Mit Cochlea-Implantat Wassersport sicher genießen 

Wassersport ist auch mit einem Cochlea-Implantat möglich: Dank wasserdichter Audioprozessoren und Zubehör wie dem WaterWear können Menschen mit Hörimplantat sicher schwimmen, schnorcheln und tauchen. 

Eva Kohl 

„Ich kann es gar nicht fassen, dass es hier so laut ist!“, wunderte sich die damals achtjährige Melanie Anfang 2015. Bei einer CIA-Veranstaltung durfte die Waldviertlerin den RONDO CI-Prozessor mit dem gerade neu vorgestellten WaterWear im Schwimmbad testen. Zum ersten Mal im Leben konnte sie das Platschen hören, wenn Kinder ins Wasser sprangen, oder die Schreie beim Wasserballspiel und sogar die gedämpften Geräusche unter Wasser. Mit ihrem Cochlea-Implantat Wassersport zu machen, wird für sie plötzlich möglich.

Frühere Generationen von Audioprozessoren sollten vor allem sicher gegen Schweißeintritt sein. An Wasserdichtheit wagten Hersteller und NutzerInnen damals noch nicht zu denken. Als 2015 das erste WaterWear herauskam, war das eine Sensation: ein hauchdünner, wasserdichter Kunststoffüberzug und ein ebensolches Verschlussblättchen. Das simple System hat sich seither bestens bewährt: Man zieht den Überzug über die äußeren Teile des CI-Systems und dichtet alles ab, indem das selbsthaftende Blättchen auf der flachen Seite angebracht wird. Entsprechende Sorgfalt bei der Handhabung vorausgesetzt, ist der Audioprozessor damit bis zu 16 Stunden wasserdicht versiegelt.  

WaterWear: Wasserdichtes Zubehör für Cochlea-Implantate

Mit der Schutzklasse IP68 können NutzerInnen von SONNET 3 oder RONDO 3 Audioprozessoren das kühle Nass bedenkenlos genießen! ©Daniel Zangerl/MED-EL

Der Schutzüberzug WaterWear wurde zwei Stunden lang vier Meter tief unter Wasser getestet. Damit entspricht er Schutzklasse IP68, und das sogar für Trinkwasser, Chlorwasser und Salzwasser. Mittlerweile gibt es für alle MED-EL Audioprozessoren – für die NutzerInnen von Cochlea-Implantaten, aber auch von BONEBRIDGE- oder VIBRANT SOUNDBRIDGE-NutzerInnen – passende WaterWear-Überzüge. Obwohl spätere Generationen der Audioprozessoren auch ohne Schutzhülle immer dichter gegen Wassereintritt wurden: Der neue SONNET 3 entspricht – vorausgesetzt er ist unbeschädigt – auch ohne Schutzüberzug der IP-Kennzahl 68! Für NutzerInnen wird so auch mit Cochlea-Implantat Wassersport problemlos möglich.

Mit WaterWear muss der Audioprozessor mit wiederaufladbaren Akkus oder mit Alkali- oder Silberoxidbatterien betrieben werden. Der dichte WaterWear-Überzug verhindert die Verwendung von Zink-Luft-Batterien, weil dafür nicht genug Luft durch den Schutzüberzug eindringen kann. Am besten vor dem Abdichten neue Batterien einlegen!: Nach jedem Batterietausch muss mit einem neuen Verschlussblättchen abgedichtet werden und auch die Hülle selbst muss regelmäßig getauscht werden.  

Wer seine oder ihre Audioprozessoren im natürlichen Gewässer verwenden möchte, sollte nicht nur Wasserdichtheit und Energieversorgung bedenken, sondern das System auch gegen Verlust absichern. Dazu kann man am WaterWear eine Haarklammer befestigen, ein Sportstirnband verwenden – ein spezielles Stirnband mit beidseits eingearbeiteten Täschchen für die Audioprozessoren – oder ganz einfach eine herkömmliche Badehaube. Bedenkt man diese Dinge, wird klar, wie gut mit einem Cochlea-Implantat Wassersport inzwischen möglich ist.

Arnold Erdsiek, CI-Nutzer: „Unter Wasser die Geräuschkulisse wahrzunehmen und über Wasser die Möglichkeit, mich zu unterhalten – ich habe das genossen!“ ©privat

Den Meerbrassen beim Schwärmen lauschen 

CI-Nutzer Arnold Erdsiek verwendete das Sportstirnband und sicherte alles zusätzlich mit dem Gummiband der Taucherbrille, als er das damals noch neue WaterWear für RONDO 2015 erstmals im offenen Meer testete. So ausgerüstet, ging der Deutsche mit seinem spanischen Freund Antonio in einer Felsbucht schnorcheln. „Das Platschen des Wassers beim Schwimmen, die Geräusche beim Luftholen mit dem Schnorchel, die plötzliche Stille unter Wasser – diese Geräuschkulisse erstmals wieder wahrzunehmen, habe ich genossen“, erinnert er sich. „Aber genauso die Möglichkeit, mich über Wasser mit Antonio zu unterhalten.“  

„Unten umschwärmten uns von überall her die lustig gestreiften Fische, die meisten so zwischen 20 und 25 Zentimeter lang: Wir waren mittendrin in einem Fischschwarm mit hunderten von Meerbrassen, die sich direkt aus der Hand füttern ließen!“, erinnert sich der bilaterale CI-Nutzer. „Lustig, wenn sie mit ihren schwarzen Äuglein direkt in die Taucherbrille schauen. Erstaunlich flink und geschickt bewegen sich die Fische, es kommt dabei aber zu keiner einzigen Berührung.“ Dann lacht er verschmitzt: „Ach ja, noch eines konnte ich damals zweifelsfrei feststellen: Fische kann man nicht hören – auch nicht, wenn man hören kann.“ 

Ein Tauchlehrer mit Cochlea-Implantat

Daniel Gilbert Weber, CI-Nutzer und Tauchlehrer a.D.: „Tauchen macht viel
Spaß, gewährt einen tiefen Einblick in die faszinierende Unterwasserwelt und lehrt uns die Umwelt zu respektieren und zu bewahren!“ ©privat

Auch Daniel Gilbert Weber war schon immer von der Unterwasserwelt fasziniert. Er ging schnorcheln, wagte sich aber auch an Tauchgänge bis zu einer Tiefe von 20 Metern beim Freitauchen – ohne Druckluftflasche. Damals noch Nutzer konventioneller Hörgeräte, traute er sich nicht ans Gerätetauchen heran: „Ich dachte, weil ich im Wasser ohne Hörgeräte nichts höre, wäre es wohl zu schwierig, mir das Gerätetauchen beizubringen.“ Bis ihn 1983 in Kenia ein befreundeter Tauchlehrer dazu einlud. „Er erklärte mir, dass wir im Wasser ohnehin eine für Taucher entwickelte Zeichensprache anwenden.“ Weber wurde begeisterter Gerätetaucher und dehnte seine diesbezüglichen Kenntnisse und Fähigkeiten in immer weitere Fachgebiete aus, zum Beispiel als Höhlentaucher.  

1995 ertaubte der geborene Schweizer gänzlich. Er entschied sich zur Implantation und erhielt schon im Folgejahr an der HNO-Abteilung des Universitätsspitals Inselspital in Bern sein erstes Cochlea-Implantat. Diese Veränderung änderte aber nichts an seiner Leidenschaft zum Tauchen – ganz im Gegenteil: Er bestand in Deutschland die Prüfung zum CMAS mit zwei Sternen – eine international gültige Tauchprüfung – und durchlief dann in der Schweiz die Tauchlehrerausbildung der PADI, einer internationalen Organisation für GerätetaucherInnen und TauchlehrerInnen. In der Schweiz – und vereinzelt auch in Ägypten – war er 22 Jahre lang als PADI Master Scuba Diver-Trainer aktiv. 

Tauchen mit Hörimplantat: So bleibt der Prozessor sicher

„Praktisch jede Frau oder jeder Mann kann das Tauchen bis ins hohe Alter ausüben, auch mit CIs“, ist Weber als erfahrener Tauchlehrer überzeugt. Voraussetzung seien lediglich durchschnittliche Fitness und normale Gesundheit. Letzteres wird bei einer Gesundenuntersuchung – idealerweise bei einem Taucharzt – überprüft sowie durch einen Fragebogen, den jedeR TauchanfängerIn vor der Ausbildung auszufüllen muss. Es gibt aber sogar speziell geschulte TauchlehrerInnen, die zum Beispiel auch für RollstuhlnutzerInnen das Tauchen möglich machen. 

„Für CI-TrägerInnen wie uns ist außerdem noch die Freigabe von unserem HNO-Arzt erforderlich“, erklärt Weber. „Aber obwohl bei mir auch das rechte Gleichgewichtsorgan seit meiner Ertaubung nicht mehr funktioniert, erlebte ich bisher keine Beeinträchtigung.“ Bei der Tauchtiefe müssen CI-NutzerInnen die für ihrE jeweiligen ImplantatE freigegebene Druckbelastung beachten. Daniel Weber hat beidseits Cochlea-Implantate von MED-EL: Alle MED-EL CIs dürfen bis zu 6 bar druckbelastet werden, das entspricht einer Tauchtiefe von maximal 50 Metern, zehn Meter mehr als für SporttaucherInnen maximal empfohlen. „Ich habe mit meinen CIs einige hundert Tauchgänge bis zu dieser Tiefe gemacht. Ob im warmen Wasser bis zu 32 Grad Celsius oder bis nahe am Gefrierpunkt: Ich habe bei Tauchzeiten von weit über einer Stunde nie die geringste Beeinträchtigung erlebt.“  

Tief unter Wasser ist das Hören nicht wesentlich 

In diesen Tiefen ist kein Audioprozessor mehr wasserdicht, die Prozessoren müssen vor jedem Tauchgang abgenommen werden: „Die Prozessoren, empfehle ich, in einer zumindest spritzwasserfesten Box aufzubewahren“, erklärt der geübte Gerätetaucher. Unter Wasser nicht zu hören, sei beim Tauchen aber kein Problem. Die Kommunikation verläuft ja nonverbal – und um Arnold Erdsiek einmal mehr zu zitieren: „Fische kann man nicht hören.“  

Die Gefahr eines herannahenden Bootes könnten hörende TaucherInnen aber doch hören. „Unter Wasser aber nicht orten“, erwidert Weber. Schall breitet sich unter Wasser nämlich rund fünf Mal schneller aus als in der Luft. Deswegen ist die Zeitdifferenz zwischen den beiden Ohren zu gering, um daraus die Richtung der Schallquelle bestimmen zu können. Weber fühlt sich daher mit hörenden TauchkollegInnen gleichauf: „Ich höre das Boot zwar nicht, spüre aber die Vibration. Orten muss ich es dann – wie die hörenden TaucherInnen auch – mit den Augen.“  

IP68 beim Audioprozessor – was bedeutet das?

Wieder aufgetaucht, ist die aktuelle Generation der Audioprozessoren ein Segen: Der neue SONNET 3 ist nach Schutzklasse IP68 sogar beim Untertauchen dicht. Melanie Fraisl war bei der Einführung des SONNET 3 wieder unter den TesterInnen dabei und sie hat dem Prozessor einiges abverlangt: „Ich habe den SONNET 3 im Chlorwasser getestet.“ Der Prozessor hat es unbeschadet überstanden und Melanie war begeistert: „Während des Schwimmens tratschen!“  

Wenn der SONNET 3 unbeabsichtigt ins Wasser fällt, ist er auch mit Zink-Luft-Batterien wasserdicht. Unter Wasser geht den Batterien aber rasch die Luft aus. Deswegen sind für den Schwimmgang Akkus besser geeignet. Der ebenfalls wasserdichte RONDO 3 arbeitet sowieso mit implementiertem Akku. Die zugesagte Wasserdichtheit gilt aber natürlich nur für unbeschädigte Prozessoren – auch eine ungünstig liegende Schramme vom letzten Hinunterfallen kann die Dichtheit gegen Wasser beeinträchtigen. Deswegen steht auch für die neueste Gerätegeneration von MED-EL ein passendes WaterWear zur Verfügung. Beim Schwimmen in Naturgewässern sollte man den Prozessor außerdem gegen Verlieren sichern; oder doch vorher abnehmen.

In aller Kürze: Mit Cochlea-Implantat Wassersport und Co.

Die IP-Kennzahl gibt den Schutz eines Produkts gegen Eindringen – englisch: Ingress Protection – an: die erste Ziffer den Schutz gegen Feststoffe wie Staub, die zweite gegen Flüssigkeiten. Diese Kennziffer wird in Tests ermittelt, die von der Internationalen Elektrotechnischen Kommission IEC als Standard festgelegt werden. Diese europäische Normungsorganisation mit Sitz in Genf arbeitet dabei mit nationalen Normungsinstituten und teils auch mit der Internationalen Normungsorganisation ISO zusammen.

Prozessor-Upgrade für noch mehr Wasserschutz

Die jeweilige IP-Kennziffer Ihrer Audioprozessoren steht im Benutzerhandbuch bei den technischen Daten. Der vor über zehn Jahren eingeführte SAMBA-Prozessor für BONEBRIDGE und VIBRANT SOUNDBRIDGE hatte noch Schutzklasse IP32: Klasse 3 für staubgeschützt und Klasse 2 geschützt gegen Tropfwasser, das mit bis zu 15 Grad schräg auftrifft. Spätere Modelle hatten IPx4: spritzwasserfest. RONDO 3 oder SONNET 3 von MED-EL entsprechen
IP68: Die Funktion des Audioprozessors ist sichergestellt, auch bei bis zu 60 Minuten ein Meter tiefes Untertauchen in ruhigem, sauberem Wasser – vorausgesetzt, er ist unbeschädigt und korrekt zusammengebaut. Auch die Mikrofonabdeckung und eine eventuelle Buchsenabdeckung müssen
intakt und geschlossen sein.

Auf Nummer sicher beim Wassersport

Im realen Leben sind kleine Schrammen oft nicht auszuschließen. Das Wasser im Schwimmbad oder Pool enthält meist Chlor, im Meer oder bei Flussmündungen ins Meer ist es salzhaltig. Wer sicher gehen will, kann zusätzlich WaterWear verwenden. Absichern gegen Verlust, besonders in
Naturgewässern, wird empfohlen! Zum Sporttauchen muss der Prozessor trotz IP68 abgelegt werden. Je nach Implantattyp dürfen NutzerInnen unterschiedlich tief tauchen: mit MED-EL Cochlea-Implantaten laut Benutzerhandbuch bis zu 50 Metern! Auf Anfrage informiert der Hersteller, dass auch die VIBRANT SOUNDBRIDGE und die BONEBRIDGE auf 6 bar Druck getestet sind, das entspräche 50 Meter Meerestiefe. Die maximal empfohlenen 40 Meter für SporttaucherInnen sind also mit MED-EL Implantaten möglich. Die CIs von MED-EL wurden sogar bei 9 bar getestet: für eine großzügige Sicherheitsreserve. Ein übermäßig festes Band der Taucherbrille sollte im Implantatbereich aber grundsätzlich vermieden werden.

Logo Leben mit hoerverlust.at

Leben mit hoerverlust.at

Alles auf einen Klick! hoerverlust.at bietet Betroffenen und Angehörigen umfassende Informationen und Kontaktmöglichkeiten zu allen Bereichen, die Sie auf dem Weg zum Hören benötigen. Mehr zum informativen Wegbegleiter vom ersten Verdacht bis zur optimalen Versorgung finden Sie hier!

ZENTRUM HÖREN

Beratung, Service & Rehabilitation – für zufriedene Kunden und erfolgreiche Nutzer! Mehr zum umfassenden Angebot und engagierten Team des MED-EL Kundenzentrum finden Sie hier!