Cochlea-Implantat bei genetisch bedingter Schwerhörigkeit

Seit Generationen verlieren die Familienmitglieder von Gabriel Fusek aus genetischen Gründen nach und nach ihr Hörvermögen. Während seine Vorfahren sich mit ihrer Taubheit abfinden mussten, hören Gabriel Fusek und seine beiden Cousins jetzt mit Hilfe von Cochlea-Implantaten.

„Ich weiß von sechs Generationen unserer Familie, von denen vier von Hörbeeinträchtigungen betroffen sind“, beschreibt Gabriel Fusek seine Familie. Die Betroffenen sind Verwandte des 67-jährigen Mannes väterlicherseits. „Wir wurden alle mit gutem Hörvermögen geboren. Doch im Laufe unseres Lebens haben wir nach und nach unser Gehör verloren.“

Besonders tragisch war das Schicksal von Fuseks Urgroßonkel vor dem Ersten Weltkrieg: Bei der Einberufung weigerte sich ein misstrauischer Militärarzt zu glauben, dass der Stellungspflichtige taub sei. Im Zuge der Untersuchung verletzte ihm der Arzt das Ohr, das entzündete sich, und der junge Mann starb schließlich an der Infektion.

Zum Glück ist der Hörverlust für die anderen Familienmitglieder weit weniger fatal verlaufen: „Meine Großmutter väterlicherseits wurde im Erwachsenenalter taub und auch zwei ihrer Kinder verloren als Erwachsene an Hörvermögen. Mein Vater starb im Alter von 90 Jahren – zu diesem Zeitpunkt war er völlig taub.“ Auch Fusek selbst wurde im Laufe seines Lebens taub, ebenso wie seine beiden Cousins. Dank moderner DNA-Tests weiß die Familie nun, dass eine genetische Besonderheit diesen sukzessiven Hörverlust auslöst. Und dank moderner CI-Technologie können alle drei heute wieder hören.

„Ich war mir meiner Taubheit lange nicht bewusst!“

Gabriel Fuseks eigene Geschichte der Schwerhörigkeit begann in seiner frühen Kindheit. Damals litt er wiederholt unter beidseitigen Ohrinfektionen. In den 1960er-Jahren konnte eine solche Infektion für ein Kind durchaus zur traumatischen Erfahrung werden, da die dagegen eingesetzten Pharmazeutika Tetracyclin und Penicillin damals hauptsächlich in Form schmerzhafter Injektionen verabreicht wurden. „Ich hatte große Angst vor weiteren Infektionen. Als hörgeschädigt habe ich mich damals noch nicht gefühlt.“ Seine Eltern waren jedoch erfahren, wenn es um Hörprobleme ging. „Sie merkten, dass etwas nicht stimmte. Als ich ans Gymnasium kam, vereinbarten sie mit dem Klassenlehrer, dass ich in der ersten Reihe sitzen durfte.“

Nach dem Studium der Archäologie und der Ableistung der Wehrpflicht begann Gabriel Fusek seine wissenschaftliche Laufbahn. Seit damals litt er immer wieder unter schweren Entzündungen der Gehörgänge, die von Krampfanfällen und hohem Fieber begleitet wurden. „In meinen Dreißigern wurde mir der allmähliche Hörverlust bewusst, der mich vor allem in meiner beruflichen Laufbahn eingeschränkte. Ich hatte zum Beispiel Schwierigkeiten, Vorträge auf wissenschaftlichen Konferenzen zu verstehen, und ich musste meine Lehrtätigkeit aufgeben.“ Irgendwann brachten ihm konventionelle Hörgeräte keinen Nutzen mehr. In Folge des allmählichen, fast „schleichenden“ Hörverlusts entwickelte er parallel dazu aber die Fähigkeit, Sprache von den Lippen abzusehen. „Ich selbst war mir gar nicht bewusst, dass ich nichts mehr hören konnte. Erst meine Frau wies mich darauf hin.“

Es sollte aber noch drei lange Jahre dauern, bis Fuseks Ohrenarzt ihn auf die Möglichkeit einer Cochlea-Implantation aufmerksam machte. „Ich wandte mich dann an das slowakische Cochlea-Implantationszentrum an der HNO-Klinik der Medizinischen Universitätsklinik Bratislava. Dort wurde ich bald implantiert und erhielt Anfang 2006 einen Sprachprozessor. Den benutze ich seither ununterbrochen.“

„Mit Cochlea-Implantaten ist das Leben wieder normal!“

Gabriel Fusek: „Für einen Menschen ohne Hörvermögen ist es, als gäbe es da draußen eine völlig andere Welt – und ich bin dank CI in diese Welt zurückgekehrt.“ ©Michal Gajdos

„In den ersten 15 Jahren meiner Berufstätigkeit lief ja alles gut: Ich promovierte, schrieb ein Buch und publizierte in wissenschaftlichen Fachzeitschriften. Ich reiste zu verschiedenen wissenschaftlichen Veranstaltungen und Studienaufenthalten ins Ausland, arbeitete an einer deutschen Universität und leitete großangelegte Ausgrabungen.“ Als er jedoch taub wurde, musste der Archäologe die Ausrichtung seiner Karriere neu überdenken und überlegen, wie er sein Wissen anders sinnvoll einsetzen konnte. „Weil ich merkte, dass ich den meisten meiner vorherigen Aufgaben ohne Hörvermögen nicht mehr gerecht werden konnte. Eigentlich nichts davon, außer zu schreiben.“ An seinem Arbeitsplatz stieß er auf Verständnis; er wurde Chefredakteur der slowakischen wissenschaftlichen Zeitung Slovenská archeológia. „Auf diese Weise konnte ich weiterhin wissenschaftlich arbeiten. Als Redakteur musste ich nicht hören können.“

Nach der Cochlea-Implantation und der damit verbundenen Hörrehabilitation kehrte der Wissenschaftler auch wieder in sein zuvor aufgegebenes Arbeitsumfeld zurück: „Ich nehme jetzt wieder aktiv an wissenschaftlichen Veranstaltungen teil, bei denen ich die Ergebnisse meiner Forschung selbst präsentiere. Ich bin Mitglied in verschiedenen Ausschüssen, redaktionellen und wissenschaftlichen Gremien und beteilige mich an der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Besonders freue ich mich, dass ich wieder Feldforschung betreiben kann. Ich habe also dank CI die Lebensweise eines Hörenden wieder aufgenommen – meist ist mir nicht mehr bewusst, dass ich eigentlich taub bin.“ Gelegentliche Missverständnisse nimmt er gelassen: „Das erinnert mich, dass ich es nur deswegen missverstanden habe, weil ich dank Cochlea-Implantat überhaupt wieder hören kann. Eigentlich führe ich wieder ein normales Leben ohne große Einschränkungen.“

Auch privat hatte die Implantation weitreichende Folgen. Fusek hört jetzt auch wieder gerne Musik oder trifft sich mit Freunden. „Und sie können sich sicher auch die Veränderung im Familienleben vorstellen, wenn Papa wieder hört, worüber die anderen reden“, lächelt der Familienvater.

„Ich mag die Art, wie ich es höre!“

„Der Audioprozessor des CI-Systems erfasst die Geräusche und kodiert sie in Signale, die dann an den Chip meines Implantats gesendet werden“, erklärt der inzwischen erfahrene CI-Nutzer und gibt zu: „Als ich meinen ersten Soundprozessor bekam, war ich zunächst enttäuscht: Ich verstand anfangs nichts. Aber nach kurzer Zeit wurde das immer besser.“ Seine täglichen Hörfortschritte hielt er in einem Tagebuch fest. Das half ihm, geduldig zu bleiben, bis er nach etwa zwei Jahren sein heutiges Hörniveau erreicht hatte. „Die Entwicklung meines neuen Hörvermögens ist vergleichbar mit der Hörentwicklung eines kleinen Kindes: Das lernt auch erst allmählich die verschiedenen Geräusche kennen, was jeweils diese Geräusche verursacht und was sie bedeuten. So ähnlich habe auch ich wieder gelernt zu hören.“

Manche Dinge klingen mit dem CI-System anders, als Fusek das in Erinnerung hat. Aber davon lässt er sich nicht entmutigen. „Es ist mir egal, wie etwas für normalhörende Menschen klingt. Ich mag die Art, wie ich jetzt höre, und fertig“, sagt er zufrieden. „Ohne CIs könnt ich überhaupt nicht hören! Für mich ist das Implantat ein großer Gewinn. Für einen Menschen ohne Hörvermögen ist es, als gäbe es da draußen eine völlig andere Welt – und ich bin dank CI in diese Welt zurückgekehrt.“

In diesem Zusammenhang ermutigt er auch andere Betroffene: „Hören Sie nicht auf Falschmeldungen und Märchen – glauben Sie stattdessen der Wissenschaft und den wissenschaftlichen Erkenntnissen! Seien Sie optimistisch und nehmen Sie die Möglichkeiten wahr, die der Fortschritt bietet! Er kann Ihr Leben wieder in die gewohnten Bahnen bringen!“ Neben Gabriel Fusek können auch seine beiden ertaubten Cousins dank eines Cochlea-Implantats mittlerweile wieder hören. Die beiden jüngsten Generationen der Familie haben die genetische Besonderheit, welche die Ertaubung verursacht, nicht geerbt. Sollten sie dennoch aus irgendeinem Grund eines Tages ihr Hörvermögen dennoch verlieren, kennen sie bereits die Lösung.

„Seien Sie optimistisch und nehmen Sie die Möglichkeiten wahr, die der Fortschritt bietet! Er kann Ihr Leben wieder in die gewohnten Bahnen bringen!“

Gabriel Fusek

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