Ich suche auf Reisen gerne nach den typischen Kleinigkeiten, die im Gastland anders sind als zuhause. In Ecuador lernte ich auch Projekte für Menschen mit Kommunikationsproblemen kennen.

Eva Kohl

Auf Reisen finde ich es besonders spannend, neben den Prachtstraßen auch die Hinterhöfe zu besichtigen. Oder wesentliche Nebensächlichkeiten wie beispielsweise Klotüren. So habe ich Anfang des Jahres in Ecuador erstmals die Toilette einer Tankstelle durch eine kunstvoll geschnitzte Stil-Holztür betreten. Zugegeben, es war nur ein Kunststoffimitat, aber aus der Entfernung hat die Tür gleich hinter den Zapfsäulen täuschend echt ausgesehen…

Primär war diese Reise ein Fest für die Sinne. Farbenprächtige Blumen und bunte Malereien, der Geschmack exotischer Speisen und selbstgemachter Schokolade, der süße Geruch reifer Früchte und natürlich unzählige Geräusche: vom Schrei der Papageien in der Auswilderungsstation, dem ohrenbetäubenden Brausen des Wasserfalls und dem leisen Klopfen, wenn im Tropenregen die Tropfen von Blatt zu Blatt fallen, bis hin zum melodischen Klang des Castellano, dem Spanischen, das in Ecuador Amtssprache ist. Auch in Ecuador leben Menschen, die das alles nicht uneingeschränkt hören, das wurde mir in Cuenca bewusst.

Farbenprächtig zeigt sich Ecuador nicht nur durch seine Natur. ©Eva Koh

Universität im Andenhochland

Die historische Innenstadt von Cuenca, der drittgrößten Stadt Ecuadors, besticht mit kolonialer Architektur, vielfältigen Marktplätzen und farbenfrohen Fassadenmalereien. Etwas außerhalb, im dicht verbauten Stadtteil Loja Argelia, liegt die Universidad Politécnica Salesiana, die Technische Privatuniversität der Salesianer Don Bosco. Hat man das bewachte Tor passiert, überraschen großzügige Freiflächen mit prachtvollem Blumenschmuck und gepflasterten Plätzen, vorgelagert ein ebenso weitläufiger Parkplatz. Den Horizont bilden die modernen Universitätsgebäude.

Da ich mit einer Gruppe der Entwicklungshilfeorganisation Jugend eine Welt und mit dem lokalen Entwicklungs- und Tourismusunternehmen Maquita reiste, durfte ich auch weniger touristisch bekannte Seiten Ecuadors kennenlernen: An der Universität waren das Uni-Campus und -Labors, sowie die aktuellen Abschlussprojekte einiger Studierender. Bei den Projekten ging es um nachhaltige Verbesserung für das Leben von Randgruppen und benachteiligter Bevölkerung, primär im Bereich Ernährung und Gesundheit, einige Projekte beschäftigten sich mit Kommunikationsproblemen.

Sprache wie vom Roboter

„Wir arbeiten in verschiedenen Bereichen für beeinträchtigte Menschen, in Kooperation mit anderen Universitäten und Fachrichtungen und im Rahmen eines UNESCO-Projekts“, erklärte ein Mitarbeiter der Universität. Er führte uns in den Vorlesungsraum, wo drei Studierende, zwei davon junge Frauen, auf uns warteten: 48 Prozent der rund 6.000 Studierenden sind Frauen – ein beachtlicher Anteil in einem Land mit traditionellen Rollenbildern.

Das Gerät auf dem Tisch wirkte wie ein Spielzeugroboter. „Der hilft Kindern von drei bis sechs Jahren mit Dyslalie oder Kindern mit Hörgeräten“, stellte die Technikstudentin ihre Entwicklung vor, „Kinder, die Kommunikation mit Erwachsenen ablehnen.“ Sie können den Roboter via Touchscreen selbst bedienen und so 17 Phoneme üben. „Besonders der Buchstabe ‚R‘ macht oft Probleme. Das Kind sieht beim Roboter, wie Mund und Zunge geformt sind, und versucht das zu imitieren.“ Vorerst gibt es nur spanisch sprechende Prototypen, es ist aber geplant, den Bauplan Interessenten kostenfrei zur Verfügung zu stellen.

Inklusion an der Gemeinwohluniversität

Einen Erasmus-Preis gewann ein Projekt, das Anleitung zur Inklusion von Schülern mit unterschiedlichen Behinderungen in den Regelunterricht erarbeitet. Eine andere Studiengruppe entwickelte eine Informationsplattform für gebärdensprachliche Ecuadorianerinnen zum Thema Geschlechtskrankheiten. Der Zugang zu Bildung und Information ist wichtig für eine inklusive Gesellschaft.

Auch im Uni-Alltag geht es am Politécnica um Gemeinwohl und inklusive Gesellschaft. Die preisgünstigste Privatuni Ecuadors ermöglicht mit sozial gestaffelten Studienbeiträgen von 200 bis 2.400 Dollar pro Semester auch Studierenden aus benachteiligten Bevölkerungsgruppen den Zugang. Beim Verlassen des Uni Campus fällt mir noch eines meiner „Sammelobjekte“ auf: eine Toiletten-Tür zu einer rollstuhlgerechten Toilette, beschriftet auch in Brailleschrift. Die Uni scheint gerüstet für Studenten mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen.


WISSENSWERT

Ecuador im Frühling 2020

Die Corona-Krise trifft Ecuador besonders hart*. „In der Hafenstadt Guayaquil werden die Toten nicht mehr abgeholt und es gibt keine Särge mehr“, warnte Ing. Reinhard Heiserer, Geschäftsführer von Jugend eine Welt, in einer Mail kurz vor Ostern. Bis 7. Mai wurden landesweit 1.618 Corona-Todesfälle registriert**. Die Universität der Salesianer versucht mit zahlreichen Projekten, die Folgen der Krise zu mildern: zum Beispiel mit der Produktion von Gesichtsschilden für Ärzte oder der Entwicklung eines einfachen Beatmungsgeräts.

Wirtschaftskrise und Ausgangssperre verschärfen die Situation nachhaltig und bringen zahlreiche Familien nahe an den Hungertot. Entwicklungshilfe-Organisationen geben Nahrungspakete an die armen Bevölkerungsteile aus. Wer die Entwicklungshilfeorganisation der Salesianer unterstützen möchte, die Folgen der Krise – nicht nur in Ecuador – zu mildern, kann das mit einer Spende an Jugend eine Welt***: Raiffeisen Landesbank Tirol, IBAN: AT66 3600 0000 0002 4000, Kennwort: Corona-Hilfe

Die etwa 7.000 Menschen in Trinitaria, einem Elendsviertel der Millionenstadt Guayaquil, sind von Corona besonders betroffen. ©Eva Kohl


* https://www.gmx.ch/magazine/panorama/dramatische-situation-ecuador-touristen-coronavirus-land-34681138
** Presseaussendung Jugend eine Welt 7. Mai 2020
*** https://www.jugendeinewelt.at/corona/

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