Über die Kunst des Hörens – in der Malerei, Medizin und Cochlea Implantat-Technologie
Am 3. März 2023, zum Welttag des Hörens und gleichzeitig 30-jährigen Standort-Jubiläum, lud die MED-EL Niederlassung Wien ins Schloss Belvedere. Warum, das hat gleich mehrere Gründe – alle haben mit Kunst zu tun. Eine wunderbare Gelegenheit, den Zusammenhang zwischen Bildender Kunst und Hören einmal näher zu beleuchten:
Internationale Gäste aus verschiedenen Fachbereichen sowie Wegbegleiter und Freunde kamen im März am Welttag des Hörens in der berühmten Barockanlage zusammen, die 1723, also vor genau 300 Jahren, ihre bauliche Fertigstellung verzeichnete.
30 Jahre MED-EL Wien – 300 Jahre Belvedere, ein sehr schöner Zufall, doch eigentlich war eine ganz bestimmte Dame für die Verbindung zwischen dem Hörimplantate-Hersteller und dem Schloss Belvedere verantwortlich: Nämlich die Muse, die dem bekannten Ringstraßenmaler Hans Makart für seine Gemäldereihe „Die fünf Sinne“ seinerzeit zur Verfügung stand, genauer gesagt für „Das Gehör“.
Nach 150 Jahren ist diese Dame nun schon etwas in die Jahre gekommen und so stellte sich MED-EL Wien für die finanzielle Unterstützung zur Restaurierung und somit als thematisch perfekt passender Pate des eindrucksvollen Gemäldes zur Verfügung.
Lautmalerei über die Jahrhunderte
Hans Makarts Gemälde ist nur ein Beispiel zu diesem Thema – Darstellungen über das Gehör beziehungsweise das Hören gibt es über die Jahrhunderte unzählige. Zu den prominentesten Malern des Barock zählen wohl Jan Brueghel der Ältere, Jan Steen, Gerrit van Honthorst oder der unvergleichliche Michelangelo Merisi – besser bekannt als Caravaggio.
Sie alle haben sich in ihren Werken mit den menschlichen Sinnen beschäftigt und meist wurde das Hören als eines dieser ins Zentrum als wichtigster menschlicher Sinn gestellt. Die Darstellung von Musik war in diesem Zusammenhang wegen der vielen symbolischen Bedeutungen besonders beliebt, sie galt besonders im 16. und 17. Jahrhundert als Statussymbol. Musikinstrumente sowie Musizierende wurden daher gerne als Demonstration des Wohlstandes gemalt.
Der Blick von außen
Das Thema Hören in der Malerei lässt sich aber auch umdrehen. Aus der Stille heraus entstanden zahlreiche berühmte Werke, auf denen sich das Fehlen des so wichtigen Hörsinns erkennen lässt:
Frei von Geräuschen ist die Welt, die der Maler Wolfgang Heimbach gestaltete. Oft merkt man das erst auf den zweiten Blick, umso faszinierender sind seine Werke. Erst wenn man weiß, dass der im 17. Jahrhundert geborene norddeutsche Künstler taub war, fällt auf, dass in seinen Idyllen niemand eine Laute schlägt, bei den schönsten Huldigungsszenen keine Fanfaren erschallen. Er gestaltete seine Darstellungen oftmals auch aus der Perspektive der Ausgeschlossenheit. Im Besitz des Kunsthistorischen Museums in Wien ist sein Gemälde Nächtliches Bankett, das dies eindrucksvoll zeigt. Gleichzeitig zählt dieses Werk zur Reihe der Chiaroscuro, der Hell-Dunkel-Malerei, deren dramatischer Ausdruck besonderes Gestaltungsmittel in der Spätrenaissance und im Barock war. Heimbach konzentrierte sich also stark auf die Macht des Lichts und wurde von den Werken der Caravaggisti-Gruppe – wie eben Caravaggio oder etwa des grandiosen Georges de la Tour – geprägt.
Schwarzer Romantiker
Großartig düster sind die Werke Francisco de Goyas. Der spanische Maler, Radierer und Lithograph ertaubte nach einem Schlaganfall mit 46 Jahren zur Gänze, damit änderte sich sein Leben und auch sein Schaffen dramatisch. Seine veränderte Sinneswahrnehmung und sein damit verbundener Rückzug aus der Gesellschaft ließen Albtraum-ähnliche, aber gleichzeitig auch seine berühmtesten Werke entstehen. Am eindrucksvollsten verdeutlichen die Grafikserie Caprichos sowie die Las Pinturas Negras, seine Schwarzen Gemälde, die durch die Ertaubung entstandene unheimliche Grundstimmung des Künstlers. Diese grotesken Darstellungen der Pinturas Negras malte er ursprünglich auf die Wände seines Landhauses, heute sind sie auf Leinwand übertragen und großteils im Prado, Madrids renommierten Kunstmuseum, zu bestaunen.
Bilder im Ohr
Ein weiterer Blick- oder Hörwinkel: Sitzen. Hören. Sehen – Wer sich im Atelier von Rita De Muynck darauf einlässt, kann eine Ahnung davon bekommen, was die Künstlerin Besuchern ihrer Ausstellung nahebringen möchte – eine tiefere Wahrnehmung von Kunst. Die gleichzeitige Aktivierung verschiedener Sinne, wissenschaftlich ausgedrückt: Synästhesie. Seit über zwanzig Jahren experimentiert De Muynck mit diesem Phänomen. Sie hört sich in einem Trance-ähnlichem Zustand völliger Entspannung Musik an, spürt und hört vor allem die Farben, Formen und Figuren. Erst später, es können Tage oder Monate vergehen, bringt sie die Bilder auf die Leinwand.
Besucher können sich auf Sesseln vor den Gemälden niederlassen, die Künstlerin schaltet genau jene Musik an, bei denen sie die Bilder gehört-gesehen hat, und tatsächlich wandelt sich die Wahrnehmung auch beim Schauenden: Hat sich das pink-rote Wesen in dem geheimnisvollen Wald nicht gerade im Takt der Musik bewegt? Leuchtet das Licht plötzlich stärker? Knistert es im Geäst, pulsiert etwas und gewinnt an Größe?
Dieses Erleben sei nicht mit klassischer Assoziation zu verwechseln, betont De Muynck. Es gehe tiefer, ins limbische System. „Kunst öffnet das Hirn“, ist Rita De Muynck überzeugt und zeigt damit eine weitere, sehr spannende Symbiose zwischen Hören und Bildender Kunst.
Farben hören, Töne sehen
Das konnte besonders einer gut: Wassily Kandinsky. Dank seiner Gabe der bereits erwähnten Synästhesie, der Fähigkeit zur multisensorischen Wahrnehmung, konnte er eine Verbindung zwischen Klängen, Farben und Formen herstellen und Musik in seine Gemälde einfließen lassen.
Das Pariser Centre Pompidou und Google Arts & Culture haben sich zusammengetan, um dem Künstler, der als Initiator der abstrakten Kunstbewegung gilt, zu ehren. Sounds like Kandinsky vereint seine Kunstwerke an einem Ort und enthält ein neues Machine Learning-Experiment namens Play a Kandinsky, mit dem man selbst Kandinskys außergewöhnliche Fähigkeit erleben kann.
Verkomponierte Gemälde
Vertonungen von Gemälden gibt es in vielerlei Formen: wenn Komponisten sich von Gemälden zu ihrer Musik inspirieren lassen; wenn Konzertformate durch die Paarung aus Musik mit Bildender Kunst die Wahrnehmung von Kunst sinnlich und atmosphärisch erweitern; wenn Künstler die Geschichte ihrer eigenen Werke erzählen – schier unendlich scheinen die Möglichkeiten, Hören und Sehen in der Kunst zu verbinden.
Mit allen Sinnen – oder von Sinnen?
Das Gemälde des Norwegers Edvard Munch Der Schrei ist wohl ein sehr passendes Beispiel für ein „Hör-Bild“ und eines der berühmtesten Werke der modernen Malerei überhaupt. Eigentlich ist es nicht nur ein Gemälde, Munch hat den Schrei im Laufe von 17 Jahren immer wieder gemalt, bekannt sind vier Gemälde und eine Lithografie, die in Varianten immer das Gleiche zeigen: eine Person, die sich mit gekrümmtem Körper die Hand auf die Ohren presst und Mund und Augen weit aufreißt.
Aber warum hält sich jemand, der laut schreit, gleichzeitig die Ohren zu? So stellte man sich irgendwann die Frage, wer eigentlich schreit beziehungsweise nicht schreit. Klar ist mittlerweile eigentlich: Die Figur auf dem Bild schreit nicht – sie macht dafür etwas anderes, was in diesem einen Moment ihr Verhältnis zur Welt mehr bestimmt als alles, was sie außerdem vielleicht auch gerade noch macht: Diese Figur hört. Wobei auch ist eigentlich nicht zur Gänze korrekt, denn sie hält sich ja die Ohren zu. Der Schrei ist also zu laut. Und da die Figur zugleich ihre Augen weit aufreißt, scheint dieser Schrei auch noch sichtbar zu sein. Der Hintergrund auf dem Bild gibt keinen einzigen Hinweis auf die offenkundig laute Schallquelle. Nur ein Ort mit Wellen, Wind, Natur – der dennoch schreit – hörbar und sichtbar. Oder ist die Figur aufgrund ihrer gekrümmten Körperhaltung doch von Sinnen, weil sie den Schrei nur innerlich hört?
Munch hat schließlich erklärt: „Ich fühlte den großen Schrei der Natur“. Wer also nicht daran glaubt, dass man Bilder auch hören kann, der sollte sich Edvard Munchs Schrei nochmal genauer ansehen, so lange, bis er oder sie ihn hören kann.
Das Ohr im Bild
Über das abgeschnittene Ohr von Vincent van Gogh gibt es bekanntlich viele Spekulationen. Er habe es sich im Absinth-Rausch selbst abgeschnitten; nein, es war doch sein Freund Paul Gauguin als Ergebnis eines erbitterten Streits. Wie ein Kriminalfall lesen sich die verschiedenen Geschichten, die sich um das wohl berühmteste Ohr der Malerei ranken.
Feststehen dürfte, dass sich van Gogh am 23. Dezember 1888 völlig überarbeitet und betrunken in Anwesenheit seines Freundes Gauguin ein kleines Stück seines linken Ohres abgeschnitten haben dürfte. Das ganze Ohr kann es nicht gewesen sein, sonst wäre er verblutet. Mit dieser Interpretation wird Van Gogh auch nicht allzu sehr in die Ecke des wahnsinnigen Künstlers gedrängt und die Aufmerksamkeit auf sein großartiges künstlerisches Werk gerichtet.
Von diesem kleinen Ausflug in die Welt der Malerei, die mit dem Hören untrennbar verbunden ist, zurück ins heutige Wien, wo sich mit der MED-EL Patenschaft für Hans Makarts Das Gehör der Kreis um die Kunst des Hörens schließt; in ein Wien, das seit Jahrhunderten medizinische Spitzenleistungen hervorbringt; in ein Wien, das weltweit erstmals das Hörorgan künstlich wiederherstellen konnte. Nicht nur künstlich – durch Kunst & Können.
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