Das Cochlea Implantat – noch immer kein Plug & Play

Hörtraining mit Cochlea Implantat: Wozu, wo und wie? Die fortschreitenden Weiterentwicklungen der Technologie bei Cochlea Implantaten ermöglichen nicht nur natürlicheren Klang und besseres Sprachverstehen, sondern auch eine viel schnellere Hörgewöhnung. Trotzdem ist Hörtherapie nach der Implantation ratsam und ermöglicht noch bessere Erfolge mit dem Hörsystem.

Hörtraining mit Cochlea Implantat

Konventionelle Hörgeräte verstärken Schall im jeweils notwendigen Maß, sind damit für hochgradig schwerhörige oder taube Menschen aber nicht ausreichend. Cochlea Implantate stimulieren direkt den Hörnerv. Dadurch können auch taube und hochgradig schwerhörige Menschen hören. Der so gewonnene Nervenimpuls ähnelt dem natürlichen Hörsignal, das zentrale Hörsystem bedarf aber dennoch einer gewissen Umgewöhnung.

Ende der Neunzigerjahre klagte Bev Biderman, Nutzerin eines Cochlea Implantats, in ihrem Buch Wired for Sound: A Journey Into Hearing noch: „Die Tatsache, dass wir daran arbeiten müssen, das zu verstehen, was wir mit einem Cochlea Implantat hören, scheint unumstritten. Allerdings bekommen die meisten von uns dabei leider nur wenig Hilfe.“

Seither hat sich die Technologie von Hörsystemen um vieles verbessert. Das spiegelt sich in einem natürlichen Klangbild mit CI wider, aber vor allem auch in besserem und schnellerem Sprachverstehen mit Implantat. Trotzdem gehören Cochlea Implantate nicht zur Plug-and-Play-Technologie, wie wir das mittlerweile zum Beispiel von Computerzubehör gewöhnt sind.

Warum ist Hörtraining notwendig?

Unser Hörsystem arbeitet schon bei Ungeborenen ab der 24. Schwangerschaftswoche. Kommt ein Kind taub oder hochgradig schwerhörig zur Welt, so muss es nach der Versorgung mit Hörgerät oder -implantat nicht nur die Hör- und Sprachentwicklung von der Geburt bis zur Aktivierung des Systems nachholen, sondern auch die vorgeburtliche Entwicklung. Je früher eine notwendige Hörversorgung erfolgt, desto geringer ist natürlich der dann nötige Therapieaufwand. Erste Kommunikationsübungen sind schon vor einer Hörversorgung sinnvoll – Anleitungen und Anregungen dazu bietet die Broschüre Ready, Steady, Go!, die von spezialisierten CI-Zentren an betroffene Familien ausgegeben wird.

Studiendaten zeigen, dass auch ertaubte Erwachsene nach einer Cochlea Implantation von strukturierter Hörrehabilitation wesentlich profitieren. Mit Bezug auf eine ältere Studie vom Klinikum Koblenz-Montabaur[1] fordern Dr. Roland Zeh, Chefarzt am CI-Rehabilitationszentrum Bad Nauheim in Deutschland, und Prof. Dr. Uwe Baumann, Audiologe und CI-Spezialist am Universitätsklinikum Frankfurt: „Zur Gewährleistung eines optimalen Behandlungserfolgs sollten stationäre Rehabilitationsmaßnahmen integraler Bestandteil eines ganzheitlichen Behandlungsansatzes sein und möglichst im ersten Jahr nach der Implantation erfolgen.“

Was bringt Hörtraining?

In einer Studie[2] mit 1.355 CI-Nutzern wollten Prof. Baumann und Dr. Zeh untersuchen, welche Faktoren den Erfolg einer solchen stationären Hörrehabilitation beeinflussen. „Durchschnittlich wurde [bei den Hör- und Sprachverständnistests nach drei bis fünf Wochen stationärer Reha] gegenüber dem Aufnahmetest eine Steigerung um 20 Prozentpunkte erzielt“, fassen sie zusammen. Erstaunt hat, dass auch ältere Patienten, solche, die erst lange nach der Ertaubung implantiert wurden und Patienten mit langjähriger CI-Erfahrung durch die Reha-Maßnahmen deutliche Verbesserungen erzielten.

Frühere Studien hatten nahegelegt, dass sich bei CI-Nutzern nach etwa sechs Monaten CI-Erfahrung im Durchschnitt keine weiteren Verbesserungen im Sprachverstehen ergeben. Zeh und Baumann konnten aber zeigen: „Die bestmögliche Unterstützung […] wird allein durch die längere Nutzung des CI nicht erreicht.“

Auch wenn diese Faktoren Einfluss auf Tempo und Ausmaß der Hörverbesserung durch die Therapie haben: „Alle Patientengruppen profitierten unabhängig von Alter, Dauer der Taubheit oder CI-Nutzungsdauer signifikant von der Reha-Maßnahme. […] Eine CI-Versorgung kann zu einer Verbesserung der Aktivität, Teilnahme und Lebensqualität führen. Ohne intensive Rehabilitation besteht die Gefahr, dass diese Erfolge nicht in größtmöglichem Umfang zustande kommen.“

Was wird geübt?

Hörentwicklung erfolgt im Rahmen einer (Re)Habilitation in fünf grundlegenden Schritten, wobei einzelne Schritte je nach individuellem Sprachverstehen auch übersprungen werden:

  • Geräusche wahrnehmen, unterscheiden und zuordnen
  • Sprache erkennen, Laute unterscheiden, Wörter und Sätze verstehen; bei Kindern auch selbst sprechen
  • Komplexere Sprachbausteine: neue und schwierigere Wörter, grammatikalische Strukturen, Geschichten erzählen und in Alltagssituationen sprachlich kommunizieren
  • Strategien zur Kommunikation in besonders schwierigen Hörsituationen

Für die sogenannten binauralen Funktionen – Verstehen im Störschall und Schalllokalisation – ist das Hören mit zwei Seiten Voraussetzung: Sie werden gesondert geübt.

Zusätzlich wird im Rahmen einer Hörrehabilitation oft auch Training in der Handhabung und Pflege des Audioprozessors angeboten und der Umgang mit externen Hörhilfen geübt. Bei stationärer Hörrehabilitation ist nach Bedarf auch begleitende Unterstützung von Therapeuten anderer Fachrichtungen sowie von Psychologen und Sozialarbeitern möglich; die Vernetzung Betroffener wird bewusst gefördert.

Wo finde ich Angebote für Hörtraining?

Prinzipiell kann jeder Höreindruck das Hörvermögen üben. Experten empfehlen aber tägliche, gezielte Hörübungen. Bei einer strukturierten Hörtherapie erheben Logopäden oder Therapeuten den aktuellen Hörstatus des jeweiligen Nutzers, zeigen ihm und seinen Übungspartnern, wie sie zuhause weiterüben können, und vermitteln geeignetes Übungsmaterial.

In Österreich wird Hörtherapie vorwiegend von niedergelassenen Logopädiefachkräften angeboten, meist in Einzelsitzungen und seltener als Gruppentherapie. Adressen niedergelassener Logopäden und Logopädinnen findet man zum Beispiel bei logopaedieaustria.at oder logopaedie-ooe.at. Manche CI-Zentren bieten ihren Patienten auch vor Ort ambulantes Hörtraining an, in Wien können sich CI-Nutzer an das ZENTRUM HÖREN wenden. Bei Kleinkindern wird die Hörentwicklung im Rahmen der Hörfrühförderung unterstützt.

Daneben gibt es auch vereinzelte Angebote von Hörtherapiefachkräften für Erwachsene und Kinder, meist gemeinsam mit deren Eltern. Schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie gab es auch vereinzelte Angebote für Teletherapie via Internet. In Deutschland ist auch stationäre Hörrehabilitation für Erwachsene und Kinder etabliert, die neben der reinen Hörrehabilitation weitere Therapiemöglichkeiten einbinden und die Vernetzung Betroffener fördern: Mangels entsprechender Angebote in Österreich sind immer wieder österreichische CI-Nutzer auf Reha-Zentren im Nachbarland ausgewichen. Mittlerweile gibt es auch vereinzelte Angebote hierzulande.

Tipps und Übungsmaterialien, sowie spezielle Übungsapps für Smartphone, Tablet und Computer werden unter anderen auch von den Hörgeräte-Herstellern angeboten.


[1] Maurer, J. Gegenwärtiger Stand der Cochlea Implantatversorgung bei Erwachsenen und Kindern. HNO 57, 693–706 (2009). https://doi.org/10.1007/s00106-009-1959-3

[2] Zeh, R., Baumann, U. Stationäre Rehabilitationsmaßnahmen bei erwachsenen CI-Trägern; Ergebnisse in Abhängigkeit von der Dauer der Taubheit, Nutzungsdauer und Alter HNO 2015 · 63:557–576 (2015). https://doi.or/10.1007/s00106-015-0037-2

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