Seit COVID-19 in China erstmals aufgetreten war, waren in Österreich besonders die Teams auf den HNO-Stationen sehr aufmerksam. Ich wurde von zahlreichen Medien dazu befragt, wie zum Beispiel von oe24.
Prof. Dr. Wolf-Dieter Baumgartner, HNO-Chirurg am AKH Wien und Präsident des CIA
Einfache Mund-Nasen-Schutzmasken, kurz: MNS-Masken, aus der Apotheke, der Schneiderei oder selbst genäht, schützen den Träger nicht vor Ansteckung. Dazu bedarf es spezieller Medizinprodukte: FFP2- und FFP3-Masken. MNS-Masken verhindern aber, dass der Träger durch Husten, Niesen oder einfach beim Ausatmen Viren an die Atemluft abgibt und auf diesem Weg andere ansteckt, auch zu einem Zeitpunkt, wenn er selbst von seiner Erkrankung noch nichts weiß. Das ist wichtig, weil der Betroffene bei vielen Infektionskrankheiten schon ansteckend ist, noch bevor er selbst die ersten Symptome verspürt oder sogar, wenn er selbst niemals Symptome entwickelt – auch bei COVID-19.
Schon im April forderte die Ärztekammer verpflichtende Mund-Nasen-Schutzmasken für Ärzte. Die Erfahrungen der asiatischen Staaten in den letzten Jahrzehnten zeigen, dass die Maskenpflicht bei leicht ansteckenden Krankheiten der wichtigste Beitrag zur Prävention, zur Vorbeugung, ist. Bei allen Infektionskrankheiten sind MNS-Masken daher nicht nur für Ärzte wichtig, sondern für die ganze Bevölkerung.
Ärzte sind besonders gefährdet
Wir haben vor 17 Jahren die SARS-Krise miterlebt und befürchtet, dass eine neue Corona-Krise auch auf uns in Europa zukommen könnte. COVID-19 ist dabei ja viel dramatischer als SARS, weil es noch viel ansteckender ist. Deswegen waren wir schon seit dem ersten Auftreten von SARS-CoV-2 im Dezember und Jänner im chinesischen Wuhan besonders aufmerksam.
Dieses Virus vermehrt sich nicht nur in der Lunge, sondern auch im Nasen- und Rachenraum. Unter den Medizinern sind deswegen jene besonders betroffen, die mit Mund, Nase, Rachen und Lunge zu tun haben.
Der Krankheitsverlauf kann sehr unterschiedlich sein. Bekannt ist, dass bei älteren Patienten oder solche mit einer oder mehreren Vorerkrankungen mit einem schweren Krankheitsverlauf zu rechnen ist. Wenig bekannt ist bisher, dass es auch eine Dosis-Wirkungs-Beziehung gibt: Je mehr Kontakt ich zu infizierten Personen habe, desto wahrscheinlicher ist es nicht nur, dass ich mich anstecke, sondern auch desto heftiger wird der Krankheitsverlauf ausfallen. Ärzte, allen voran Allgemeinmediziner, HNO- und Lungenfachärzte sind deswegen besonders gefährdet.
Hotspot Italien
Im spanischen Madrid konnten Ende März 8700 Ärzte und Pflegerinnen nicht arbeiten, weil sie mit Sars-CoV-2 infiziert waren, in Italien starben daran über 100 Krankenhausmitarbeiter.
In Italien ist besonders der Raum Bergamo betroffen, wo bis zu 100.000 chinesische Gastarbeiter wohnen, die im Februar vom chinesischen Neujahr dorthin zurückgekehrt waren. Zudem herrscht um Bergamo, Brescia und Mailand seit vielen Jahrzehnten massive Luftverschmutzung, sodass die Lunge normalerweise schon in Alarmzustand ist. Dann waren dort keinerlei Schutzmaßnahmen vorhanden: Die Kliniker hatten anfangs keine Masken zur Verfügung. Das italienische Krankenhaussystem ist in den letzten Jahrzehnten ja richtiggehend kaputt-gespart worden.
Auch in Österreich haben sich einzelne Mediziner und Klinikmitarbeiter mit dem Virus angesteckt. Ohne Schutzmaßnahmen kann ein solches Virus eine Klinik wie das Wiener AKH mit 10.000 Mitarbeitern an einem einzigen Tag lahmzulegen.
Wichtige Schutzmaßnahmen
Zu diesen wichtigsten Schutzmaßnahmen gehören natürlich erwähnte Masken, die in der aktuellen Situation tatsächlich vital sind. Zusätzlich müssen aber auch organisatorische Vorkehrungen getroffen werden, damit möglichst wenige Kollegen zusammentreffen: So gibt es im Moment keine Morgenbesprechungen im gewohnten Sinn. Sämtliche Besprechungen werden ausschließlich über Videokonferenz durchgeführt. Das Klinikpersonal ist in kleine Teams aufgeteilt, die einander nicht treffen dürfen. Für die Patienten am deutlichsten bemerkbar ist vielleicht ein neuer Ablauf der morgendlichen Visite.
Am Wiener AKH haben wir letztlich das gesamte Krankenhaussystem, wie wir es seit Jahrzehnten gewohnt waren, umgestellt. Unser riesiger Vorteil in Österreich ist aber auch eine gute Spitalsinfrastruktur. Ich bin wirklich froh, dass sich die Gesundheitsökonomen nicht durchsetzen konnten, die ja immer wieder Spitalsschließungen gefordert haben.
Therapie und Impfung gesucht
Bis vor 20 Jahren gab es gegen virale Erkrankungen grundsätzlich keine Behandlung. Erste wirksame Medikamente konnten gegen komplexe Viren wie Herpes Simplex entwickelt werden. Es folgten Medikamente gegen einfache RNA-Viren: das Aids-Virus HIV. Gegen COVID-19 gibt es bis dato tatsächlich noch keine Therapie. Betroffene Patienten werden in erster Linie mit Sauerstoff versorgt und beatmet, sie bekommen Infusionen mit Flüssigkeitsersatz, Schmerztherapie und Vitamine. Wir lindern also die Symptome und unterstützen den Körper.
Da uns Behandlung und Impfung noch fehlen, können wir das Virus im Moment nur isolieren. Auch wenn uns das in Österreich gelingt, wird es trotzdem immer wieder Infektionsherde in anderen Staaten und auf anderen Kontinenten geben. Ähnlich wie bei Grippe oder Masern werden immer wieder lokale Epidemien auftreten, solange wir keinen Impfstoff oder sinnvolle Therapien haben.
Deswegen ist die Rückkehr zur Normalität, wie wir sie kennen, vorerst noch nicht realistisch. Es wird vielmehr eine Zeit vor Corona geben und eine Zeit nach Corona. Beispielsweise Reisefreiheit im gewohnten Sinn können wir erst erhoffen, wenn wir einen Impfstoff verfügbar haben – was realistisch betrachtet vielleicht um die Jahreswende zu erhoffen ist.
WISSENSWERT
CoV, SARS-2 und COVID-19
Coronaviren CoV befallen primär Säugetiere, Nager und Vögel, einige CoV können aber auch Menschen infizieren und dort Atemwegserkrankungen auslösen. Die SARS- und MERS-Epidemien wurden ebenso durch Corona-Viren ausgelöst, wie jetzt die COVID-19 Pandemie – aber auch viele gewöhnliche „Erkältungen“.
SARS bedeutet Severe Acute Respiratory Syndrome, deutsch: schweres akutes Atemwegssyndrom. SARS-CoV-2, oder kurz: SARS-2, ist mit dem 2002/03 grassierenden SARS-Virus verwandt, doch deutlich ansteckender. Wenn man mit diesem Virus infiziert ist, kann man an COVID-19 erkranken oder auch symptomfrei bleiben – unabhängig davon ist man aber für andere Menschen ansteckend! Weniger gebräuchlich ist die Bezeichnung 2019 nCoV.
Coronavirus-Disease-2019, kurz: COVID-19, ist die Krankheit, die durch SARS-CoV-2 ausgelöst wird. Die häufigsten Symptome sind Husten und Fieber; es kann aber auch zu Halsschmerzen, Schnupfen, beeinträchtigten Geruchs- und Geschmacksempfindungen oder Kurzatmigkeit bis hin zu akuter Atemnot kommen. Auch andere innere Organe können angegriffen werden.