Stationäre Rehabilitation für Kinder mit Cochlea Implantat

Am Kinder-Rehabilitationszentrum kokon im oberösterreichischen Rohrbach-Berg wird seit März 2022 stationäre Hörrehabilitation für junge CI-Patienten bis 18 Jahre angeboten.

kokon Rehabilitation Cochlea Implantat

In Österreich benötigen rund 5.000 Kinder und Jugendliche jährlich aufgrund einer schweren Erkrankung oder einer Behinderung eine stationäre Rehabilitation. Früher mussten sie nach Deutschland ausweichen oder wurden gemeinsam mit Erwachsenen betreut. Die Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen unterscheidet sich jedoch in vielerlei Hinsicht von der Rehabilitation Erwachsener.

„Die Kinderfachärzte haben mehr als zehn Jahre gekämpft, bis Gespräche über Kinderrehabilitation in Österreich zustande gekommen sind.“ Prim. PD Dr. Evelyn Lechner, Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde mit Schwerpunkt Pädiatrische Kardiologie und ärztliche Leiterin am kokon Rohrbach-Berg, erinnert sich an kleine Einheiten für Kinderreha im neurologischen und mobilisierenden Bereich an Zentren, die eigentlich auf Erwachsene ausgerichtet waren. Stationäre Hörtherapie war in Österreich aber weder für Kinder noch für Erwachsene verfügbar.

Kinderrehabilitation – noch neu in Österreich

Seit 2016 gibt es in Österreich erste Kinderrehabilitationszentren. Zurzeit stehen an sechs Standorten, die mit der Sozialversicherung einen Behandlungsvertrag haben, insgesamt 343 Betten für zwölf Indikationen zur Verfügung, 77 davon im kokon Rohrbach-Berg in Oberösterreich. Dort werden vor allem Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre mit pulmologischen Erkrankungen betreut, mit Herz-Kreislauf-Problemen oder junge Patienten mit Bedarf an psychosozialer und mobilisierender Rehabilitation. 36 Betten stehen für Neurologische Rehabilitation zur Verfügung, darunter auch die Sinnesneurologie.

Neu am kokon Rohrbach-Berg sind Angebote für Post-Covid-Reha und zur Hörrehabilitation nach Anpassung eines Hörgeräts oder nach Cochlea Implantation, besonders wenn die Hörthematik Teil einer komplexeren Beeinträchtigung ist. Der erste diesbezügliche Therapie-Turnus startete am 31. März dieses Jahres.

Stationäre Hörrehabilitation schließt Lücke in der Hörtherapie

„Die Idee eines Reha-Angebots für Kinder mit Hörbeeinträchtigung ist nicht neu, die HNO-Gesellschaft wünscht sich das schon lange“, bekräftigt Dr. Paul Martin Zwittag, Primar der HNO-Abteilung am Kepler Universitätsklinikum in Linz und Leiter des dortigen Teams für Hörimplantationen. „Weil gerade bei Kindern vieles in der Hörrehabilitation mit dem Alltag zu tun hat.“ Das Benennen von und die Kommunikation bei alltäglichen Tätigkeiten wie An- und Auskleiden, Essen oder Spielen, oder der Umgang mit der Hörhilfe im schulischen Umfeld. „Wir als HNO-Ärzte haben hier nur eine Teilkompetenz. Der kokon als Kinderrehabilitationszentrum hat diese Kompetenz aber.“

©kokon

Das 2019 eröffnete Rehazentrum kokon Rohrbach-Berg liegt 45 Autominuten von Linz entfernt. „Ich habe gerade in der Phase, als wir geeignete Schwerpunkte für das Haus entwickelt haben, Prim. Zwittag getroffen“, erzählt Prim. Lechner. Der Schwerpunkt Hören und Kommunikation passte perfekt zu den Therapiemöglichkeiten und Kompetenzen des Zentrums. „Unsere Logopädinnen haben dann noch eine entsprechende Weiterbildung in Deutschland gemacht und sich mit Logopädinnen mit Erfahrung mit CI und audioverbaler Therapie vernetzt.“ Seit März ist ein Antrag auf Hörrehabilitation in Rohrbach-Berg auch über das österreichische Gesundheitssystem möglich.

Die Hörrehabilitation der Kinder erfolgt in enger Kooperation der Kepler Universitätsklinik mit dem kokon: Die HNO-ärztliche Kompetenz und die audiologische Supervision steuert das Kepler Universitätsklinikum bei, wo im Vorfeld zum Reha-Aufenthalt die HNO-ärztliche und logopädische Voruntersuchung stattfindet. Die Therapie im kokon erfolgt dann im Turnus mit bis zu vier Patienten, die jeweils in ähnlichem Alter und auf ähnlichem Entwicklungsstand sind, und dauert vier Wochen. „Durch die Vielzahl der hier verfügbaren Therapieaspekte finden wir auf vielen Ebenen Zugang zu unseren Patienten“, hebt Prim. Lechner hervor. So enthält die Therapie je nach Bedarf Einzel- und Gruppen-Logopädie, Ergo-, Musik-, Physio- und Psychotherapie. „Wir binden dabei auch möglichst viele Alltagssituationen in die Therapie ein.“

Therapie und Lernen

Die Kinderrehabilitation kokon – neben Rohrbach-Berg in Oberösterreich gibt es auch ein Haus in Bad Erlach in Niederösterreich – versteht sich als „sicherer Raum, in dem sich Kinder und Jugendliche entwickeln und selbst entfalten können. Ein Raum, in dem individuelle Bedürfnisse, Fähigkeiten, Grenzen und Möglichkeiten akzeptiert werden.“ Bei der Hörrehabilitation soll das durch täglich 150 Minuten Therapie ermöglicht werden, davon je nach Alter 25 bis 50 Minuten Logopädie. Bei kleineren Kindern werden die Einheiten so geplant, dass die gewohnten Schlafzeiten auch tagsüber eingehalten werden können.

Für Schulkinder bietet die Heilstättenschule in Absprache mit der jeweiligen Stammschule der kleinen Patienten zwei Stunden Unterricht täglich. Dabei wird nicht nur der gleiche Stoff wie an der Stammschule vermittelt, sondern auch Tests und Schularbeiten werden zeitgleich mit den zuhause gebliebenen Klassenkollegen absolviert.

Therapiealltag ist harte Arbeit für alle Beteiligten

Außerhalb der Therapie- und Schulzeiten kann es Besuchern schon passieren, auf den weitläufigen Gängen von einem überdimensionalen Dreirad überholt zu werden. „Wer kann, kann damit fahren. Wer das noch nicht kann, kann mitfahren“, lacht Prim. Lechner. Von Tischfußball, Tischtennis und Billard über einen Outdoor-Spielplatz bis zum Kino stehen den kleinen und nicht ganz so kleinen Patienten zahlreiche Freizeitaktivitäten zur Verfügung. Sogar das Therapiebad kann an zwei Wochentagen nach Therapieende sowie an den therapiefreien Wochenenden für Spaß und Sport genützt werden. Sozial- und Freizeitpädagoginnen des kokon bieten weitere Freizeitaktionen an. Für die Jüngsten gibt es Kleinkindbetreuung und einen Snoezelen-Raum.

Was auf den ersten Blick nach Urlaub und Bespaßung aussehen könnte, hat ernsten Hintergrund: „Therapie ist harte Arbeit für Betroffene und Bezugspersonen. Wir schauen aber, dass sie sich dabei wohlfühlen: Mit einem Zweijährigen können Sie sonst nicht arbeiten“, schmunzelt die ärztliche Leiterin des kokon Rohrbach-Berg. „Unsere Therapeutinnen arbeiten mit Patienten, die selbst noch nicht wissen, dass sie diese Therapie möchten. Zum Glück bringt jeder und jede meiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auch ein besonderes Sensorium dafür mit.“

Bei Kindern ist Rehabilitation Familiensache

„Einen Zweijährigen kann man nicht von den Eltern trennen!“, erklärt Primar Lechner, warum Kinder bis zum Alter von zwölf Jahren von einem Elternteil zur Reha begleitet werden dürfen. Dieser Elternteil ist dann auch bei den Therapien dabei. Kommt der begleitende Elternteil nicht mit zur Therapie, so endet die Einheit zumindest mit einer Eltern-Therapeuten-Besprechung. „So lernen die Eltern Ideen kennen, mit welchen Spielen und Beschäftigungen sie die audioverbale Entwicklung ihrer Kinder fördern können.“ Selbst ein Geschwisterkind, für das zuhause keine Betreuung verfügbar ist, kann zum Reha-Aufenthalt mitkommen und an allen Aktivitäten außer den Therapien teilnehmen.

„Jede schwangere Frau, jeder werdende Vater, erwartet sich ein gesundes Kind“, weiß die erfahrene Kinderfachärztin. „Es ist nicht leicht, wenn man zum Beispiel ein taubes Kind hat.“ Deswegen sei der Austausch mit anderen Eltern in ähnlicher Situation wichtig. „Freundschaften mit Menschen, denen man nicht erklären muss, warum man Dinge anders macht als andere Familien.“

„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Eltern auch viele Fragen haben.“ Deswegen gehört bei der Hörrehabilitation auch eine Elternschulung sowohl von logopädischer wie von technischer Seite zum Konzept. Je nach Bedarf steht dem begleitenden Elternteil auch eine Sozialarbeiterin zur Verfügung, die bei finanziellen Fragen unterstützt, sowie psychologische Betreuung. „Etwa 70 bis 75 Prozent der begleitenden Bezugspersonen bei uns haben selbst Bedarf an psychologischer Unterstützung entwickelt, um mit den Herausforderungen leichter umzugehen und nicht das gesamte Leben von der Elternsorge dominieren zu lassen. Viele Eltern lernen das hier auch zum ersten Mal kennen und verlieren die Scheu vor der Psychologie.“

„Wir sehen aber schon, es geht bei der Reha etwas weiter“, zeigt sich Prim. Lechner zufrieden. „Das Konzept werden wir entsprechend unserer laufenden Erfahrungen natürlich weiterentwickeln.“ Für eine wissenschaftliche Auswertung bedarf es noch mehr Erfahrungen, erklärt Prim. Zwittag: „Jedoch waren sowohl die Kinder als auch die Eltern von der Reha sehr angetan.“

Informationen zum Kinderrehabilitationszentrum kokon in Rohrbach-Berg: https://kokon.rehab/rohrbbach-berg

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