Die Sonderverwaltungszone Hongkong der Volksrepublik China ist etwa drei Mal so groß wie Wien und hat fast so viele Einwohner wie ganz Österreich. Während meiner fünf Besuche in den letzten 18 Jahren hat sich sehr viel verändert.

Wolf-Dieter Baumgartner

Leider habe ich das „alte“ britische Hongkong nicht mehr persönlich erlebt. Meine eigene medizinisch-chirurgische Geschichte beginnt im März 2002 im bereits wieder chinesischen Hongkong.

Vom „neuen London“ zur chinesischen Metropole

Viel ist über China schon geschrieben worden… und Hongkongs Geschichte ist chinesisch, exakt wie im letzten Heft beschrieben. Bis ins 19. Jahrhundert war Hongkong mehrere Jahrtausende chinesische Hafenstadt. Nach der chinesischen Niederlage im ersten Opiumkrieg (1839 – 1842) wurde Hongkong 1841 britisch. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde das chinesische Kaiserhaus gezwungen, etliche Hafenstädte, wie zum Beispiel auch Shanghai, an die europäischen Großmächte Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Russland für bis zu 99 Jahren zu verpachten. Als britische Kronkolonie, Hafen-, Bank- und Wirtschaftszentrum und unter wenig zimperlicher Ausnützung der billigen chinesischen Arbeitskräfte entwickelte sich Hongkong rasch zum führenden Wirtschaftszentrum Ostasiens. Im zweiten Weltkrieg war Hongkong für fünf Jahre japanisch besetzt.

Für Mao Tse-tung (bzw. Mao Zedong), dem Gründer des modernen kommunistischen Chinas, war es schon 1949 bei der Staatsgründung unerträglich, dass fremde europäische Staaten auf urchinesischem Territorium Städte und Gebiete „gepachtet haben“. 1982 begannen die Zukunftsgespräche über Hongkong zwischen der Volksrepublik China und der britischen Regierung. Die Briten, die in den über 100 Jahren ihrer Herrschaft ein asiatisches, prosperierendes neues London geschaffen hatten, hofften, die chinesische Regierung überzeugen zu können, dass Hongkong für immer britisch bliebe. Genau das Gegenteil war der Fall. China bestand beharrlich unfreundlich auf eine komplette Übergabe. Es war der offiziell erstmals öffentlich zur Schau gestellte Start der Ein-China-Politik.

Am 1. Juli 1997 wurde Hongkong nach 156 Jahren britischer Herrschaft an China zurückübergeben. Ein Land – zwei Systeme, versprach damals Chinas Staatschef Deng Xiaoping. Heute, 23 Jahre später, wissen wir aus den täglichen Nachrichten, was davon geblieben ist. Rotchina spielt auf Zeit. 2047 laufen die letzten Sonderregelungen aus und spätestens dann ist das ehemals demokratische und kapitalistische Hongkong, mit freier Presse, wieder Mainland China, also eine normale chinesische Stadt unter vielen. Die 1997 ausgestellten britischen Pässe, von der Hongkonger Bevölkerung (auch der chinesischen) damals sehnsüchtig erwartet, sind/waren wenig wert, verweigern sie doch den Besitzern das Wohnrecht im United Kingdom.

Wolf-Dieter Baumgartner auf der Aussichtsplattform des 552 Meter hohen Victoria Peaks auf Hong Kong Island. ©privat

Hörimplantationen und das Gesundheitssystem Hongkongs

Ich selbst habe an der Chinese University of Hongkong mehrmals Cochlea-Implantate, Soundbridge und Bonebridge operiert. Mein Freund und Kollege Prof. Michael Tong leitet die HNO-Universitätsklinik Hongkong. Seine Tochter studierte in Wien Violine und wir haben seit bald 20 Jahren regen Kontakt.

Die Corona Virus-SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome) -Epidemie im Winter 2002/2003 hat Hongkong hart getroffen. Bis auf wenige otologisch tätige Kollegen wurde die ganze HNO Universitätsklinik Hongkong ausradiert. Fast alle HNO-Kollegen starben. Die Infektion erfolgte, analog zum heutigen Corona (COVID 19), durch das respiratorische Epithel der Nase und des Mundes. Damit waren/sind die HNO-Ärzte am meisten gefährdet. Von etwa 1.800 SARS-Infizierten in Hongkong sind etwa 300 gestorben. Heute erinnern Büsten als SARS-Denkmal in einem Hongkonger Park an die damals an der Seuche verstorbenen Kollegen.

Die sogenannten Bonebridge-Lifts hatten im Jahr 2014 in Hongkong Weltpremiere. Das weltweit erste Bonebridge Implantat mit den damals erstmals neu verfügbaren Lifts wurde von Prof. Tong und mir selbst gemeinsam in Hongkong während eines Live-OP Kurses operiert.

Für Hongkonger ist es nicht leicht, ein Cochlea-Implantat oder implantierbares Hörgerät zu bekommen. Alle Vibrant Soundbridge oder Bonebridge Implantate sind komplett privat zu bezahlen. Also Implantat, Operation, Krankenhaus, Arzt, alles ist aus eigener Hand zu begleichen, vom Staat gibt es keinerlei Unterstützung oder gar Zuschuss. Für Erwachsene ist auch das Cochlea-Implantat komplett privat zu bezahlen, bilateral sowieso. Es gibt für Erwachsene keine finanzielle Unterstützung. Bei Kindern wird ein Cochlea-Implantat vom Hongkonger Gesundheitssystem übernommen. Nur eines! Bei bilateraler Implantation müssen die Eltern das zweite Cochlea-Implantat voll bezahlen. Damit erklären sich auch die relativ bescheidenen Implantat-Zahlen trotz hoher Bevölkerungsdichte.

Hongkong hat sich seit 2002 stark verändert. Konnte ich damals problemlos in Englisch ein Taxi bestellen, den Taxlifahrer bezahlen oder mich im Restaurant auf Englisch verständigen, so ist dies heute im Taxibereich völlig unmöglich, im Restaurant nicht immer einfach. Hongkong ist heute eine komplett chinesische Stadt. Englisch wird kaum noch gesprochen, nur im internationalen Geschäftsbereich oder an den höheren internationalen Universitäten. Maos Traum wird wahr, in zwei Jahrzehnten ist Hongkong wieder eine gewöhnliche chinesische Stadt.

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