Lautstärke und Stimmhöhe: mögliche Symptome für eine Höreinschränkung

Auffälligkeiten in Stimme und Aussprache können ein Hinweis auf Höreinschränkungen sein oder auf suboptimale Hörversorgung mit mangelhaft eingestellten Hörsystemen. Gutes Hörvermögen ist umgekehrt bei der Therapie von Stimmstörungen hilfreich.

„Wir hatten eine Patientin mit einer Stimmstörung durch Überlastung. In der Anamnese sind wir draufgekommen, dass sie mit ihrer schwerhörigen Großmutter im Haushalt zusammenlebt“, erzählt Prof. Dr. Doris-Maria Denk-Linnert aus dem Klinikalltag. Die Leiterin der Klinischen Abteilung Phoniatrie-Logopädie an der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten/Medizinische Universität Wien war zu Gast bei der Podcast-Serie Hörgespräche-Sinnvolles aus dem Leben.

Noch wichtiger als eine solche Sozialanamnese ist aber ein Blick auf das Hörvermögen der StimmpatientInnen selbst, denn: „Hören ist ein wichtiger Aspekt, damit die Stimme entsprechend funktioniert, in der adäquaten Lautstärke.“ Bei Kindern, die in der Sprache auffällig sind, stellt man im Verlauf der Diagnose oft auch Höreinschränkungen fest. Aber auch erwachsene PatientInnen mit Stimmstörung werden immer auch audiologisch abgeklärt, denn: „Wenn man sich selbst nicht hört, verändert sich automatisch die Stimme.“

„Für Schwerhörige ist es ja typisch, dass sie lauter sprechen. Aber sie singen auch lauter“, weiß die passionierte Chorsängerin Sylvia Reitmann aus Erfahrung. In ihren Vierzigern verschlechterte sich ihr Hörvermögen so sehr, dass es für sie schwierig wurde, Lautstärke und Tonlage auf die anderen ChorsängerInnen abzustimmen und zu halten. Bis die geborene Steirerin schließlich auch mit Hörgeräten nicht mehr mitsingen konnte. HNO-Ärztin und Phoniaterin Denk-Linnert bestätigt, das Hörvermögen sei für die Stimmkontrolle beim Singen besonders wichtig: „Da muss man nur mit Sängern sprechen, die einen akuten Infekt mit einem Tubenkatarrh haben.“ Sylvia Reitmanns Problem war anhaltender als ein akuter Infekt, doch sie gewann schließlich mit Cochlea-Implantaten auf beiden Seiten ihr Hörvermögen zurück – und damit auch ihr Hobby.

Stimme als Parameter für gute Einstellung des Hörsystems

Die Logopädin Anna Stelzl, BSc, betreut im ZENTRUM HÖREN CI-NutzerInnen jeden Alters. Auch sie kennt das Phänomen: „Wenn ein Hörverlust plötzlich auftritt, zum Beispiel bei einem Hörsturz, bleibt die Sprechstimme zwar oft unauffällig. Doch wenn Menschen langsam ihr Hörvermögen verlieren, beginnen sie parallel meist auch lauter zu sprechen.“ Ein passendes Hörgerät oder ein Hörimplantat hilft nicht nur, wieder zu hören und zu verstehen, sondern auch die Lautstärke wieder zu kontrollieren.

DI Bernd Katzbauer betreut als klinischer Techniker CI-NutzerInnen in Kärnten und der Steiermark sowie in einigen Ländern der ehemaligen Donaumonarchie. „Wenn zum Beispiel ein CI-Nutzer oder eine CI-Nutzerin den Prozessor beim Techniktermin herunternimmt, kommt es schon oft vor, dass er oder sie plötzlich deutlich lauter spricht“, kennt er die oft rasche Reaktion auf Änderungen im Hörvermögen. „Ich schenke der Stimmlage und Lautstärke aber nur begrenzt Aufmerksamkeit, wenn es um die Feineinstellung des Hörsystems geht. Beim Sprechen reagiert jeder anders laut und anders hoch.“

Der erfahrene CI-Techniker verlässt sich lieber auf die Ergebnisse der audiologischen Tests: auf die Hörschwelle und das Sprachverstehen mit dem Hörsystem. Dass mancheR CI-NutzerIn, der/die ihn beim Eintreffen mit überhöhter Stimme begrüßt, sich nach der Feinanpassung des Prozessors in „normaler“ Lautstärke verabschiedet: „Das kommt schon vor“, schmunzelt Katzbauer.

Hören: wichtig für Stimmlage und Aussprache

Langfristige Auswirkungen auf die Sprechstimme haben Höreinschränkungen bei Kindern, betont Logopädin Anna Stelzl: „Das betrifft besonders die Zischlaute: S, Z und SCH.“ Eltern nehmen das zumeist als Lispeln wahr. Tatsächlich bleiben diese hochtonigen Laute oft auch mit Hörgeräten schlecht wahrnehmbar. Wenn ein Kind bestimmte Phoneme nicht zuverlässig hören und unterscheiden kann, lernt es nur schwer, sie deutlich auszusprechen und richtig einzusetzen.

Noch größer wird die Herausforderung, wenn ein Kind die eigene Stimme insgesamt nicht oder sehr schlecht hört. „Dann kann es die eigene Stimme allgemein schwer dosieren. Das wirkt sich nicht nur auf die Lautstärke aus. Diese Kinder sprechen dann meist gepresst, kratzig und halsig.“ Wird eine passende Hörversorgung unterlassen, so bleibt die Lautbildung auch im Erwachsenenalter markant. „Für unauffällige Lautsprache sollte die Hörversorgung vor dem vierten Geburtstag erfolgen. Für optimale Kommunikationsentwicklung sollte das aber sowieso spätestens um den ersten Geburtstag passieren.“

Hören schützt die Stimme vor Überlastung

Schwerhörigkeit – und damit dauerhaft zu laut zu sprechen – zählen zu den möglichen Einflussfaktoren einer krankhaften Stimmveränderung im Alter. ©Adobe Stock

Nicht nur die eingangs erwähnte schwerhörige Großmutter kann zur stimmlichen Belastung werden. Wer unvorbereitet zu laut oder lange singt oder spricht, wird leicht heiser. Viele PatientInnen der phoniatrischen Ambulanz gehören Stimmberufen an, wie zum Beispiel „Hochleistungsakrobaten der Stimme“, wie Denk-Linnert SängerInnen und SchauspielerInnen nennt. Aber auch MitarbeiterInnen im Callcenter oder PädagogInnen müssen in ihrem Berufsalltag viel sprechen und sind daher stimmlich gefordert.

Wenn zum Beispiel eine Lehrerin in der Klasse sich beim Sprechen nicht gut wahrnimmt, weil sie schlecht hört oder auch weil sie gegen eine ausgeprägte Lärmkulisse ankämpfen muss, spricht sie automatisch lauter und höher. Deswegen sollten Personen, die einen Stimmberuf ausüben, schon vor dem Auftreten erster Stimmprobleme vorbeugend eine stimmhygienische Beratung bei einer/m LogopädIn in Anspruch nehmen. „Aber auch bei einer Presbyphonie, einer Stimmstörung im Alter, ist das Gehör sehr wichtig!“, weiß Denk-Linnert. Schwerhörigkeit – und damit dauerhaft zu laut zu sprechen – zählen zu den möglichen Einflussfaktoren einer krankhaften Stimmveränderung im Alter.

Als Vorsorge für alle oder als Unterstützung der Therapie für Betroffene: Unabhängig vom Alter rät die erfahrene Spezialistin allen, in der emotionalen Geborgenheit der Familie möglichst viel miteinander zu sprechen und miteinander zu musizieren.

Mehr zu den Themen Stimmen, Hören, CI und Musik beim Hörgespräch mit Prof. Dr. Doris-Maria Denk-Linnert auf www.hoerenbewegt.at.

©Philipp Hicker

Stimm-, Sprech- und Hörexpertin Ao.Univ.Prof.in Dr.in Doris-Maria Denk-Linnert im Interview im Rahmen der Podcast-Reihe Hörgespräche – Sinnvolles aus dem Leben

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