auftritten seiner Ensembles war er zwar meist im Publikum mit dabei, aber: „Ich stand vom Gefühl her außerhalb – war Zuhörer, ohne zu hören. Es machte mich unsagbar traurig, kein aktiver Teil der Gruppe sein zu können.“ Zusätzlich verlor Widler mit der Ertaubung auch noch seine Selbständigkeit im Alltag: „Wenn ich damals allein zuhause war, hörte ich weder die Türglocke noch das Telefon.“
Zurück in ein beschwingtes Leben
Zwei Jahre dauerte Widlers Taubheit. Dann riet ihm ein Arbeitskollege, am AKH Wien nach der Möglichkeit zur Cochlea-Implantation zu fragen. „Es kann nur besser werden, dachte ich mir“, so Walter Widler. Die Implantation war die einzige Chance für den Musikanten, wieder an Gesprächen teilzunehmen und auch wieder zu musizieren. Mit dem Hören kam auch die Selbstsicherheit wieder: „Früher hatte ich oft Angst, dass ich etwas überhört oder falsch verstanden haben könnte. Dass ich auf andere unsympathisch wirke, wenn ich nicht oder nicht passend antwortete.“ Das bessere Hören wirkte sich deswegen auch auf seine Beziehungen positiv aus.
„Nach der Implantation dauerte es eine Weile, bis ich wieder ein für mich akzeptables Niveau beim Musizieren erreichte“, erinnert sich Widler. Hörtraining an der Klinik und zuhause mit der Ehefrau ging den ersten musikalischen Aktivitäten voran. Auch eine genaue Einstellung des Audioprozessors hat zum Erfolg beigetragen: „Ich ließ einfach nicht locker, bis ich mit der musikalischen Klangqualität zufrieden war.“
Besonders Violine und Bratsche stellen hohe Ansprüche an das Gehör der jeweiligen Musiker: Diese Instrumente haben keine Bünde am Steg, die den Musikern helfen, die Seiten an der jeweils richtigen Stelle zu greifen. Die richtige Tonhöhe wird nur über das Hörvermögen kontrolliert. „Mein künstliches Gehör dient mir dabei als Kontrolle. Seit ich mit der speziellen Musikeinstellung am Prozessor arbeite, stimmen 99 Prozent der Töne.“
Perfektes Zusammenspiel
„Gutes Gehör ist für mich auch beim Zusammenspiel mit Blasinstrumenten unabkömmlich“, betont Widler. Er spielt jetzt wieder mit drei verschiedenen Volksmusik-Ensembles. Der Weinviertler verwendet dabei keine Noten, er singt und spielt auswendig und transponiert nach Gehör. „Die Geige ist in C gestimmt, die Klarinette in B. Ich muss transponieren und hören, ob das, was ich spiele, richtig klingt.“ Auch wenn er einen Chor, eine Gesangsrunde oder das Mundharmonika Ensemble mit der Gitarre begleitet, möchte er Dominant-Septime, Akkorde und Tonhöhe richtig erkennen: „Ich will spüren und hören, was die Musik alles hergibt.“
Das perfekte Zusammenspiel der Instrumente wird auch durch ein perfektes Zusammenspiel Widlers Hörhilfen ermöglicht. „Links höre ich zwar nur noch die tiefen Töne, die durch mein Hörgerät verstärkt werden. Doch das liefert mir beim Musizieren wichtige akustische Details“, und er ergänzt: „Ohne CI wäre ich allerdings verloren, nicht nur musikalisch.“