Cochlea Implantat für ein Kleinkind: Eltern erzählen über die erste Zeit
Die kleine Julia ist schon acht Monate alt, als ihr Hörverlust erstmals bemerkt wird. Für sie und ihre Eltern beginnt damit eine aufregende und wechselhafte Reise von der Welt der Stille in die Welt der Geräusche und Stimmen.
Dorota und Paul, Eltern von Julia und Maja
Unser gemeinsames Abenteuer mit dem Hörverlust unserer Tochter begann am 27. Februar 2020. Genau an diesem Tag – dem zweiten Geburtstag unserer älteren Tochter Maja – erblickte unsere kleine Heldin Julia das Licht der Welt. Die Schwangerschaft mit Julia und auch die Entbindung verliefen wie im Bilderbuch. Obwohl Julias Hörverlust von Beginn an omnipräsent war, wurde er von uns nicht bemerkt. Durch die Verkettung unterschiedlicher, teils unglücklicher Umstände erfuhren wir erst acht Monate später, dass unsere Tochter nichts hört.
Wir erwachten langsam aus dem Traum, Julia wäre ein normalhörendes Kind. Eine Parazentese und die Untersuchungsergebnisse der BERA bestätigten endgültig Julias kompletten Hörverlust. Diese Zeitspanne war und ist bis heute für uns die schwierigste Phase auf der aktuellen Reise; auf Julias Reise zwischen zwei Welten: Auf der einen Seite die Welt der kompletten Stille und auf der anderen Seite die der Hörenden und Sprechenden, der Geräusche und Klänge.
Wir sind in die Situation hineingewachsen
Die anfängliche Traurigkeit hat sich bald in großen Ärger und Zorn verwandelt. Unzählige Fragen brodelten damals in unseren Köpfen: Warum Julia? Haben wir etwas falsch gemacht? Warum haben wir als Eltern das nicht früher bemerkt? Was nun? Was kann als Nächstes getan werden? Wie wird es sein?
Es kam zu einer Parallelentwicklung, bei der wir Stück für Stück in die Situation hineinwuchsen. Je mehr Informationen auf Julias Hörverlust hindeuteten und ihn bestätigten, desto mehr brachten wir über diese Thematik in Erfahrung; über mögliche „Auswege“. Wir veränderten dadurch unsere Sichtweise dahin, dass ein Hörverlust in der heutigen Zeit und dank des medizinischen Fortschrittes kein auswegloses „Urteil“ darstellt.
Mit jedem Tag wurde unsere Zuversicht größer und intensiver. Sie verhalf uns, das Licht am Ende des mentalen Tunnels, in den wir gerade hineingefahren waren, klar und deutlich zu sehen.
Jeder Tag brachte neue Erfahrungen und neue Emotionen
Wir haben viele Informationen über Cochlea Implantate gefunden: Die gegenwärtige Medizin bietet viele verschiedene Möglichkeiten und eine regelmäßige Therapie kann sehr zufriedenstellende Ergebnisse liefern.
Die Zeit bis zu Julias Implantation war für unsere Familie sehr intensiv und auch schwierig. Neue Emotionen und neue Erfahrungen begleiteten uns bei jeder der nötigen Untersuchungen, bei jedem ärztlichen Termin und bei jedem Vorgespräch. Wir entschieden uns, diese Emotionen in positive Energie für Julias Wohl umzuwandeln.
Endlich kam der lang erwartete Tag der Operation – für uns alle ein sehr wichtiges Datum. Fünf Tage vor Julias erstem Geburtstag wurden ihr beidseits Cochlea Implantate implantiert. Der Tag der OP war das Ende eines sehr schwierigen Teils unseres Lebens, aber auch der Anfang vom wunderbaren Weg des Hörens unserer kleinen Tochter. Mit großer Vorfreude und einer Prise Ungewissheit fieberten wir dem Tag des „First Fitting“ entgegen.
Der Hörverlust ist untrennbarer Teil unserer Julia
Es war ein unbeschreiblich schönes und rührendes Gefühl zu sehen, wie Julia die ersten Geräusche und Laute registrierte. Wie sie Schritt für Schritt die Welt der Hörenden entdeckte; wie sie ihre Umgebung und die Welt aufs Neue kennenlernen durfte. Jede kleinste Reaktion von Julia auf Töne, Geräusche und unsere Stimmen erfüllte uns mit riesiger Freude und gab uns ein Gefühl der Bestätigung, aber auch Erleichterung. Was wir davor bei unserer älteren Tochter in ihrer Hör- und Sprachentwicklung als selbstverständlich erachtet haben oder gar nicht bemerkten, haben wir nun in Julias aktueller Situation bis ins kleinste Detail genossen.
Unsere größte Sorge war, Julias Stimme nie hören zu können, ihre Klangfarbe, Intonation und Ausdrucksweise. Diese Sorge gehört zum Glück der Vergangenheit an. Wir finden, dass Julia mit ihren dreieinhalb Jahren sehr gute Fortschritte macht. Bezogen auf ihre Ausgangssituation ist sie auf einem sehr guten Entwicklungsstand. Unabhängig von Julias zukünftiger Hör- und Sprachentwicklung sind wir sehr glücklich und stolz, dass unsere Entscheidung ihr die Türe zur Welt des Hörens geöffnet hat.
Wir betrachten den Hörverlust von Julia jetzt nicht mehr als Krankheit, Behinderung oder Beeinträchtigung. Er ist einfach unser Alltag, mit besseren und schlechteren Momenten. Er ist auch ein untrennbarer Teil unseres Kindes; eine Eigenschaft, die sie unglaublich einzigartig macht. Jeden Tag bestätigt sie das mit dem nächsten neu gesprochenen – und gehörten – Wort.
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