CI-Familien in der Pandemie

Die FCEI, das Netzwerk für familienzentrierte Frühförderung, ist seit Februar online gegangen und bringt dabei auch überraschende Auswirkungen der Pandemie zutage.

Alle zwei Jahre lädt die FCEI zu einem Informations- und Austauschtreffen über die Förderung schwerhöriger und tauber Kinder nach Bad Ischl, zuletzt 2018. Für 2020 war wieder ein Kongress geplant, der wegen der Covid-19 Pandemie verschoben werden musste: Erst auf Frühling 2021, mittlerweile hoffen die Organisatoren auf 2022.

Um zwischenzeitlich Informationen anzubieten und Vernetzungen zu pflegen, organisiert die FCEI seit Februar 2021 unter dem Titel „Die Perspektive der Eltern“ eine Reihe von Online-Meetings. Das erste widmete sich der Frage, welchen Einfluss die Restriktionen der Pandemie auf die Entwicklung von hörbeeinträchtigten Kindern und die Situation ihrer Familien hatte. Fünf Mütter und ein Vater aus Europa, Südafrika, Neuseeland, sowie dem Nahen und Mittleren Osten kamen zu Wort.

Stressiger Lockdown

Die Iranerin Leila Abbasi Dezfully brachte auf den Punkt, was mehrere Eltern beschrieben: „Uns, da wir schon einige Erfahrungen mit der Situation unserer Kinder haben und gut vernetzt sind, geht es verhältnismäßig gut. Schwierig ist es für jene Familien, für die das alles neu ist.“ Wenn sich die notwendige Abklärung der Hörmöglichkeit durch den Lockdown verzögert. Wenn die Entscheidungen zu Implantation und passenden Fördermaßnahmen getroffen werden sollen, ohne sich auf einfachem Weg mit erfahrenen Eltern austauschen zu können. Oder wenn Kliniken in der Pandemie Operationen und Ambulanztermine aussetzen mussten.

Vom Wissen um die „Goldene Phase“ der Hör-Sprach-Entwicklung – und dass diese begrenzt ist – fühlen sich aber nicht nur die Eltern in der Entscheidungsphase gestresst: Die Britin Juliet Viney beobachtete, dass die vermehrten Gespräche innerhalb der Familie die Kommunikationsfähigkeit ihrer hörbeeinträchtigten Tochter im Lockdown gefördert hatten. Objektive Tests zeigten aber Verschlechterungen bei Grammatik und Aussprache. Moderatorin Trudy Smith, selbst Hörgeschädigtenpädagogin und -therapeutin in Australien, erklärte den anderen Sprachgebrauch in Schule oder Therapie: „Auch diese etwas anspruchsvollere Sprache brauchen die Kinder, um sich weiterzuentwickeln.“

Ein Problem kommt selten allein…

In Österreich, wo die meisten CI-Nutzer ein System des heimischen Herstellers MED-EL nutzen, waren und sind Wartung, Service, Fitting, Upgrades und Zubehör-Verkauf ohne Unterbrechung möglich. Beim Meeting beklagten CI-Nutzer anderer Länder und Regionen aber Auswirkungen der pandemiebedingten Restriktionen auf die technische Betreuung. Beenum Mansoor aus Pakistan klagte gar über eine Versorgungslücke von sechs Monaten in Dubai, wo sie mit ihrer Familie lebt, in denen sie weder Ersatzteile nachkaufen noch die Einstellung des Prozessors nachbessern lassen konnte: Die Servicestelle jenes Herstellers, von dem ihr Sohn das CI hat, war für diese Dauer geschlossen. Ein dringend benötigtes Ersatzkabel kaufte sie letztlich online in Indien und ließ es sich ins über 2.000 Kilometer Luftlinie entfernte Dubai senden!

Auf der anderen Seite des Golfes, im Iran, kommt zu Pandemie und Lockdown auch das Handelsembargo, das die USA ab dem Jahr 2018 zunehmend verschärfte [1]: Firmen mit Sitz in den USA und Firmen, die mit US-amerikanischen Bauteilen produzieren, dürfen nicht in den Iran liefern. Das betrifft auch die großen Paketdienste, die sonst meist für den Transport von Produkten und Reparaturteilen genutzt werden. Als Reaktion auf das Embargo hat der Iran die Einfuhrbestimmungen verschärft. Leila Abbasi Dezfully erzählte von monatelangen Lieferproblemen – selbst bei Batterien – und explodierenden Preisen: „Alles kostet zehn Mal so viel wie vorher.“

Pandemie bringt Väter mit an Bord

„Unsere Kinder dachten immer, weil ich Hausfrau bin, arbeite ich nichts. Jetzt haben sie tatsächlich gesehen, dass ich zuhause Arbeit habe; dass nicht die Heinzelmännchen den Schrank einräumen und auch das Essen nicht von Geisterhand auf den Tisch gezaubert wird“, lachte die zweifache Mutter Beenum Mansoor aus Pakistan, die, wie bereits erwähnt, mit ihrer Familie in Dubai lebt. „Für mich war der Lockdown also auch eine gute Zeit.“

Fernunterricht ist kraftraubend, doch der Lockdown hat den Familien auch Entschleunigung und Lebensqualität gebracht: Zeit, um Beziehungen zu pflegen, für gemeinsame Spiele und Spaziergänge und um zu lesen. Besonders in der ersten Zeit sei ihnen das bewusst geworden, waren die Eltern sich einig. Auch aus Sicht von Pädagogen und Therapeuten brachte der Lockdown neben Herausforderungen positive Aspekte. „Ich fühle mich privilegiert, weil ich mich durch den Fernunterricht den Familien näher fühle: Wir kommen quasi virtuell ins Wohnzimmer und haben Kontakt zur ganzen Familie“, kommentierte ein Zuhörer. Therapeutin Trudy Smith pflichtete bei: „Dadurch können die Väter ebenso an den Therapiesitzungen teilnehmen. Ich denke, auch die Mütter begrüßen es, dass nun beide Elternteile dabei sein können!“

Informationen über das Konzept der FCEI finden Sie auf www.fcei.at. Unter „Models of Practice“ finden Sie dort Aufnahmen vergangener und Informationen zu kommenden FCEI Online-Meetings. Informationen rund um das Thema Schwerhörigkeit sowie Kontakt zu anderen Betroffenen finden Sie auch während allfälliger Lockdowns auf www.hoerverlust.at oder natürlich bei uns im Verein www.ci-a.at.


Was bedeutet FCEI?

Die Abkürzung steht für „Family Centered Early Intervention“, Familien-zentrierte Frühförderung. Gemeint ist dabei eine Förderung für hörbeeinträchtigte und taube Kinder, die den Blick aber auf die Situation und auf die gesamte, betroffene Familie legt: Nicht die Kinder „werden therapiert”, sondern die Ressourcen der Familien werden gesucht und gefördert, damit die Entwicklung der Kinder in der Familie bestmöglich unterstützt werden kann.

Wer ist die FCEI?

Zu der international vernetzten, multidisziplinären Gruppe gehören hörende und gehörlose Fachleute, Eltern und Interessensvertreter, die basierend auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen das Konzept der FCEI anwenden, weiterentwickeln und bekannt machen möchten. In Österreich wird die FCEI vom Institut für Sinnes- und Sprachneurologie bei den Barmherzigen Brüdern in Linz getragen, wo auch das dort etablierte Frühförderteam FLIP gemäß FCEI-Konzept arbeitet.

Was macht die FCEI?

2012 fand das erste FCEI-Treffen in Bad Ischl statt, zu dem Teilnehmer aus zehn Nationen begrüßt werden konnten. Das damals entwickelte Konsensusdokument wurde im Journal of Deaf Studies and Deaf Education, einem Fachmagazin über Bildungssysteme für Hörbeeinträchtigte, veröffentlicht und ist mittlerweile in acht Schriftsprachen und der Amerikanischen Gebärdensprache auf der Webseite der FCEI abrufbar. Ein solches Treffen fand bis zum Ausbruch der Covid-19 Pandemie alle zwei Jahre statt. An einer Aktualisierung des Konsensuspapiers wird seit 2019 gearbeitet. Die Idee der FCEI wurde auch schon mittels regionaler Konferenzen, beispielsweise in Afrika, weitergetragen.

[1]  Auch die EU hat Sanktionen gegen den Iran erlassen, die sich aber auf bestimmte Produkte beschränken: bestimmte Metalle, Militärausrüstung und Ähnliches.

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