Vom Hörgerät zum Cochlea-Implantat: ein Unterschied!

Franz Fuszenecker geht jeden Tag in die Schule – sogar in den Ferien. Seine Cochlea-Implantate ermöglichen ihm die Arbeit als Schulwart und Portier am Gymnasium.

Portier mit CI: Vom Hörgerät zum Cochlea-Implantat

„Darf ich bitte den Klassenschlüssel haben, Herr Schulwart, ich habe mein Heft vergessen“, der Teenager in Jeans und T-Shirt ist betont höflich. Im Alltag einer Lehranstalt ist ein Schulwart für Schüler immer noch eine Respektsperson, mit der man es sich besser gut stellt.

Offiziell ist Franz Fuszenecker ja eigentlich Portier an einem Wiener Gymnasium, womit er aber dem dortigen Schulwart-Team angehört. Für die Schüler agiert er als der gute Geist im Haus: die Ansprechperson, an die sie sich wenden, wenn sie sich einen Schlüssel ausborgen möchten, neue Tafelkreide brauchen oder wenn im Klassenraum etwas zu reparieren ist. Im Gegensatz zu den Schülern kann der Schulmitarbeiter aber etwas länger schlafen: Der Arbeitstag des Niederösterreichers beginnt um 11 Uhr als Briefkurier, wenn er die Amtspost im Sekretariat der Schule abholt und persönlich in die Wiener Innenstadt zur Bildungsdirektion bringt. So ist sichergestellt, dass wichtige Schriftstücke zuverlässig und ohne Verzögerung von der Schule zur Aufsichtsbehörde überstellt werden. Am Rückweg zu seinem Dienstort hat er dann meist andere Schreiben dabei, nämlich die von der Bildungsdirektion an die Schuldirektion.

Den Rest seiner Arbeitszeit verbringt Fuszenecker vor allem in seiner Portierloge und kümmert sich auch um die typischen Belange eines Hausmeisters. „Wenn die Schüler zum Beispiel Probleme mit einem Wasserhahn haben, schaue ich, was kaputt ist. Kleinigkeiten kann ich selbst reparieren.“ Im Erstberuf war der 47-Jährige handwerklich tätig. „Für größere Reparaturen muss eine Firma kommen.“ Den Anruf beim jeweiligen Fachmann übernimmt ein Kollege von Fuszenecker, denn Telefonate fallen ihm schwer. Das hat mit seinen Hörproblemen zu tun. Sein Hörvermögen hat sich über die Jahre immer wieder verändert. Das wirkt sich nicht nur auf das Sprachverstehen aus, sondern hat letztlich auch dazu geführt, dass er statt in einer lauten Werkstatt nun schon seit 17 Jahren an einer Schule arbeitet.

Eine Jugend mit Hörgeräten

Mit gutem Hören geboren, büßte Franz Fuszenecker schon als Kleinkind sein Hörvermögen in Folge einer Erkrankung ein. Die ersten Hörgeräte folgten, Logopädie und Sprachtraining, die Einschulung an der Schwerhörigenschule und danach eine Lehre als Maschinenschlosser. „Am Nachmittag musste ich damals immer die Hörgeräte lauter drehen.“ Der Lärm vom Fräsen und Bohren wurde für sein Hörvermögen zunehmend zu einer weiteren Belastung. „Am Abend zum Schlafengehen habe ich die Geräte heruntergenommen. Wenn ich sie am nächsten Tag wieder aktiviert habe, waren sie zu laut und ich habe sie leiser gestellt; bis ich sie gegen Nachmittag wieder lauter machen musste…“

Die Gesellenprüfung bestand Fuszenecker zwar erfolgreich, doch wenig später, im August 1994, verschlechterte ein Hörsturz abermals sein Hörvermögen rechts. „Ich dachte, das Hörgerät ist kaputt. Aber das war es nicht. Es war mein Ohr.“ Zusätzlich stellte sich ein immer lauter werdendes Ohrgeräusch ein, ein Tinnitus. Drei Jahre später folgte dem rechten Ohr auch die linke Seite. Im Alter von 23 Jahren war Franz Fuszenecker so weit ertaubt, dass er unter den damals verfügbaren Hörgeräten keines fand, das hinreichend helfen konnte. Er gab auf und blieb vorerst unversorgt.

Die Zeit ohne Hörgeräte beschreibt Fuszenecker schlicht mit dem Wort „schwierig“. Er selbst versteht zwar Gebärdensprache, doch gerade mit seiner Familie und manchen langjährigen Freunden konnte er nur mittels Lippenlesens kommunizieren. Erst nach langen sieben Jahren ohne lautsprachliche Kommunikation konnte er endlich Hörgeräte finden, die für sein Restgehör stark genug waren. Mit dem neu gewonnenen Hörvermögen konnte er auch einen neuen Arbeitsplatz annehmen: als Portier an einem Wiener Gymnasium.

Das Cochlea-Implantat: „Das ist ein Unterschied!“

Eines Tages der Rückschlag: „Alle Kinder sind aus der Schule hinaus gegangen. Ich hatte keine Ahnung, warum.“ Fuszenecker stand in seiner Portierloge am Fuß des weitläufigen Stiegenhauses und beobachtete erstaunt das Treiben. Er hatte den Feueralarm nicht wahrgenommen! Sein Hörvermögen hatte sich schleichend wieder verschlechtert und war letztlich „total abgestürzt“, wie er es beschreibt. Ein Hörtest am Wiener AKH belegte die Konsequenz: Mit Hörgeräten war da nichts mehr zu machen.

Die Aussicht, wieder ohne lautsprachliche Kommunikation auskommen zu müssen, war für Fuszenecker erschreckend. Doch diesmal hatte er Glück, denn er fand mit der Implantation eine andere Möglichkeit. „Eine gute Freundin meiner Frau hat ein Cochlea-Implantat“, erzählt Fuszenecker, wie er um eine gute Entscheidung rang und was ihm Mut machte. Nach gründlicher Überlegung, entschied auch er sich für das CI. 2010 wurde er rechts implantiert. Sieben Jahre später folgte dann auch die zweite Seite, auf der er mittlerweile zuverlässiger hört und besser versteht als mit der erstimplantierten Seite. „Das ist ein Unterschied vom Hörgerät zum Cochlea-Implantat!“, freut er sich. Auch sein Tinnitus ist mit den Implantaten merkbar zurückgegangen.

Mit CI den Streichen der Schüler trotzen

„Die Kinder in der dritten oder vierten Klasse verstopfen den Abfluss und drehen das Wasser ein bisschen auf. Dann warten sie, ob die Klasse überschwemmt wird.“ Fuszenecker schildert das mit einem Gesichtsausdruck, als beschreibe er den selbstverständlichen Zyklus von Sonnenauf- und -untergang: „Das ist die Pubertät.“ Zwei Mal täglich führen Kontrollgänge den erfahrenen Schulwart durchs ganze Haus. Mit den Implantaten kann er nicht nur wieder den Pausengong und den Feueralarm wahrnehmen, er kann auch die hellen Stimmen der Unterstufenschüler und sogar das Ticken einer Uhr hören. „Und wenn wo Wasser rinnt, höre ich das jetzt auch!“

Der SONNET Audioprozessor mit der flachen Spule über dem Ohr zeichnet sich zwischen den millimeterkurzen Haaren Fuszeneckers deutlich ab. Der Unterschied zu herkömmlichen Hörgeräten ist augenscheinlich und hat auch bei einzelnen Mitgliedern des Lehrerkollegiums Interesse ausgelöst, als der Schulportier erstmals damit zur Arbeit kam. „Da habe ich erklärt, was das ist und wie es funktioniert.“ Vor ein paar Jahren schrieb eine Schülerin sogar im Zuge ihrer Matura eine Arbeit darüber, wie der Schulwart sein Hörvermögen verloren hat, wie er statt der Umgebungsgeräusche nur noch seine Ohrgeräusche hörte und wie er mit dem Implantat beide Probleme besiegen konnte.

Sommerpause an der Schule

Die Matura beschert Fuszenecker jeden Frühling zusätzliche Botengänge, denn dann müssen neben der Amtspost auch die Maturaarbeiten transportiert werden, zur Korrektur und wieder zurück. Während die Schüler sich in den Sommermonaten erholen, kümmert Fuszenecker sich in seiner Arbeitszeit darum, dass Großreinigung und Reparaturen im Schulgebäude erledigt werden.

Wenn dann im September auch wieder neue Schüler ans Gymnasium kommen und der eine oder andere neugierige Blicke auf die grauen Geräte am Ohr wirft, erklärt der Schulwart geduldig: „Ich habe eine Ohrenkrankheit. Das ist meine Hörprothese, ein Cochlea-Implantat. Damit höre ich.“ Er weiß: Bis Weihnachten werden alle Kids Bescheid wissen. Und sie werden sogar gelernt haben, deutlicher zu sprechen.

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