ÖGS: Maturafähige Fremdsprache an der AHS, Verpflichtende Übung im Lehrplan der Sonderschule
Zwei Neuerungen zur Österreichische Gebärdensprache ÖGS sind auf dem Weg: Schulen können an der Oberstufe ÖGS nun regulär als Zweite lebende Fremdsprache anbieten, sogar als mögliches Maturafach. Für SchülerInnen mit Hör- und Kommunikationseinschränkungen soll ab nächstem Schuljahr ein neuer Lehrplanzusatz zur Verfügung stehen.
Die Österreichische Gebärdensprache ÖGS als Unterrichtssprache wird in Österreich an Gehörlosen- und Schwerhörigenschulen angeboten und auch in inklusiven Unterrichtsformen mittels zweiter Lehrkraft oder ÖGS-Dolmetsch ermöglicht. Ob ein Kind mit Lautsprache oder Gebärdensprache als Unterrichtssprache unterrichtet werden soll, ist letztlich Entscheidung der Eltern. Dieses Vorrecht der elterlichen Entscheidung wird auch für die Zukunft von den beiden neuen Novellen des Schulunterrichtsgesetzes in keiner Weise berührt.
In den österreichischen Medien wurde vorwiegend über die Einführung der Österreichischen Gebärdensprache ÖGS in den Lehrplan der AHS berichtet. Sie ermöglicht es Schulen seit Beginn des eben angebrochenen Schuljahrs 2024/25, allen hörenden und hörbeeinträchtigten SchülerInnen der Oberstufe ab dem letzten Pflichtschuljahr ÖGS als mögliches Pflichtfach anzubieten. Damit zieht ÖGS mit anderen Minderheiten- und lebenden Fremdsprachen gleich. Für hörbeeinträchtigte SchülerInnen der Oberstufe bringt die Stundenplanänderung keine zwingende Änderung mit sich.
Vereinzelt wurde medial auch über eine verpflichtende Übung ÖGS im Sonderschullehrplan für hörbeeinträchtigte SchülerInnen berichtet. Unter den neuen Lehrplänen sind tatsächlich Entwürfe für einen Lehrplanzusatz Hören und Kommunikation, der eine Vielzahl an Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten angepasst an den individuellen Bedarf ermöglichen wird, sowie für einen Zusatzlehrplan ÖGS für SchülerInnen mit Unterrichtssprache ÖGS. Die endgültige Form dieser neuen Lehrpläne wird erst erarbeitet; sie sollen ab Schuljahr 2025/26 gelten.
Statistiken zu Höreinschränkungen und Gehörlosigkeit
„Da die ÖGS in der Bundesverfassung anerkannt ist, muss sie auch im Lehrplan verankert sein“, versteht CI-Nutzer und Behindertenaktivist Sascha Asseg die diesbezüglichen Anstrengungen des Gehörlosenbundes. Bildungsminister Martin Polaschek hofft: „Damit gelingt ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Inklusion in unserem Schulsystem. Zudem ist es ein klares Zeichen der Wertschätzung und des Respekts für alle rund 9.000 gehörlosen Menschen in Österreich.“
Die genannte Zahl bezieht sich allerdings auf alle hochgradig schwerhörigen, resthörigen und tauben Personen – inklusive aller CI-NutzerInnen. Schätzungen zufolge leben in Österreich 6.000 CI-NutzerInnen, die großteils audio-verbal kommunizieren. Zieht man nur sie ab, bleiben rund 3.000 Betroffene in Österreich, die entweder Lippen absehen oder aber lormen, ÖGS oder andere Manual-Systeme nutzen.
„Es geht darum, wie wir alle Gruppen sichtbar machen“, so Asseg, der sich auch im Österreichischen Behindertenrat in der Arbeitsgruppe Bildung engagiert. Er bezieht sich auf ÖGS als Fremdsprache an der Oberstufe: „Wenn wir eine Gesellschaft der Vielfalt wollen, ist es nötig, dass auch einige nicht-gehörlose Menschen ÖGS können. Je mehr Sprachen du kannst, umso mehr Bildung kannst du auch vorweisen.“ Der Kärntner weiß aber auch: „Ob jemand eine bestimmte Sprache lernen will, ist eine persönliche Entscheidung. Sprache ist ja auch Emotionssache.“
Neue Lehrpläne im Pflichtschulbereich
Der Ursprung unserer bisher geltenden Lehrpläne für den Pflichtschulbereich stammt aus den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Sie alle wurden und werden gerade neu erstellt, auch um den nun geforderten kompetenzorientierten Unterricht zu verankern. Im Zuge dessen werden auch für alle Funktionsbeeinträchtigungen neue Lehrplanzusätze erstellt.
Ist für hörbeeinträchtigte SchülerInnen der Regelschullehrplan zu herausfordernd, werden sie bisher meist entsprechend Sonderschullehrplan für gehörlose Kinder unterrichtet. Der enthält auch bisher verpflichtende Therapeutisch-funktionelle Übungen – individuell nach Bedarf: audio-verbale Förderung oder Manual- und Gebärdensysteme. Der neue Zusatzlehrplan wird den Sonderschullehrplan ablösen. Er wird nicht nur passender benannt sein, sondern auch mehr Möglichkeiten zur bedarfsorientierten Unterstützung bieten. So soll der Nachteilsausgleich nun im Lehrplan verankert sein. Für SchülerInnen, welche ÖGS als Unterrichtssprache nutzen, wird zusätzlich ein Zusatzlehrplan ÖGS zur Verfügung stehen.
Das alles betrifft SchülerInnen mit Hör- und Kommunikationseinschränkungen in der Inklusion, wenn sie nach Sonderschullehrplan beziehungsweise Ergänzungslehrplan unterrichtet werden, ebenso wie SchülerInnen in der Schwerhörigen- oder Gehörlosenklasse. Dipl. Päd. Erna Heidi Reischitz, Diversitätsmanagerin mit Schwerpunkt „Hören und Kommunikation“ in der Bildungsdirektion Wien, erklärt aber: „Der große Teil dieser Kinder braucht keine ÖGS.“ Für CI-Kinder selbst wird sich mit den neuen Lehrplänen also nicht viel ändern. Für Eltern und Lehrkräfte wird aber zum Beispiel der anzuwendende Nachteilsausgleich klarer sein. Die gültige Fassung für den Lehrplanzusatz wird im Lauf des Schuljahres publiziert werden und voraussichtlich ab Herbst 2025 gelten.
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