Nicht nur kognitive oder emotionale Beeinträchtigungen können sich auf die Entwicklung sozialer Kompetenz auswirken, auch das Hörvermögen spielt dabei eine Rolle.  

Im Alltag ist es wichtig zu wissen, dass unser Gesprächspartner nicht immer genau das denkt und fühlt, was er sagt. Nur dann können wir die Feinheiten sozialer Interaktion verstehen und angemessen reagieren. Die Fähigkeit, die Stimmung und Gefühle, Wünsche und Absichten und den individuellen Wissensstand anderer in einer Situation zu erkennen, wird in der Theory of Mind, kurz: ToM, beschrieben.

Wie Sprachfähigkeit ist auch ToM eine Kombination kognitiver Fähigkeiten, die sich im Kontext mit anderen Fähigkeiten allmählich entwickeln. Für diese Entwicklung sind aber nicht nur kognitive Fertigkeiten wichtig, sondern auch Hör- und Kommunikationsmöglichkeiten. Denn in der Regel erwerben Kinder ein Verständnis über ToM, indem sie hören, wie andere über Gefühle und Gedanken, Wünsche und Ängste, Vermutungen und Hoffnungen sprechen. Kinder mit Hörverlust hören Gespräche um sie herum aber oft nicht so deutlich. Das kann die Entwicklung des Einfühlungsvermögens in die Gefühls- und Gedankenwelt anderer beeinträchtigen.

Soziale Kompetenz entwickeln

„Kindern mit Hörverlust muss oft explizit beigebracht werden, wie sie darüber nachdenken können, was eine andere Person denkt“, erklärt die amerikanische Kommunikationswissenschaftlerin Ass.-Prof. Dr. Tiffany Hutchins in ihrer Publikation. „Sie glauben oft, dass das, was sie wissen, auch andere wissen. Ihnen muss beigebracht werden, dass eine Person das weiß, was sie erlebt hat.“ Taube Kinder entwickeln daher diese Fähigkeiten durchschnittlich vier Jahre später als normalhörende Kinder.

In Zusammenarbeit mit der britischen Ear Foundation präsentiert MED-EL neue Arbeitsmaterialien, die helfen können, die neuesten Erkenntnisse über ToM in die Hör-Sprach-Therapie von Vorschul- und Schulkindern einfließen zu lassen: Thinking Together to Mind the Gap.

Die Fähigkeit, die Stimmung und Gefühle, Wünsche und Absichten und den individuellen Wissensstand anderer in einer Situation zu erkennen, entwickelt sich im Kindesalter allmählich. ©Adobe Stock

Bei der Hörübung und im Alltag

„Ich würde für morgen gerne einen Besuch bei Oma planen. Sie freut sich sicher, wenn wir sie am Nachmittag besuchen. Ich denke, wir sollten ihr einen Kuchen backen. Welchen Kuchen könnte Oma denn wollen?“ Neben den theoretischen Grundlagen bietet Thinking Together to Mind the Gap Anregungen wie das zitierte Beispiel, um die Fähigkeiten der ToM sowohl im alltäglichen Gespräch zu fördern als auch beim Lesen, Spielen oder Fernsehen. Zudem wird der Einsatz anderer MED-EL Rehab-Materialien im Zusammenhang mit ToM erläutert.

Ursprünglich für Fachleute entwickelt, ist Thinking Together to Mind the Gap auch für interessierte Eltern informativ. Einziger Wermutstropfen: Die Materialien sind nur teilweise auf Deutsch erhältlich. Wenn Englisch für Sie als Elternteil kein Problem darstellt, finden sie im englischsprachigen Eltern-Blog detaillierte Anleitungen zu den Lesson-Kits, die Übungen zur ToM enthalten, und den Link zu allen 26 englischen Lesson-Kits. Weitere Tipps zum Thema ToM in deutscher Sprache finden Sie im Eltern-Blog.

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