Erfahrungen einer Radrundreise mit Cochlea Implantat

Radreisen genießt Max Sailer schon seit Jahren, das Hören hat er im Vorjahr mit seinen beiden Cochlea Implantaten wiederentdeckt. Diesen Sommer war er quer durch Österreich, Deutschland und die Schweiz mit CIs unterwegs.

©Goran Milosavljevic

Am 1. Juni 2022 um vier Uhr morgens ist Max Sailer mit seinem Fahrrad gestartet. Der pensionierte Krankenhaustechniker erhielt nach seiner Ertaubung 2021 rechts sein erstes Cochlea Implantat, 2022 dann das CI auf der linken Seite. Nicht nur, dass er damit wieder kommunizieren und sogar telefonieren kann: „Beim Radfahren kann ich das Klackern der Gangschaltung wieder hören.“ Die CIs erhöhen sogar seine Verkehrssicherheit, denn mit ihnen hört er wieder, wenn sich ihm ein Auto von hinten nähert.

„Früher bin ich gerne mit Freunden gemeinsam Mountainbike gefahren. Aber durch die jahrelange Schwerhörigkeit bin ich ein bisserl zum Einsiedler geworden“, seufzt der Steirer. „Seither fahre ich auch allein Rad.“ Diesen Sommer ist er auf RONDO-Radrundreise gegangen: In 45 Tagen rund 4.000 Kilometer mit dem Fahrrad und seinen beiden RONDOs quer durch Österreich, Deutschland und sogar ein kleines Stücken in der Schweiz. In der Steiermark startete er seine Runde, die ihn dann bis nach Cuxhaven brachte: „Ich wollte wissen, ob sich die Brandung der Nordsee anders anhört als das Mittelmeer.“

Jetzt, mit CIs, war Sailer aber auf einigen Abschnitten auch in Begleitung unterwegs. Und er hat alte und neue Bekannte getroffen, die wie er mittels Hörimplantat hören, sowie etliche CI-Spezialisten aus dem Bereich der CI-Anpassung und sogar aus der CI-Fertigung.

Zuverlässige Partner auf der Tour

„Erst dachte ich ja, mein Rad macht eigenartige Geräusche. Aber das waren die Vögel und Grillen am Straßenrand“, erzählt Max Sailer von ungewohnten Höreindrücken. Auch wenn es in diesem Fall die Fauna Deutschlands war, die Ausrüstung hat einige Macken gemacht: In Salzburg musste Sailer die Radschuhe ersetzen, in München brauchte er neue Pedale. „So ein Pffff – jetzt weiß ich, was dieses Geräusch bedeutet“, schmunzelt der Radfan. Kurz vor München flickte er einen ersten Platten und gleich nach München der Tiefpunkt: „Plattfuß wegen Felgenbruch.“

Bergauf zählt jedes Gramm. Deswegen hat der umtriebige Steirer seine Aircharge Ladestationen für die RONDO 3 Prozessoren nicht mitnehmen wollen und sich stattdessen spezielle Ladekabel mit USB-Anschluss organisiert. Und er hat seine RONDOs mit Bändern fixiert – sonst hätte er sie bei seinem sonst glimpflich verlaufenen Sturz auch sicher verloren.

Sonst hat er für seine Hörsysteme keine besonderen Vorkehrungen getroffen. Die haben aber zuverlässiger funktioniert als das Rad. Ein Glück, denn den Felgenbruch beim Reifen konnte er nicht selbst beheben. Dank CIs konnte er aber ein Taxi rufen und damit zum nächsten Radgeschäft fahren.

Nichts überhören: keine Frage und keinen Alarm

Wenn er im Hotel oder in einer Pension nächtigte, hat er das Team dort informiert, dass er in der Nacht ohne Audioprozessoren absolut nichts hört. Sailer hat sich aber schon vor längerer Zeit einen Bluetooth-Vibrationswecker besorgt, der mit seinem Handy verbunden ist. So hat er nicht nur einen Reisewecker dabei, sondern kann im Notfall – etwa bei Feueralarm – auch mittels Telefonanrufs geweckt werden.

Das „süße Monster“, wie Sailer sich selbst bezeichnet, wurde unterwegs aber auch von bisher Unbekannten auf seine Hörsysteme angesprochen. Kein Wunder, verwendet er mit Erdbeere und Monster doch besonders lustige Design-Abdeckungen. So erfuhr er von tauben Familienmitgliedern und von einer Klassenkollegin, die wie er mittels CI hören. Hören verbindet eben – Hören mit CI noch mehr: Da ergaben sich des Öfteren spannende Gespräche.

MED-EL Wien Boss Ewald Thurner begleitete Max durch Wien. ©Ruth Zöhrer

Die Quellen des Hörens aufsuchen…

„Ich habe das lässig gefunden mit CI 4000 Kilometer zu fahren. Ohne CI wäre die weitere Strecke im Straßenverkehr wohl nicht verkehrssicher gegangen“, zeigt sich Goran Milosavljevic beeindruckt. Er arbeitet in Fertigung und Technischem Support in der MED-EL Zentrale in Innsbruck, wo Sailer am 5. Juli eintraf. Gemeinsam mit Techniker Milosavljevic warteten Pia Vakkilainen-Liegl und Felix Fischer auf den Radreisenden.

Fischer ist wie Sailer bilateraler CI-Nutzer und fährt leidenschaftlich gerne Rad – und er arbeitet an den Audioprozessoren mit. Seine Kollegin Pia Vakkilainen-Liegl ist selbst zwar nicht CI-Nutzerin, dafür umso erfolgreicher als Triathletin. Sie konnte sich beim Ironman 2021 in Finnland sogar für die WM in Hawaii qualifizieren! Die drei haben sich angeregt über Cochlea Implantate, Audioprozessoren und ihre Erfahrungen mit Fahrradhelmen unterhalten! „Er hat so gut verstanden, sogar auf der Straße draußen – ich hätte nicht gemerkt, dass er ein CI hat, wenn ich es nicht gesehen hätte“, freut sich Milosavljevic und ergänzt: „Ich habe in der Fertigung etwas mehr als neun Jahre direkt an Cochlea-Implantaten gearbeitet. Deswegen freut es mich, wenn ich Implantat-Nutzer wie Max kennenlernen darf, die sich ihre Träume durch die Implantate verwirklichen können.“

Die Tour mit allen Sinnen genossen

Das Geräusch des Fahrtwinds findet Sailer mit CI doch unangenehm. Deswegen ließ er sich fürs Radeln ein spezielles Programm einstellen und dreht die Systeme beim Fahren auch leiser. Das ist vielleicht auch das einzige Manko beim RONDO 3, für das er noch nach einer optimalen Lösung sucht. Der Wind ist generell nicht sein Freund: Eigentlich wollte er ja den Klang der Nordsee-Brandung mit dem Brausen des Mittelmeers vergleichen. Als er Mitte Juni dann bei Cuxhaven die Nordsee erreichte, scheiterte das Vorhaben aber: „Das Wasser war fast außer Sichtweite, aber dafür hörte ich den Nordsee-Wind!“

Neue Höreindrücke konnte der CI-Nutzer aber viele verzeichnen: Die der Hubschrauber beim Fliegerhorst Aigen im Ennstal waren vielleicht einer der ungewöhnlichen, das Ticken der Ampelsysteme für Blinde in Hannover besonders auffällig, das Knistern eines Brandunglücks ein besonders tragisches Geräusch. Sogar das Rascheln einer Eidechse im Laub konnte er hören! Es gab aber auch besonders schöne Hörerlebnisse: „Zwischen Selzthal und Liezen habe ich am Straßenrand jemanden angesprochen und um ein Foto gebeten. Das war so toll, ihn ohne Probleme zu verstehen. Toll, toll, toll!“

Emotionaler Höhepunkt war, als irgendwo in Norddeutschland plötzlich Sailers Smartphone klingelte: „Meine Schwester! Ich war total verwundert: Die mochte bisher nie telefonieren!“ Die zunehmend Ertaubte war dem Beispiel ihres Bruders gefolgt und hatte sich ein CI implantieren lassen. Nur eine Woche nach der Aktivierung ihres Systems telefonierte sie mit ihrem Bruder! Ein Gespräch von RONDO 3 zu RONDO 3: ein RONDOphonat quasi.

Im MED-EL Headquarters traf Max auf zwei spannende Mitarbeiter: CI-Nutzer Felix Fischer und Triathletin Pia Vakkilainen-Liegl. ©Goran Milosavljevic

Max Sailers CI-Etappen

Max Sailer kombinierte seine Rundreise mit einer Reihe von CI-Treffen und -Besuchen.

Am ersten Tag begleitete ihn Bernd Katzbauer, sein MED-EL CI-Techniker, einige Kilometer; gegen Ende seiner Rundfahrt Ewald Thurner, Leiter der MED-EL Niederlassung Wien. Sailer besuchte aber auch einige MED-EL Standorte und Care Center, wie die MED-EL Kundenbetreuung in Deutschland heißt. Auch die Schweiz war dabei.

  • Care-Center München Innenstadt
  • Care-Center in München Haidhausen
  • Care-Center Hannover
  • Care-Center Frankfurt
  • Care Center Starnberg
  • MED-EL Niederlassung Tägerwilen
  • MED-EL Zentrale Innsbruck
  • MED-EL Niederlassung Wien mit dem angeschlossenen Zentrum Hören

Im Care-Center München Innenstadt traf Sailer auf Heike Sommer, die nicht nur Spezialistin für CI-Service und -Nachsorge ist, sondern auch selbst CI-Nutzerin.

Er traf sich mit Isabelle, einer bimodalen CI-Nutzern, die er von einer CI-Facebook-Seite kennt; und er traf sich mit Sabrina, einer Camping-Bekanntschaft, die wie er bilateral CIs nützt. In Österreich genoss er die Gastfreundschaft und ein Stück lang die Begleitung von Gabi Woditschka, bilaterale CI-Nutzerin, Facebook-Beauftragte des CIA und selbst begeisterte Radfahrerin.

Mehr dazu

Sicheres Radfahren mit Hörimplantat

Cochlea Implantat statt Rückspiegel

Der passionierte Radfahrer Max Sailer fühlt sich mit seinen beiden Cochlea Implantaten auch im Straßenverkehr wieder sicher. Im kommenden Sommer möchte er bis an die Nordsee radeln und Stopps dort einlegen, wo es besonders um CIs geht.

Mehr dazu
Logo Leben mit hoerverlust.at

Leben mit hoerverlust.at

Alles auf einen Klick! hoerverlust.at bietet Betroffenen und Angehörigen umfassende Informationen und Kontaktmöglichkeiten zu allen Bereichen, die Sie auf dem Weg zum Hören benötigen. Mehr zum informativen Wegbegleiter vom ersten Verdacht bis zur optimalen Versorgung finden Sie hier!

ZENTRUM HÖREN

Beratung, Service & Rehabilitation – für zufriedene Kunden und erfolgreiche Nutzer! Mehr zum umfassenden Angebot und engagierten Team des MED-EL Kundenzentrum finden Sie hier!